Intestinale Fructoseintoleranz (IFI) ist die häufigste Variante der Fruchtzuckerunverträglichkeiten. Infolge einer Fructosemalabsorption (FM) gelangt unverdauter Fruchtzucker in den Dickdarm und verursacht Blähungen, Bauchschmerzen und Diarrhoe.
Die intestinale Fructoseintoleranz (ICD-10 E74.3) ist die häufigste Form der Fruchtzuckerstoffwechselstörungen. Aufgrund einer verminderten Transportkapazität des enteralen Fructose-Transportproteins GLUT5 wird der mit der Nahrung zugeführte Fruchtzucker nur unvollständig von der Dünndarmschleimhaut ins Blut- und Lymphsystem überführt, sodass ein großer Teil in das Kolon gelangt. Dieses Aufnahmeproblem wird als Fructosemalabsorption (FM) bezeichnet. Hinweisgebende Symptome einer intestinalen Fructoseintoleranz sind Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen und Diarrhoe. Diagnostisch kann der H2-Atemtest (Fructosebelastungstest) angewandt werden. Patienten mit intestinaler Fructoseintoleranz sollten eine fructosemodifizierte Ernährungsumstellung nach einem 3-Stufen-Plan erhalten [1].
Cave: Die intestinale Fructoseintoleranz (IFI) darf nicht mit der angeborenen, deutlich seltener vorkommenden, aber gefährlicheren hereditären Fructoseintoleranz (HFI) verwechselt werden.
Terminologie
Häufig werden die Begriffe intestinale Fructoseintoleranz und Fructosemalabsorption synonym verwendet. Die neuere medizinische Nomenklatur differenziert jedoch zwischen:
Fructosemalabsorption (FM): gestörte Aufnahme (Malabsorption) von Fructose in der Dünndarmmukosa
Intestinale Fructoseintoleranz (IFI): Fructosemalabsorption, die zu Symptomen führt
Epidemiologie
Die intestinale Fructoseintoleranz ist eine relativ weit verbreitete Kohlenhydratstoffwechselstörung. In Europa und Nordamerika sind etwa ein Drittel der Erwachsenen und zwei von drei Kleinkindern von einer Fructosemalabsorption betroffen. Allerdings muss die FM nicht immer zu Beschwerden und damit zu einer IFI führen. Mitunter sind die Symptome nur schwach ausgeprägt oder gar nicht vorhanden. Das Risiko, Beschwerden zu entwickeln, scheint bei Patienten mit funktionellen Darmstörungen höher zu sein als bei Menschen ohne gastrointestinale Probleme [2][3].
Fructose
Fructose ist ein Monosaccharid, das in freier Form vorwiegend in Obst, Obstsäften und Honig vorkommt. Darüber hinaus wird Fruchtzucker in zahlreichen industriell gefertigten Nahrungsmitteln und in diätetischen Lebensmitteln für Diabetiker zugefügt. In gebundener Form bildet Fructose zusammen mit Glukose das Disaccharid Saccharose (Haushaltszucker).
Fructosestoffwechsel
Nach Aufnahme mit der Nahrung werden Kohlenhydrate in Oligo- und Monosaccharide gespalten. Bestimmte Transportproteine geleiten diese dann durch die Enterozyten der Dünndarmmukosa. Das für Monosaccharide zuständige Transportsystem umfasst Proteine, die nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung als GLUT1 bis GLUT12 bezeichnet werden. Für den Transport von Fructose aus dem Dünndarmlumen in die Enterozyten sind insbesondere die Transportproteine GLUT5 und GLUT2 zuständig.
GLUT5 ist an der apikalen Membran im Bürstensaum der Dünndarmzellen lokalisiert, liegt also dem Darmlumen zugewandt. Das Protein transportiert Fructose passiv entlang eines Konzentrations- bzw. Diffusionsgradienten. Man geht davon aus, dass GLUT5 der entscheidende Faktor für die Resorptionskapazität von mit der Nahrung zugeführtem Fruchtzucker ist.
GLUT2 transportiert Fructose vorwiegend über die basolaterale Membran in die Lamina propria. Von dort gelangen Fructose und andere Hexosen aus den Enterozyten in den Blut- und Lymphkreislauf. Zudem finden sich GLUT2-Transportproteine bei einer hohen Aktivität von SGLT1 (aktives Transportsystem, speziell für Glukose und Galaktose) an der apikalen Enterozytenmembran [4].
Der Bürstensaumtransporter GLUT5 kann physiologisch nur eine begrenzte Menge an Fructose transportieren. Sehr wahrscheinlich ist die enterale Aufnahmekapazität bei etwa 35 bis 50 g Fruchtzucker erreicht. Beim Verzehr größerer Mengen kommt es zu einer physiologischen Fructosemalabsorption – mit oder ohne klinische Symptomatik [2][5].
