DGK Herztage 2022: Wearables in die kardiologische Praxis integrieren

Mobile Geräte, die kardiologische Daten im Alltag aufzeichnen und in die kardiologische Praxis übermitteln, können die klassischen Diagnosemethoden optimal ergänzen. Allerdings gibt es bei der Implementation der sogenannten mHealth in den Praxisalltag noch große Hürden.

Wearables

Wearables auf dem Vormarsch

Immer mehr Patienten kommen mit Wearables in die kardiologische Praxis. Diese Geräte können unter anderem beim Screening und dem Monitoring von Arrhythmien von Nutzen sein. Doch es besteht häufig Unsicherheit darüber, wie die mobilen Health-Technologien (mHealth) in der Praxis genutzt und in die Praxisabläufe integriert werden können. Professor Dr. Dominik Linz von der Universität Maastricht in den Niederlanden zeigte in seinem Vortrag „Wearables Möglichkeiten treffen auf Herausforderungen“ im Rahmen der DGK Herztage 2022 auf, worauf man bei der Implementierung von mHealth in Praxis achten sollte und für welche medizinischen Kontexte sie sinnvoll ist. Linz orientierte sich dabei an dem Practical Guide zur Nutzung von digitaler Technologie bei der Erkennung und dem Management von Arrhythmien der EHRA [1,2].

Stationen

Die fundierte EHRA-Anleitung für die Praxis wurde von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Emma Svennberg erarbeitet und als Positions-Papier im Journal Europace im April dieses Jahres veröffentlicht. Der Practical Guide schlägt einen strukturierten Plan zur Nutzung von mHealth vor, der folgende Stationen beinhaltet:

  • Überprüfen, ob der Patient bereit für das digitale Angebot ist
  • Die mHealth (mobile Health) Technologie auswählen
  • Schulung und Unterstützung des Patienten
  • Übereinkunft zu einem mHealth Monitoring Plan
  • Der Patient beginnt die mHealth Technologie zu nutzen

Ist der Patient bereit für das digitale Angebot?

Ohne den Patienten läuft bei mHealth nichts. Er muss sowohl mit den Geräten als auch mit den dazugehörenden Apps umgehen können. Das Alter des Patienten ist dabei, nach der Erfahrung von Linz, kein Problem: „Ältere Patienten zeigten die beste Adhärenz und die höchste Motivation.“  Einige Grundvoraussetzungen sollte ein Patient jedoch erfüllen, bevor man ihm die Nutzung von Wearables vorschlägt: Er sollte ein funktionierendes Smartphone mit ausreichend mobilen Daten besitzen und damit umgehen können. Die Patienten müssen darüber hinaus mit dem Herunterladen von Apps vertraut sein.

Die mHealth Technologie auswählen

Man unterscheidet zwei verschiedene Arten von Wearables zur Detektion von Arrhythmien: Geräte, auf die EKG-Technologie beruhen und Geräte mit Photoplethysmographie (PPG) Technologie. PPG nutzt Licht-Signale statt elektrischer Signale. Geräte auf PPG-Basis sind beispielsweise: Fitbit und Smartphone Apps, wie FibriCheck, Preventicus, PulseSmart oder Cardiorhytm. Geräte wie Alive Cor®Kardia, Apple Watch oder My Diagnostick nutzen die EKG-Technologie. Die Auswahl der mHealth Technologie hängt von der klinischen Frage ab, die sie beantworten soll. Darüber sollte das Gerät vom Patienten einfach zu bedienen sein.

PPG-Technologie und Vorhofflimmern

Die meisten PPG-Geräte sind gut evaluiert und technisch überprüft (CE-Zertifikat). In Studien konnten sie Vorhofflimmern bis zu 90 % zuverlässig detektieren. Dennoch sind sie noch nicht für die Diagnose Vorhofflimmern empfohlen. Die ESC-Leitlinien empfehlen ausdrücklich eine EKG-Dokumentation zur Diagnose von Vorhofflimmern. Wenn die Diagnose Vorhofflimmern gestellt ist, kann die PPG-Technologie eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe kann beispielsweise beantwortet werden, wie häufig ein Patient unter paroxysmalem Vorhofflimmern leidet sowie ob und mit welchen Symptomen die Rhythmusstörung verbunden ist.

