Gendiagnostik bei Kardiomyopathien und Arrhythmien

Im Vergleich zu spezifischen Genpanels beim Verdacht auf eine genetisch bedingte Kardiomyopathie oder Arrhythmie, erbrachte die Kombination der Panels in knapp 11 Prozent der Fälle positive Ergebnisse für eine der Erkrankungen, die sonst nicht detektiert worden wären.

DNA probe

Hintergrund

Kardiomyopathien und Arrhythmien können einen genetischen Hintergrund haben. Die Kenntnis der genetischen Hintergründe einer Erkrankung erlaubt eine genauere diagnostische Zuordnung, die Auswirkungen auf die Prognose, den Krankheitsverlauf, besondere Risiken und damit auch auf die Therapieentscheidungen und das klinische Management des Patienten haben kann. In Einzelfällen sind sogar bereits zielgerichtete Therapien verfügbar, wie z. B. im Falle der Mutation des Transthyretin (TTR)-Gens, das für die kardiale Amyloidose kodiert. Darüber hinaus ermöglicht die Gendiagnostik gezielte Früherkennungsuntersuchungen bei Familienangehörigen. Aus diesen Gründen wird eine genetische Abklärung in Verdachtsfällen empfohlen.

Komplexität der kardialen Pathogenetik

Allerdings ist gerade die kardiale Pathogenetik äußerst komplex. Allein bei einer der häufigsten erblichen Herzerkrankungen, der familiären hypertrophen Kardiomyopathie (HCM), sind ≥1.500 Gendefekte auf ≥27 Genorten bekannt. Die meisten dieser Mutationen betreffen Gene, die für die Proteine des kardialen Sarkomers kodieren. Einige sind mit einem schlechteren Krankheitsverlauf verbunden und erfordern die Anpassung des klinischen Managements. Dabei hat jedoch nicht jede Mutation spezifische Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf im Einzelfall, so dass häufig Unsicherheit darüber herrscht, wie ein gendiagnostisches Panel zusammengestellt werden muss, um effizient zu sein.

Erhöhen kombinierte Panels die „Ausbeute“?

Forscher um Lisa M. Dellefave-Castillo vom Center for Genetic Medicine an der Feinberg School of Medicine, der Northwestern University in Chicago vermuteten, dass bei der Nutzung gendiagnostischer Panels, die zu spezifisch sind, wesentliche Genmutationen übersehen werden können. Um diesen Verdacht zu prüfen, untersuchten sie, ob eine Kombination der Gendiagnostik auf Kardiomyopathien und Arrhythmien beim Verdacht auf eine dieser Erkrankungen entscheidende Informationen für das klinische Management der Patienten beitragen kann, die bei spezifischen Tests nicht gewonnen worden wären [1].

Zeitlich begrenztes Programm

Die Kohortenstudie umfasste den retrospektiven Review von Ergebnissen der DNA-Sequenzierung auf Gene, die mit Kardiomyopathie oder Arrhythmie assoziiert sind. Die Studie schloss 4.782 Patienten mit Verdacht auf eine genetisch bedingte Kardiomyopathie oder Arrhythmie ein, die zur genetischen Diagnostik von 1.203 Ärzten überwiesen worden waren. Alle Patienten nahmen an einem kostenlosen gesponsorten Programm zur genetischen Diagnostik bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Kardiomyopathie oder Arrhythmie in einem Gendiagnostikzentrum vom 12. Juli 2019 bis 9. Juli 2020 teil. Die positiven Ergebnisse beim kombinierten Testen wurden mit den Befunden von kleineren Subtypen-spezifischen Gen-Diagnostik-Panels und mit den von den Ärzten gestellten Diagnosen verglichen.

Bei Zwei Dritteln klinische Relevanz der Tests

Insgesamt nahmen 4.782 Patienten (53,3% Männer) im Durchschnittsalter von 40,5 Jahren (Standardabweichung 21,3 Jahre) an dem Testprogramm teil. Einen positiven Gentest in Verbindung mit der Herzerkrankung hatten 954 (19,9%) Teilnehmer. Von diesen hatten 630 (66%) der Patienten Befunde mit möglichen Auswirkungen auf das klinische Management, wie Gene mit einem Risiko für ein schlechtes klinisches Outcomes (z. B. MYH7) oder eine rapide Verschlechterung (LAMP2), einem erhöhtem Arrhythmie-Risiko (z. B. SCN5A) oder solche mit  Potenzial für zielgerichtete Therapien (GAA, GLA und TTR). Die kombinierte Kardiomyopathie- und Arrhythmie-Gen-Panel-Diagnostik identifizierte bei 1 von 5 Patienten eine klinisch relevante Variante.

Zusätzliche Ergebnisse durch Kombinationsdiagnostik

Hätte man ausschließlich Patienten mit hohem Verdacht auf eine Kardiomyopathie oder Arrhythmie getestet, wären 137 positive Ergebnisse (14,4%) nicht erkannt worden. Hätte man sich auf Panels der ärztlich genannten Indikationen beschränkt, wären 75 von  689  Fällen (10,9%) übersehen worden.. Bei rund einem Drittel (27 von 75) dieser Patienten unterschieden sich ärztlicher Verdacht und genetischer Befund fundamental (ärztlicher Verdacht auf Kardiomyopathie, aber genetischer Arrhythmie-Befund, oder umgekehrt). Die familiäre Kaskadentestung erbrachte 402 positive Ergebnisse bei Familienangehörigen von 958 Patienten (42,0%).

Fazit

Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass mithilfe der kombinierten Gentestung auf Kardiomyopathien und Arrhythmien Diagnosen gestellt worden konnten, die bei spezifischer Testung nicht entdeckt worden wären. Die präzisen Diagnosen lieferten teilweise wichtige Informationen zum weiteren klinischen Management des Patienten und auch für die familiäre Früherkennung. Daher sind die Autoren der Ansicht, dass die Vorteile einer Kombinationstestung mögliche Nachteile, wie den Befund von Mutationen mit unsicheren Auswirkungen, überwiegen.

Autor:
Stand:
29.08.2022
Quelle:
  1. Dellefave-Castillo, Cirino, Callis et al. (2022): Assessment of the Diagnostic Yield of Combined Cardiomyopathy and Arrhythmia Genetic Testing. JAMA Cardiol. DOI:10.1001/jamacardio.2022.2455

 

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