
Das Management der Antikoagulation für Patienten, die sich einer Koloskopie mit Polypektomie unterziehen müssen, ist nach wie vor umstritten. Den aktuellen Empfehlungen zufolge sollte für ein möglichst niedriges Blutungsrisiko eine bestehende Antikoagulation vorübergehend unterbrochen und die periprozedurale Zeit bei hohem thromboembolischen Risiko mit der Gabe von Heparin überbrückt werden. Polypen mit einem Durchmesser bis zu 5 mm haben jedoch eine Sonderstellung. Diese können, sofern die INR im therapeutischen Bereich liegt, bei laufender Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten und endoskopischer Blutungsprophylaxe entfernt werden. Einer Studie zufolge könnte man die Ausnahmeregelung zukünftig auch auf Kolonpolypen mit einem Durchmesser bis zu 1 cm ausdehnen, so lange als Exzisionsverfahren die sogenannte kalte Schlinge angewendet wird. Demnach sind größere Blutungsereignisse bei einer kalten kolorektalen Schlingenexzision und beibehaltener Antikoagulation nicht viel wahrscheinlicher als bei einer heißen Schlinge mit Heparin-Überbrückung - eher würde das Blutungsrisiko sogar sinken (2019; DOI: 10.7326/M19-0026).
Studiendesign
Eine multizentrische, randomisiert kontrollierte Studie an 30 japanischen Zentren untersuchte das Blutungsrisiko bei der Abtragung von Polypen mit der Cold Snare Polypektomie (CSP) bzw. kalter kolorektaler Schlingenexzision in Verbindung mit Antikoagulantien (AK) im Vergleich zur Hot Snare Polypektomie (HSP) bzw. Schneidestrom und periprozeduralem Heparin-Briding (HB). Alle zu entfernenden Polypen waren nicht-gestielt und hatten einen Umfang von maximal 1 cm.
Die Teilnehmeranzahl betrug 182 Patienten. Die Mehrzahl erhielt Antikoagulantien aufgrund von Vorhofflimmern. 92 Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip der CSP-AK Kohorte zugeteilt, 90 der HSP-HB Gruppe. Der Beobachtungszeitraum belief sich auf 28 Tage nach der Polypektomie.
Endpunkt der Studie
Als primärer Endpunkt war die Häufigkeit von starken Blutungen im Zusammenhang mit der Polypektomie festgelegt – basierend auf der Anzahl schlecht kontrollierter intraprozeduraler Blutungen oder postpolypektomischer Blutungen, die eine endoskopische Hämostase erfordern. Die vorab festgelegte Unterlegenheit einer Kohorte betrug minus 5 Prozent (CSP+AK vs. HSP+HB).
Studienergebnisse
Die Inzidenz einer mit der Polypektomie assoziierten starken Blutung betrug in der CSP+AK Gruppe 12 Prozent (95%-KI, 5 – 19,1) und in der HSP-HB-Kohorte 4,7 Prozent (95%-KI 0,2 – 9,2). Die Differenz für den primären Endpunkt lag also zwischen beiden Armen bei plus 7,3 Prozent (95%-KI -1,0 – 15,7). Damit war die Nicht-Unterlegenheit von kalter Schlinge plus Antikoagulation eindeutig belegt. Zudem benötigte der Schneidestrom-Eingriff mehr Zeit und die Patienten mussten länger im Krankenhaus verweilen als die Probanden der Vergleichsgruppe.
Einschränkungen der Studie
Ein Nachteil der Studie ist die fehlende Verblindung. Außerdem unterliegen die Untersuchungsergebnisse gleichzeitig zwei Einflussfaktoren (Antikoagulationsmanagement und Polypektomieverfahren). Darüber hinaus fehlt eine Bewertung des Blutungsrisikos von Patienten mit niedrigem thromboembolischen Risiko, die ihre orale Antikoagulation unterbrechen und die Zeit nicht mit Heparin überbrücken.
Fazit
Im Ergebnis weisen Patienten mit nicht-gestielten kolorektalen Polypen unter 1 cm bei kalter kolorektaler Schlingenexzision und fortbestehender Antikoagulation nicht häufiger starke Blutungen im Zusammenhang mit der Polypektomie auf als Patienten mit Schneidestrom und periprozeduralem Heparin-Briding. Zudem verkürzten sich in der CSP-AK-Gruppe die Behandlungszeit und die stationäre Verweildauer. Deshalb empfehlen die Studienautoren die Kaltschlingenabtragung bei fortgesetzter Antikoagulation als Standardverfahren zur Entfernung von Subzentimeter-Polypen. Das gilt insbesondere für Patienten, bei denen das Absetzen einer laufenden Antikoagulation mit einem hohen thromboembolischen Risiko assoziiert ist.