DDG 2021: Vitaminmangel-Dermatosen hier und heute

Ernährungsfehler oder bariatrische Operationen können auch hierzulande zu Vitaminmangel – z.B. von Vitamin C – und damit zu mukokutanen Veränderungen wie Haarausfall, Schleimhautblutungen, periorale und akrale Dermatitiden oder Wundheilungsstörungen führen. Hier heißt es vor allem „Augen auf bei der Anamnese“. Auch durch Vernachlässigung von Kindern kann sich ein massiver Vitamin-C-Mangel einstellen mit enormen Auswirkungen auf die Knochen- und Gelenkentwicklung.

Vitamin Mangel

Skorbut, Rachitis oder Pellagra – diese Hypovitaminosen kennen die meisten Mediziner nur aus dem Lehrbuch. Aber sie kommen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Deutschland vor − und das in allen sozialen Schichten.

Fehlernährung, Malabsorption

Die Ursachen für eine unzureichende Versorgung mit Vitaminen sind vielfältig. Professor Dr. Cyrill Géraud (Mannheim) zählte die wichtigsten auf:

  • Restriktive Diäten (z.B. aus religiösen /kulturellen Gründen oder weil ein Schlankheitsideal angestrebt wird)
  • Psychische Erkrankungen
  • Substanzabusus (z.B. Alkohol)
  • Malignome oder Infektionen
  • Zeiten erhöhten Bedarfs wie Schwangerschaft, Stillzeit oder Wachstum
  • Gastrointestinale Erkrankungen
  • Bariatrische Operationen
  • Medikamente (z.B. Isoniazid, 5-FU, Antikonvulsiva)

Haut, Haare, Zähne leiden

Wie Géraud weiter berichtete, weisen auf eine (oder mehrere) Hypovitaminosen auch mukokutane Veränderungen hin, die aber bei den jeweiligen Defiziten unterschiedlich ausgeprägt sein können. Die häufigsten sind

  • Haare: Effluvium, Alopezie, brüchige Haare
  • Periorifizielle, akrale oder intertriginöse Dermatitiden (seborrhoisch)
  • Schleimhäute: Blutungen, Gingivahyperplasie, Cheilitis, Glossitis, Zahnausfall, Konjunktivitis
  • Dermatitiden in UV-exponierten Arealen
  • Nagelwachstumsstörungen
  • Petechien, Ekchymosen, perifollikuläre Hämorrhagien
  • Perifollikuläre Hyperkeratosen
  • Wundheilungsstörungen, Ulzerationen

Liegen mehrere dieser Symptome vor, sollte auf jeden Fall an einen Mangelzustand gedacht werden, wobei auch mehrere Mängel gleichzeitig bestehen können, betonte Géraud.

Haut-Symptome bei Skorbut

Ein klassisches Beispiel für einen Vitaminmangel ist Skorbut. Die typischen dermatologischen Zeichen für diesen Vitamin-C-Mangel sind

  • Blutungen: Schleimhäute (vor allem Zahnfleisch), perifollikulär, Ekchymosen, Petechien, Sugillationen,
  • perifollikuläre Hyperkeratosen,
  • Zahnverlust,
  • Ulzera
  • Korkenzieher-Haare

Skorbut durch Nudel-Ernährung

Als Beispiel erläuterte Géraud den Fall einer 35-jährigen Patientin bulgarisch-türkischer Abstammung mit Ulzera an den Unterschenkeln, die mit der Verdachtsdiagnose Pyoderma gangraenosum eingeliefert wurde. Die Therapie mit Kortikosteroiden und Antibiose brachte keine Besserung. Die eingehende Anamnese ergab, dass sich die Frau ausschließlich von Teigwaren ernährte. Das erweckte den Verdacht, dass hinter den Geschwüren ein Vitamin-C-Mangel stecken könnte, auch wenn weitere Zeichen der Hypovitaminose nur sehr diskret waren. Daraufhin wurde Vitamin C im Gewebe bestimmt. Ergebnis: Der Wert lag unter der Nachweisgrenze. Entsprechend stellte sich unter Substitutionstherapie schnell eine Besserung ein.

Vitamin-C-Mangel bei Kindern: Möller-Barlow-Krankheit

Durch Vernachlässigung kann sich bei Kindern ein massiver Vitamin-C-Mangel einstellen: die Möller-Barlow-Krankheit. Es kommt zu enchondralen Ossifikationsstörungen, Infraktionen, zur Verbreiterung und Auftreibung der Knorpel-Knochen-Grenzen, metaphysären Ablösungen und Frakturen besonders an den Extremitäten (Kniegelenksbereich). Als Folge davon stellen sich Schmerzen bei Bewegung und Berührung ein, so dass die Kinder eine typische Schonhaltung mit leicht gebeugten Knien im Bett einnehmen (Froschhaltung). Durch die schmerzhaften subperiostalen Blutungen zucken die Kinder selbst bei leichten Berührungen zusammen, was als Hampelmann-Phänomen bezeichnet wird. Géraud hat dies bei einem Vierjährigen, der ausschließlich von Reis und Milch ernährt worden war, beobachten können.

In seinem Fazit betonte Géraud, dass auch Dermatologen Mangeldermatosen in ihre differentialdiagnostischen Überlegungen einbeziehen sollten. Werden Zeichen von Vitaminmangel erkannt, sollte eine eingehende Anamnese erfolgen. Und oft ist es nicht nur ein Vitamin, das fehlt.

Autor:
Stand:
24.05.2021
Quelle:

Online-Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft; Session: Dermatosen bei Stoffwechselerkrankungen, Vortrag: „Mangeldermatosen“, Prof. Dr. Cyrill Géraud (Mannheim), 15.4.2021

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