
Typ-1-Diabetes: eine Autoimmunkrankheit
Bei Typ-1-Diabetes stellt der Körper nur wenig oder gar kein Insulin her. Erkrankte müssen lebenslang Insulin spritzen. Auch gut eingestellte Patienten leiden häufig an Komorbiditäten, die langfristig zu schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen und zu einer um 14 bis 18 Jahre reduzierten Lebenserwartung führen.
Am Institut für Diabetesforschung (IDF) des Helmholtz Zentrums München untersucht ein Forschungsteam um Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ-1-Diabetes. Anhand von Daten der Geburtskohorte BABYDIAB fanden die Forscher eine Anfälligkeit für die Entstehung einer mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoimmunität in den ersten zwei Lebensjahren. Mit dem Projekt Fr1da wurde das erste bevölkerungsweite Screening auf Inselautoimmunität in der Kindheit ins Leben gerufen.
Ein vorrangiges Projekt des IDF ist die Entwicklung einer antigen-basierten Therapie zur Erzeugung einer Immuntoleranz. „Unser Ziel ist es, das Fortschreiten der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes durch die Behandlung mit oralem Insulin zu verzögern oder zu verhindern“, erklärt Ziegler, Direktorin des IDF. „Wir wollen nicht nur früh diagnostizieren und behandeln, sondern eine Möglichkeit der Prävention von Typ-1-Diabetes finden.“
Fr1da-Studie „Typ 1 Diabetes: Früh erkennen - Früh gut behandeln“
„Typ-1-Diabetes betrifft jedes Jahr mehr Kinder und in den meisten Fällen werden die Familien von der Diagnose eiskalt überrascht. Besonders gravierend sind jene Fälle, die mit einer gefährlichen Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil die ersten Symptome unerkannt geblieben sind. Die Früherkennungsstudie ermöglicht die rechtzeitige Sensibilisierung und Schulung der Eltern und kann dadurch dazu beitragen, diesen teils lebensbedrohlichen Zustand zu vermeiden“, sagt Prof. Dr. Matthias Tschöp, CEO des Helmholtz Zentrums München.
Im Rahmen der Fr1da-Studie wird weltweit die erste bevölkerungsweite Früherkennungsuntersuchung für Typ-1-Diabetes angeboten. Sie richtet sich an alle Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren in Bayern. Wird das Vorliegen mehrerer körpereigener diabetesspezifischer Antikörper identifiziert, wird dies als Typ-1-Diabetes im Frühstadium gewertet.
Fr1da-Insulin-Interventions-Studie
In der Fr1da-Insulin-Interventions-Studie versuchen die Forscher, das Immunsystem so zu beeinflussen, dass die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in einem frühen Stadium von Typ-1-Diabetes verlangsamt oder ganz gestoppt wird. Das körpereigene Insulin ist oft das erste Ziel der Immunreaktion. Im Rahmen der Studie erhalten die Kinder mit hohem Risiko täglich mit einer Mahlzeit eine Insulingabe. Man hofft, dass das Insulinpulver die Toleranz des Immunsystems gegenüber dem körpereigenen Insulin erhöht.
Ergebnisse
An der Fr1da-Studie zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes nahmen inzwischen 100.000 Kinder teil. Bei der Mehrheit konnten ein Typ-1-Diabetes bzw. die Vorstufe ausgeschlossen werden. In diesen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung später noch auftritt, sehr gering.
Durch die Teilnahme an der Fr1da-Studie konnten zahlreiche Kinder rechtzeitig diagnostiziert und vor dem Risiko einer lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung bewahrt werden. Kinder, bei denen ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde, erhielten einen individuellen Vorsorgeplan. Die betroffenen Familien wurden persönlich umfassend beraten. 158 Kinder wurden in die Fr1da-Insulin-Interventions-Studie aufgenommen.
Die Schirmherrin von Fr1da, Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte: "Die Fr1da-Studie ist ein Aushängeschild für die Gesundheitsforschung in Bayern. Ich freue mich sehr, dass bereits so viele Kinder von diesem einmaligen Angebot profitieren konnten. Bayernweit sind rund 4.500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter zwanzig Jahren von Typ-1-Diabetes betroffen, der bislang nicht heilbar ist."
Studienerweiterung Fr1da-plus für Neun- und Zehnjährige
Unter dem Namen Fr1da-plus wird das Projekt auf die Altersgruppe von Neun- und Zehnjährigen erweitert. Das Screening ist kostenlos und erfolgt mithilfe eines einfachen Bluttests.
Der Augsburger Kinder- und Jugendarzt Dr. Martin Lang, Landesvorsitzender des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Bayern und Vorstandsmitglied von PaedNetz Bayern e.V. bestätigt: „Die Nachfrage zeigt uns, dass die Familien ein starkes Interesse daran haben, ihre Kinder auf ein frühes Stadium des Typ-1-Diabetes untersuchen zu lassen. Darum unterstützen ich und etwa die Hälfte aller bayerischen Kinderärzte die Früherkennung dieser chronischen Erkrankung.“
Die Fr1da-Studie wird mit Fördermitteln von der JDRF, der LifeScience-Stiftung, dem Bayerischen Gesundheitsministerium, der Deutschen Diabetes Hilfe, der B. Braun Stiftung, den BKK Betriebskrankenkassen und der Deutschen Diabetes-Stiftung unterstützt.