Nocebo-Effekt bei Statinen

Die meisten Nebenwirkungen, die bei Patienten unter einer Statin-Therapie auftreten, sind real aber nicht ursächlich durch das Statin selbst verursacht, sondern wahrscheinlich durch den sogenannten Nocebo-Effekt. Das heißt sie sind eher psychologischer Natur.

Nocebo

Hintergrund

Häufig wird eine Statin-Therapie von Patienten aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Myalgien werden dabei als häufigste Ursache für den Therapieabbruch genannt. Die hohe Abbruchrate zeigt sich jedoch nicht in verblindeten und randomisierten Studien bei denen Statine mit einem Placebo verglichen werden. Trotzdem sind Ärzte tagtäglich mit dem Problem des Therapieabbruchs konfrontiert. Eine Ursache hierfür könnte der sogenannte Nocebo-Effekt sein. Während man unter dem Placebo-Effekt eine positive Wirkung einer Scheinbehandlung versteht, definiert der Nocebo-Effekt die negativen Folgen und ist das Gegenstück. Er beschreibt das Auftreten von Nebenwirkungen einer Scheinbehandlung.

Zielsetzung

Das Ziel der Studie war es herauszufinden, warum es im Alltag so häufig zu vermeintlichen Nebenwirkungen unter einer Statin-Therapie kommt, nicht aber in randomisierten Studien.

Methodik

In die SAMSON (Self-Assessment Method for Statin Side-effects Or Nocebo) -Studie eingeschlossen wurden Patienten, die bereits eine Statin-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen haben, die in den ersten beiden Wochen nach Therapiebeginn aufgetreten sind. Dies war bei 60% der Fälle eine Myalgie.

Das Studiendesign war hierbei ein N-of-1-Design mit drei Behandlungsarmen. Zu Beginn erhielten die Patienten jeweils 12 Medikamentendosen für je einen Monat. Hiervon enthielten vier Statine (20 mg Atorvastatin täglich), vier Placebos und vier Dosen waren leer. Jeden Monat wurde in zufälliger Reihenfolge eine Dose geöffnet. Die Patienten waren mit Blick auf die Tabletten verblindet. Die Patienten dokumentierten täglich auftretende Beschwerden und bewerteten die Schwere mit einer Skala von null (= keine Symptome) bis 100 (am schlimmsten vorstellbar). Die Teilnehmer konnten die Tabletten für einen Monat absetzen, wenn die Symptome für sie unerträglich wurden.

Der primäre Endpunkt war definiert als die Schwere der auftretenden Symptome, die mit Hilfe der Nocebo-Ratio berechnet wurde. Bei dieser wird die Symptomschwere während der Statin-Therapie mit der während der Placebo-Einnahme ins Verhältnis gesetzt.

Ergebnisse

Zwischen Juni 2016 und März 2019 wurden 60 Patienten in die Studie eingeschlossen. Hiervon beendeten 49 Patienten die kompletten zwölf Monate.

Die Patienten berichteten, dass 90% aller Beschwerden während der Tabletten-Einnahme aufgetreten sind, ohne zu wissen ob sie zu diesem Zeitpunkt ein Statin oder Placebo einnahmen. 24 Patienten hatten 71-mal während der Einnahme solch starke Beschwerden, dass sie die Tabletteneinnahme im jeweiligen Monat abbrachen. Es zeigten sich keine Unterschiede in der Häufigkeit eines Abbruchs zwischen Statin und Placebo (p=0,39).

Im Mittel gaben die Patienten einen Schweregrad von 16,3 (95%-Konfidenzintervall (KI): 13,0-19,6) bei Einnahme eines Statins an und bei Placebo einen Schweregrad von 15,4 (95%-KI: 12,1-18,7). In den Monaten ohne Tabletteneinnahme sank der Wert signifikant (jeweils p<0,001) sowohl zu den Statinen als auch zu Placebo auf 8,0 (95%-KI: 4,7-11,3).

Die Forscher gingen daher davon aus, dass es sich bei den Beschwerden eher um einen psychologischen Effekt als um einen pharmakologischen Effekt des Statins handelt. Daraufhin erfolgte die Untersuchung auf den Nocebo-Effekt. Die Nocebo-Ratio betrug 0,90, das heißt, dass 90% der Statin-assoziierten Nebenwirkungen auch unter Placebo aufgetreten sind.

Fazit

Diese Studie zeigt, dass die meisten Nebenwirkungen einer Statin-Therapie nicht auf das Statin selbst zurückzuführen sind. Für den Patienten jedoch waren sie real. Die Aufklärung der Patienten nach Studienende über das Auftreten des Nocebo-Effektes motivierte mehr als die Hälfte der Patienten dazu ihre Statin-Therapie wieder aufzunehmen. Aufgrund der Einschlusskriterien können die Erkenntnisse jedoch nicht generalisiert werden.

Die aktuell publizierte StatinWISE-Studie, mit dem gleichen speziellen Studiendesign des N-of-1-Design, bestätigte, dass in den meisten Fällen nicht das Statin die Ursache der Nebenwirkungen ist, sondern der Nocebo-Effekt.

Autor:
Stand:
10.03.2021
Quelle:
  1. Wood F et al. (2020): N-of-1 Trial of a Statin, Placebo, or No Treatment to Assess Side Effects. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMc2031173
  2. Howard J.: Statin, Placebo And Tablet Free Periods, To Verify Side Effects And Identify Their Cause: The SAMSON Trial; vorgestellt bei der Late-Breaking Science-Session II der American Heart Association Scientific Sessions 2020
  3. Herrett E. et al. (2021): Statin treatment and muscle symptoms: series of randomized, placebo controlled n-of-1-trials. BMJ; DOI: https://doi.org/10.1136/bmj.n135
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