
Hintergrund
Viele Studien haben Zusammenhänge zwischen dem Bildungsniveau und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko aufgezeigt. Zum Teil soll hierfür ein weniger gesundheitsorientierter Lebensstil bei niedrigem Bildungsgrad verantwortlich sein. Wichtige Risikofaktoren werden aber auch im geringeren Einkommen und einer hohen Stressbelastung bei geringqualifizierten Jobs gesehen. Entgegen der früher weit verbreiten Ansicht, dass Stress im Beruf in erster Linie bei hochqualifizierten Personen in verantwortungsvollen Positionen auftritt, vermutet man heute eine mindestens ebenso hohe, wenn nicht gar höhere Stressbelastung bei geringqualifizierten.
Höhere Stressbelastung bei niedrigem Bildungsniveau
Der Stress von Menschen, die in den „einfachen“ Jobs mit schlechter Bezahlung arbeiten, wird u. a. auf die häufig durchaus berechtigte Angst um den Arbeitsplatz, wenig Anerkennung und geringen Handlungsspielraum bei der Arbeit zurückgeführt. Ob und wie die Faktoren Bildung, Einkommen und beruflicher Stress hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos zusammenwirken, wurde nun erstmals in einer dänischen Studie anhand der Datensätze von rund 1,7 Millionen Erwerbstätigen untersucht.
Zielsetzung
Die Arbeitsgruppe untersuchte, in welchem Ausmaß Zusammenhänge zwischen Bildungsgrad und kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität den Faktoren Einkommen und Stress im Job zuzuschreiben sind.
Methoden
Die Daten, die in der Studie ausgewertet wurden, stammten aus der integrierten Arbeitsmarkt-Datenbank des dänischen Statistikamtes (Statistics Denmark). Die Autoren nutzten daraus die Datensätze der JEMPAD (Job Exposure Matrix Analyses of Psychosocial Factors and Healthy Ageing in Denmark) Kohorte. JEMPAD ist eine landesweite dänische Kohorte über die detaillierte Informationen zur Erwerbstätigkeit, psychosoziale Faktoren am Arbeitsplatz, Gesundheit und sozidemographische Informationen verfügbar sind.
Einschlusskriterien
Eingeschlossen wurden Arbeitnehmer im Alter von 30-59 Jahren, die im Jahr 2000 in Dänemark lebten. Ein weiteres Einschlusskriterium war das Vorhandensein der demographischen Daten zu Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und eine Registriernummer des dänischen Zentralregisters. Diese Daten wurden mit JEMPAD verknüpft. Aufgrund der Datenlage wurden die Teilnehmer in eine Gruppe ohne Diagnose einer kardiovaskulären oder kardiometabolischen Erkrankung und eine andere Gruppe mit entsprechender Diagnose geteilt.
Studienzeitraum
Alle Datensätze zu Bildung, Einkommen, und beruflichem Stress sowie die Daten zur kardiovaskulären Gesundheit wurden von 2000 bis 2009 individuell abgeglichen. Die Daten zum beruflichen Stress basierten auf einer spezifischen Job-Expositions-Matrix (JEM), die psychosoziale Arbeitsbedingungen miteinbezog. Die Daten zum Stress im Beruf waren nur bis einschließlich 2009 verfügbar. Der Beobachtungszeitraum hinsichtlich der anderen Faktoren wurde jedoch bis auf das 2014 ausgedehnt. Endpunkte der Studie waren die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei den ursprünglich Gesunden und die kardiovaskuläre Mortalität bei den Vorerkrankten.
Ergebnisse
Insgesamt flossen die Daten von 1.680.214 Individuen in die Analyse ein. Davon waren 1.638.270 Individuen im Jahr 2000 frei von kardiovaskulären oder kardiometabolischen Erkrankungen. 41.944 Personen waren kardiovaskulär vorerkrankt. In den beobachteten 10.957.399 (Männer) und 10.776.516 (Frauen) Personen-Jahren wurden 51.585 respektive 24.075 kardiovaskuläre Ereignisse registriert.
Kardiovaskuläres Risiko bei den Gesunden
Die ursprünglich gesunden Menschen mit niedrigem Bildungsgrad hatten ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen als Personen mit höherem Bildungsabschluss. Bei weniger gebildeten Männern war das Risiko 1,62-fach höher (95% Konfidenzintervall [CI] 1,58-1,66), bei den weniger gebildeten Frauen 1,66-fach (95% CI 1,42-1,50). Nach der Bereinigung der Ergebnisse um Einkommen und beruflichen Stress reduzierte sich das kardiovaskuläre Risiko bei Männern 25% und bei Frauen um 21%.
Mortalität bei den Vorerkrankten
Von den Vorerkrankten starben im Beobachtungszeitraum 1736 Männer (362.234 Personen-Jahre) und 341 Frauen (179.402 Personen-Jahre) an ihrer kardiovaskulären Erkrankung. Männer mit niedrigem Bildungsgrad hatten ein 1,52-fach (95% CI 1,31-1,77), Frauen mit niedrigem Bildungsgrad sogar ein 2,18-fach erhöhtes Sterberisiko (95% CI 1,57-3.03). Während das Sterberisiko bei den Männer vor allem vom Einkommen (51% vs. 31% [Stress]) beeinflusst wurde, war bei den Frauen der Einfluss der Stressbelastung (26% vs. 18% [Einkommen]) größer.
Fazit
Die Studienergebnisse bestätigen einen niedrigen Bildungsgrad als bedeutenden Risikofaktor für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Sie zeigt darüber hinaus auf, wie Stress im Job und einen geringes Einkommen den Risikofaktor geringe Bildung verstärken.