
Hintergrund
Mit einer Lebenszeitprävalenz von 9,3 % bei 40-79-Jährigen gehört die koronare Herzerkrankung (KHK) zu den wichtigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Die KHK ist mit einem hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden. In Deutschland ist die Versorgungsqualität der Patienten mit KHK uneinheitlich. Um diese anzugleichen, zu optimieren und auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der Praxis zu bringen, haben die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit 18 Fachgesellschaften die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) „Chronische KHK“ überarbeitet und als Version 6.0 veröffentlicht. Für eine effektive Beratung der Patienten wurden darüber hinaus Patientenblätter und Entscheidungshilfen formuliert [1,2,3].
Revaskularisation im Fokus
Ein besonderer Fokus bei der Erarbeitung der aktuellen Auflage der NVL lag auf der intensiven Überarbeitung des Kapitels Revaskularisation. Dabei wurden folgende Kernaussagen erarbeitetet:
- Eine Revaskularisation hat für einige Betroffene aus prognostischer Indikation keine Vorteile.
- Bei ausgeprägter KHK oder wenn bestimmte Begleiterkrankungen wie Herzschwäche oder Diabetes vorliegen, weisen Studien auf einen Vorteil der Bypass-OP gegenüber dem Stent hin. [4]
- Stents kommen in Frage, wenn eine Operation nicht möglich ist.
- Ein Überlebensvorteil für Stents ist in hochwertigen Studien nicht belegt.
- Zur Planung einer Bypass-OP oder der Implantation eines Stents ist eine Herzkatheter-Untersuchung wichtig.
- Patienten sollen vor der Entscheidung zur Herzkatheter-Untersuchung umfassend über Nutzen und Nachteile einer Bypass-OP oder eines Stents aufgeklärt und beraten werden [5].
- Als Entscheidungshilfe bei geplanter invasiver Therapie empfiehlt die Leitliniengruppe die Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR).
- Die Entscheidung für eine Therapie sollen Patienten und Ärzte nach einer ausführlichen Abwägung der Vor- und Nachteile individuell treffen.
Ziele der Leitlinie
Die Autoren und Herausgeber der NVL Chronische KHK hoffen mit ihrer Arbeit zur Erreichung der folgenden Ziele beizutragen:
- Eine Minimierung von Diskrepanzen zwischen den Versorgungsebenen durch Förderung der Kommunikation
- Die Stärkung der patientenzentrierten Versorgung
- Die Vermeidung sowohl von Unterdiagnostik als auch von Risiken diagnostischer Verfahren
- Eine bessere Implementierung der konservativen Therapien als Basis der Langzeitversorgung
- Die Förderung der individuell angepassten körperlichen Aktivität
Fazit
Die aktuell veröffentliche NVL befasst sich mit der Diagnostik, Therapie und Versorgungskoordination bei bereits bestehender chronischer KHK. Die Primärprävention der KHK wird nicht thematisiert. Hierfür wird auf andere Leitlinien, z. B. S3-Leitlinie Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention [6], verwiesen. Die NVL Chronische KHK, Version 6.0, am 15. September 2022 durch die Träger des NVL-Programms verabschiedet, ist bis zur nächsten Überarbeitung bzw. spätestens bis zum 15. September 2027 gültig. Die Leitlinie wird regelmäßig überprüft und bei Bedarf kapitelweise überarbeitet.