Schulung und Unterstützung des Patienten

Bei den Wearables übernimmt der Patient eine aktive Rolle bei dem Monitoring seines Gesundheitszustands. Die Qualität der Daten hängt daher von seinem Einsatz ab. Deshalb muss der Patient verstehen, welche Ziele verfolgt werden und was er tun muss, um diese zu erreichen. Linz empfiehlt daher eine intensive Schulung des Patienten. An seiner Klinik können sich die Patienten über die Website der Klinik über den Umgang mit dem Wearable informieren. Darüber hinaus werden Kurse für Patienten übers Internet angeboten. Der Practical Guide der EHRA empfiehlt Handouts in Papierform. Darüber hinaus ist es auch sehr sinnvoll, das persönliche Umfeld des Patienten, also Familie, Freunde und Nachbarn im Umgang mit der mHelath Technologie zu schulen. Für die Schulung des Praxis-Teams mit der PPG-Technologie empfiehlt Linz den sogenannten PPG-Dictionary.  

Übereinkunft zu einem mHealth Monitoring Plan

Zur Nutzung des Wearables im Rahmen eines strukturierten Gesundheitsmonitoring sollte mit dem Patienten ein mHealth Monitoring Plan vereinbart werden. Der Plan sollte Dauer und Frequenz der Gerätenutzung umfassen und die Termine zur Anfertigung von Aufzeichnungen vorgeben. Die Art der Übertragung und den Datenzugriff sowie die Frequenz und die Art der Kommunikation (E-Mail, Telefon) zwischen Arzt und Patient sind im Plan festzulegen. Schließlich sollte der Plan den Patienten mit genauen Instruktionen für das Verhalten bei technischen Problemen oder im Notfall unterstützen.

Der Patient beginnt die mHealth Technologie zu nutzen

Eine große Herausforderung bei der Nutzung von mHealth Technologie ist ihre Integration in die praktische Patienten-Versorgung. In einer Studie (Telecheck-AF Approach) wurden Wearables wird im Rahmen der Telekonsultation genutzt. Eine Woche vor dem Termin erhielt der Patient ein Email mit einem QR-Code mit dem eine App heruntergeladen werden konnte. Diese App ermöglichte die Synchronisation der Rhythmusdaten vom Wearable mit den Praxiscomputern im Zeitraum vor der eigentlichen Konsultation. Auf diese Weise kamen in einem Zeitraum von 6 Wochen 104.899 Herzrhythmusaufzeichnungen von 6.244 Patienten bei 229 Versorger in 41 Zentren an.

Herausforderungen in der Praxis

In der Praxis stellt allein das Management dieser Datenmengen und die sinnvolle Implementierung der gewonnen Daten in die Diagnostik und Behandlung des Patienten ein großes Problem dar, zumal die Abrechnung dieser Leistung bis heute nicht geklärt ist. Es hat sich auch gezeigt, dass die Implementation der Wearable-Daten in die elektronische Patientenakte schwierig sein und die Konnektivität der Geräte mit der Praxis ein Problem darstellen kann. Geeignetes Personal und die Datensicherheit stellen ebenfalls Herausforderungen dar. Das kleinste Problem ist die Adhärenz des Patienten, sie ist in der Regel gut, wenn auch nicht immer stabil. Linz spricht hier von einer „mHealth-Fatigue“, sie werden des Selbstmonitorings müde, ähnlich wie das Interesse an einem Computerspiel mit der Zeit häufig nachlässt.

Vor- und Nachteile von Wearables

Zum Schluss fasste Linz die Vor- und Nachteile von Wearables beim Monitoring von Rhythmusstörungen zusammen:

  • Zur Detektion von seltenen kurzen Rhythmusstörungen als Ursache von z. B. Synkopen sind implantierbare Geräte besser geeignet
  • Wearables sind anfällig für Artefakte z. B. durch Sport oder Krankheiten (z. B. Tremor)
  • Da die Wearables aufgeladen werden müssen, können sie nicht kontinuierlich getragen werden
  • Wearables sind besonders gut, um Symptome mit dem Rhythmus zu korrelieren, denn Rhythmus und Symptome können parallel dokumentiert werden
Quelle:
  1. Linz (2022): Wearables Möglichkeiten treffen auf Herausforderungen. Session E-Health. DGK-Herztage vom 29.09.-01.10.2022 Bonn und Digital
  2. Svennberg, Tjong, Goette et al. (2022): How to use digital devices to detect and manage arrhythmias an EHRA practical guide. Europace 24: 979-1005. DOI: 10.1093/europace/euac038
  3. Van der Velden, Verhaert, Hermans (2021):  The photoplethysmography dictionary: practical guidance on signal interpretation and clinical scenarios from TeleCheck-AF, European Heart Journal - Digital Health 2: 363–373, DOI: 10.1093/ehjdh/ztab050
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