
Schon seit Jahren ist in Apotheken, Drogerien und Reformhäusern zu lesen, dass sich Fischölkapseln mit Omega-3-Fettsäuren positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken. Das liegt sogar nahe, denn auch internistische und kardiologische Fachgesellschaften propagieren eine mediterrane Ernährung mit einem hohen Anteil langkettiger, mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren (LCn3) zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Untersuchungen dazu gibt es viele, doch die Studienlage ist unübersichtlich. Ein ausgedehntes Cochrane Review [1] wertete dazu aktuell Daten von mehr als 112.000 Patienten aus und beurteilte den kardioprotektiven Effekt in der Gesamtbetrachtung. Der Metaanalyse zufolge ist die präventive Wirkung von Fischölkapseln als vernachlässigbar einzustufen. Fisch hingegen wird als natürlicher Omega-3-Fettsäuren-Lieferant weiter empfohlen.
Aufbau und Umfang der Studie
Die aktuelle Metaanalyse umfasste Daten aus 79 randomisiert-kontrollierten Studien. Die teilnehmenden 112.059 Personen wiesen ein unterschiedlich hohes kardiovaskuläres Risiko auf. Die Probanden stammen vorwiegend aus Ländern mit hohem Einkommen. Die Dauer der Studien betrug 12 bis 72 Monate. Bewertet wurde der Einfluss einer LCn3-Supplementierung im Vergleich zu Placebo oder üblicher Ernährung. Darüber hinaus wurde der Effekt von alpha-Linolensäure (ALA) unter die Lupe genommen. Als Endpunkte wurden die Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Arrhythmien und periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) definiert.
Fischölkapseln bieten keinen entscheidenden Vorteil
Nach umfassenden Metaanalysen und Sensitivitätsprüfungen kamen die Forscher zu folgendem Ergebnis: Eine Supplementierung der Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) in Fischölkapseln hat keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die Gesamtmortalität sowie auf kardiovaskuläre und koronare Todesfälle, kardiovaskuläre Ereignisse, Schlaganfälle oder Arrhythmien. Die Zahlen im Detail:
- Gesamtmortalität: 8189 Todesfälle bei 92.653 Teilnehmern aus 39 Studien mit hochwertiger Evidenz (RR 0,98, 95%-KI 0,90 bis 1,03)
- kardiovaskulär-bedingte Todesfälle: 4544 Todesfälle bei 67.772 Teilnehmern aus 25 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,95, 95%-KI 0,87 bis 1,03)
- kardiovaskuläre Ereignisse: 14.737 Personen von 90.378 Teilnehmern aus 38 Studien mit hochwertiger Evidenz (RR 0,99, 95%-KI 0,94 bis 1,04)
- Sterblichkeit bei koronarer Herzkrankheit: 1596 Todesfälle bei 73.491 Teilnehmern aus 21 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,93, 95%-KI 0,79 bis 1,09)
- Insult-Ereignisse: 1822 Schlaganfälle bei 89.358 Teilnehmern aus 28 Studien (RR 1,06, 95%-KI 0,96 bis 1,16)
- Arrhythmie: 3788 Vorfälle von Herzrhythmusstörungen bei 53.796 Teilnehmern aus 28 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,97, 95%-KI 0,90 bis 1,05).
Auswirkungen von alpha-Linolensäure
Den Untersuchungen zufolge wirkt sich auch eine ergänzende Zufuhr von alpha-Linolensäure (ALA) wenig oder gar nicht auf die kardiovaskuläre Gesundheit aus. Der Einfluss auf Schlaganfälle war nicht beurteilbar. Die Zahlen:
- Gesamtmortalität: 459 Todesfälle bei 19.327 Teilnehmern aus 5 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 1,01, 95%-KI 0,84 bis 1,20)
- kardiovaskuläre Mortalität: 219 kardiovaskuläre Todesfälle bei 18.619 Teilnehmern aus 4 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,96, 95%-KI 0,74 bis 1,25)
- Koronare Herzkrankheit: 397 KHK-Ereignisse bei 19.061 Teilnehmern aus 4 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 1,00, 95%-KI 0,80 bis 1,22).
Ein geringer Einfluss konnte dann aber doch noch beobachtet werden. Den Untersuchungen zufolge wirkt sich alpha-Linolensäure günstig auf die koronare Mortalität (Rückgang von 1,1 auf 1,0%) aus und senkt das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (4,8 auf 4,7%) und Arrhythmien (3,3 auf 2,6%). Auch hier die Gesamt-Ergebnisse im Detail:
- Mortalität bei koronarer Herzkrankheit: 193 KHK-Todesfälle bei 18.353 Teilnehmern aus 3 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,95, 95%-KI 0,72 bis 1,26)
- kardiovaskuläre Vorfälle: 884 CVD-Ereignisse bei 19.327 Teilnehmern aus 5 randomisiert-kontrollierten Studien (RR 0,95, 95%-KI 0,83 bis 1,07),
- Arrhythmien: 141 Herzrhythmusstörungen bei 4.837 Teilnehmern einer randomisiert-kontrollierten Studie (RR 0,79, 95%-KI 0,57 bis 1,1).
Studie auf ESC-Kongress zeigt ähnliche Ergebnisse
Ähnliche Daten wie im hier vorgestellten Cochrane Review wurden auch auf dem diesjährigen ESC-Kongress in München präsentiert. "Es gibt keine einzige Rechtfertigung für die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren", brachte Dr. Louise Bowman die Ergebnisse der dort vorgestellten ASCEND-Studie [2] auf den Punkt. Und weiter: „Wir haben versucht, irgendeine Wirkung zu finden – ohne Erfolg.“ Die Epidemiologin aus Oxford betont aber, dass Fischölkapseln nicht mit dem Verzehr von Fisch gleichzusetzen ist. Dieser enthalte weit mehr als reine Fischölkapseln.
Fisch weiterhin empfohlen
Auch wenn eine zusätzliche Omega-3-Zufuhr durch Fischöl-Kapseln ohne Mehrwert ist: Fisch gehört weiterhin zu den empfohlenen Lebensmitteln. Insbesondere kann der regelmäßige Verzehr von Seefischen überzeugen. Diese enthalten neben langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren einen hohen Anteil an Jod, Eiweiß und Spurenelementen. Ebenso sind Meeresfische wie Hering, Lachs, Makrele und Thunfisch, Algen, Nüsse, Blattsalate sowie pflanzliche Öle aus Lein, Raps oder Walnuss als natürliche Omega-3-Fettsäure-Lieferanten zu empfehlen.