Ambulantes Operieren: Änderungen sorgen für Kritik

Der neue Vertrag für ambulantes Operieren soll die Anzahl stationärer Eingriffe reduzieren. Fachverbände sorgen sich um die Patientensicherheit. Anpassungen in der Vergütung können zu defizitären Behandlungen führen. Es drohen Versorgungslücken.

OP Handgelenk

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellten am 22. Dezember 2022 den neuen Vertrag für ambulantes Operieren (AOP) vor. Der neue AOP-Vertrag trat am 1. Januar in Kraft.

Gastroenterologen sollen jetzt verschiedene endoskopische Leistungen, die bislang stationär erbracht wurden, ambulant durchführen. Eine regelhafte stationäre Nachbeobachtung gibt es nicht.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS), die Arbeitsgemeinschaft Leitender Gastroenterologischer Krankenhausärzte e.V. (ALGK) und der Berufsverband der Niedergelassenen Gastroenterologen e.V. (bng) begrüßen zwar grundsätzlich die Bemühungen um die Ambulantisierung. Allerdings betonen sie, dass das Wohl der Patienten und die Versorgungssicherheit an oberster Stelle stehen müssten. Dafür fordern sie Nachbesserungen.

Risiko für Patienten

Mit dem aktuellen AOP-Vertrag sehen die Fachverbände die Patientensicherheit gefährdet. „Diese endoskopischen Eingriffe sind mit einem relevanten Risiko für Komplikationen verbunden, die möglichst früh erkannt und behandelt werden müssen“, erklärte Professor Dr. med. Jörg Albert, Vorsitzender der DGVS Kommission für Medizinische Klassifikation und Gesundheitsökonomie. Bei den Eingriffen sei eine Nachbeobachtung unverzichtbar. Diese sei aber derzeit im ambulanten Setting nicht abgebildet.

Haftungsfragen ungeklärt

Die behandelnden Ärzte tragen die Verantwortung für die komplette Versorgung ihrer Patienten nach der Entlassung ins häusliche Umfeld. Für Komplikationen sind sie juristisch haftbar. „Dieses ungelöste ärztliche Haftungsproblem begünstigt die Entstehung einer Versorgungslücke“, sagte Albert. Schlimmstenfalls unterbleibe eine notwendige medizinische Behandlung, wenn die Nachsorge nach dem ambulanten Eingriff nicht gesichert sei.

Unter bestimmten Bedingungen können ambulante Leistungen weiterhin stationär durchgeführt werden. Dafür müssen Kontextfaktoren wie ein bestimmter Pflegegrad oder motorische bzw. kognitive Funktionseinschränkungen des Patienten vorliegen. Aktuell dürfen AOP-Leistungen aber erst ab Pflegegrad vier oder bei schwersten motorischen beziehungsweise kognitiven Funktionseinschränkungen stationär erbracht werden.

Dr. med. Ulrich Tappe, erster Vorsitzender des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands e.V. (bng), hält diese Regelung für nicht ausreichend. „Gerade hochbetagte Patientinnen und Patienten, Demenzerkranke oder Menschen mit weiteren körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen rein ambulant zu operieren, ist in vielen Fällen medizinisch nicht vertretbar und bedroht die Patientensicherheit. Hier bedarf es dringend einer Nachbesserung.“

Kostenfrage

Die Kalkulation sämtlicher ambulanter und belegärztlicher Leistungen wurde für den neuen AOP-Vertrag im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) überprüft. Eingriffe der oberen Kategorien werden nun besser vergütet, kleinere Operationen schlechter.

Wirtschaftlichkeitsanalysen und Gutachten haben gezeigt, dass einige endoskopische Leistungen aktuell nur defizitär erbracht werden können. Laut Professor Dr. med. Thomas Frieling, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Leitender Gastroenterologischer Krankenhausärzte e.V. (ALGK) werden Krankenhäuser ambulante Leistungen nicht mehr anbieten, wenn ihnen daraus ein finanzieller Nachteil entsteht.

„Wir fordern daher eine sachgerechte Vergütung der Leistungen des AOP-Kataloges“, sagte der Gastroenterologe. Es sei völlig unverständlich, dass die Vertragsgestalter bereits im Vorfeld von DGVS, ALGK und bng auf diese Problematik hingewiesen wurden, sie bei der Vertragsgestaltung aber nicht berücksichtigt hätten.

Autor:
Stand:
15.02.2023
Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Pressmeldung, Januar 2023 (Neuer AOP-Vertrag: Gastroenterologen warnen vor Versorgungslücken und sehen Patientensicherheit gefährdet).

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