
Die neue Anfallsklassifikation der ILAE (International League Against Epilepsy) wurde in einem Symposium auf der Neurowoche 2018 von Experten des Fachgebietes diskutiert [1].
Überarbeitung der Klassifikation überfällig
Abgesehen von einigen Modifikationen war die Anfallsklassifikation der ILAE auf dem Stand von 1989. Im Jahr 2010 gab es ein Update, welches aber insgesamt als nicht gut befunden wurde.
Seit 2017 existiert eine neue Klassifikation, die nun auch in deutscher Sprache zur Verfügung steht [2]. Darin enthalten sind Erläuterungen zur Klassifikation, ein vereinfachtes und ein erweitertes Klassifikationsschema, ein Glossar sowie eine tabellarische Übersicht, in der alte und neue Terminologie gegenüber gestellt werden. Der Begriff „Aura“ fällt beispielsweise weg und wird nun als „bewusst erlebt fokal“ bezeichnet.
Semiologische Hauptsymptome zur Kategorisierung
In der neuen Klassifikation werden die semiologischen Hauptsymptome zur Kategorisierung der Anfälle verwendet. Die Anfälle werden zunächst hinsichtlich ihres Ursprunges in fokale Anfälle, generalisierte Anfälle und Anfälle mit unbekanntem Ursprung eingeteilt.
Zu den drei Kategorien stellt die ILAE jeweils eine einfache und eine erweiterte Klassifikation bereit.
Fokale Anfälle
Anfälle mit fokalem Beginn nehmen ihren Ursprung in Netzwerken, die auf eine Hemisphäre begrenzt sind. Zur detaillierteren Charakterisierung fokaler Anfälle werden in der einfachen ILAE-Klassifikation folgende Termini genannt:
- Bewusst erlebt oder nicht bewusst erlebt
- Motorischer Beginn
- Nichtmotorischer Beginn
- Fokal (mit Übergang) zu bilateral tonisch-klonisch.
Generalisierte Anfälle
Ein generalisierter Anfall entsteht in irgendeinem Punkt eines bilateralen Netzwerkes. Darin kommt es zu einer raschen Ausbreitung. Die weitere, einfache Unterteilung in der neuen ILAE-Klassifikation wird wie folgt vorgenommen:
- Motorisch
- Tonisch-klonisch
- Sonstig motorisch
- Nichtmotorisch (Absence).
Anfälle unbekannten Ursprungs
Im Gegensatz zu fokalen und generalisierten Anfällen, ist der Ursprung in dieser Kategorie nicht bekannt. Durch weitere Anfälle kann im Verlauf eine Einordnung in die Kategorien „fokal“ oder „generalisiert“ vorgenommen werden. Deshalb sind Anfälle unbekannten Ursprungs kein Anfallscharakteristikum, sondern Ausdruck einer noch nicht möglichen Zuordnung.
Anfälle unbekannten Ursprungs werden in der vereinfachten Form der ILAE-Klassifikation folgendermaßen eingeteilt:
- Motorisch
- Tonisch-klonisch
- Sonstig motorisch
- Nichtmotorisch
- Unklassifiziert.
Vorteile der neuen Klassifikation
Die neue Klassifikation bietet verschiedene Vorteile. So lasse sich z. B. ein Teil der Anfälle mit unklarer Bewusstseinslage mit der neuen Klassifikation besser einordnen, so Professor Dr. Andreas Schulze-Bonhage vom Epilepsiezentrum am Universitätsklinikum Freiburg. Weiterhin seien epileptische Spasmen nun auch im Jugendalter klassifizierbar.
Nachteile der neuen Klassifikation
Auch die Nachteile der neuen Klassifikation wurden auf dem Symposium diskutiert. Beispielsweise bezieht die neue Klassifikation bei der Definition von „bewusst erlebt“ die Reagibilität nicht mehr mit ein. Dies sei eine erhebliche Änderung und nicht unproblematisch, so Schulze-Bonhage.
Außerdem sei der Bewusstseinsverlust nur für den gesamten Anfall, nicht aber für Teile des Anfalls klassifizierbar, ergänzte Professor Dr. Hajo Hamer vom Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen.
Fazit
Die Klassifikation der ILAE bleibt weiterhin elektroklinisch. Informationen, die außerhalb der Semiologie liegen, fließen demnach weiter mit ein. Die Klassifikation von primär generalisierten Anfällen bleibt weitgehend unverändert.
Gründe für die Überarbeitung seien die Klarheit der Nomenklatur und die Einordung der Anfälle, auch bei unbekanntem Beginn, gewesen, so Dr. Thomas Mayer vom Sächsischen Epilepsiezentrum Radeberg abschließend.