Ursachen
Ursache der FM ist eine verminderte Transportkapazität des enteralen Fructose-Transportproteins GLUT5. Infolge der ineffizienten Resorption gelangt unverdauter Fruchtzucker in den Dickdarm und führt zu Beschwerden – die Fructose wird also schlecht vertragen bzw. ist unverträglich.
Eine verminderte GLUT5-Transportkapazität kann angeboren (selten) oder erworben sein und primär oder sekundär (zum Beispiel bei enteraler Mukosaschädigung durch Zöliakie, Morbus Crohn oder Arzneimitteln) vorkommen. Erworbene Defekte können passager oder dauerhaft auftreten. Beispielsweise wird die Transportkapazität von GLUT5 durch die Aufnahme von Sorbit mit der Nahrung gehemmt, durch die gleichzeitige Aufnahme von Glukose dagegen stimuliert [5].
Pathogenese
Ein Defekt des GLUT5-Transportsystems limitiert die natürliche Resorptionskapazität für Fruchtzucker. Als Fructosemalabsorption ist die unphysiologisch begrenzte Aufnahmekapazität von < 25 g Fructose definiert. Nicht resorbierte Fructose gelangt in tiefer gelegene Darmabschnitte. Im Kolon wird der Fruchtzucker von anaeroben oder mikroaerophilen Bakterien aufgenommen und zersetzt. Hierbei entstehen volatile kurzkettige Fettsäuren und Gärungsprodukte (unter anderem H2, CO2 und Methan) sowie Alkohole, Aldehyde und Ketone. Die Stoffwechselprodukte werden teilweise resorbiert und abgeatmet. Wasserstoff (H2) ist beispielsweise bereits wenige Minuten nach Einsetzen des Fermentationsprozesses in der Atemluft nachweisbar [5][6].
Symptome
Leitsymptome einer IFI sind Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen. Die Beschwerden sind heterogen und richten sich nach der:
Bei regelmäßiger Fructosezufuhr kommt es zu Sekundärsymptomen wie:
funktionelle Magen-Darm-Beschwerden (Reizdarm- und Reizmagensyndrom)
Reflux
Übelkeit
Müdigkeit
Nervosität
Muskelschmerzen
Kopfschmerzen [7]
Hinweis: Im Gegensatz zur hereditären Fructoseintoleranz (HFI) entwickeln IFI-Patienten keine Abneigung gegen Süßes. Vielmehr wird ein „Süßhunger“ beobachtet. [4]
Erhöhte Depressionsneigung
Wie beim Reizdarmsyndrom zeigen auch Patienten mit Fructosemalabsorption bzw. intestinaler Fructoseintoleranz häufig psychische Veränderungen, speziell Depressionen. Ursächlich ist die chronische Tryptophandepletion. Der nichtresorbierte Fructoseanteil bindet die mit der Nahrung zugeführte Aminosäure Tryptophan und blockiert so dessen Resorption. Daraus resultiert eine unzureichende Tryptophanversorgung, die wiederum mit einer reduzierten Serotoninsynthese und depressiver Symptomatik einhergeht [4].
Mangel an Vitaminen und Spurenelementen
Patienten mit Fructosemalabsorption zeigen häufig – speziell ab dem 35. Lebensjahr – signifikant niedrigere Folsäurekonzentration im Serum als Menschen ohne FM. Als Ursache wird eine veränderte Darmflora durch den Überhang nicht resorbierter Fructose diskutiert. Ebenso ist eine Fructosemalabsorption oft mit einem Zinkmangel assoziiert [4].
Diagnostik
Der Anfangsverdacht auf eine intestinale Fructoseintoleranz ergibt sich meist schon nach der Anamnese (Ernährungsanamnese) und Klinik. Die Sicherung der Diagnose erfolgt üblicherweise durch einen Fructosebelastungstest (H2-Atemtest) [4].
Cave: Vor Durchführung des Fructose-Toleranztests muss zwingend eine hereditäre Fructoseintoleranz (HFI) mittels Gentest ausgeschlossen werden, da eine Fructosebelastung bei HFI zu lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen kann.
H2-Atemtest
Der während der Fructose-Vergärung gebildete Wasserstoff gelangt über das Kreislaufsystem in die Lunge und wird abgeatmet. Bei der Atemanalyse im Rahmen des Fructosebelastungstests wird der H2-Gehalt bestimmt. Dafür werden nach mindestens zwölfstündiger Nahrungskarenz 25 g Fructose in 250 ml Wasser (Kinder 1g/kg Körpergewicht, max. 25 g) gelöst getrunken. Nach einer Eingangsmessung (vor Verzehr der Lösung) wird die H2-Konzentration in der Ausatemluft in etwa 20-minütigen (15–30 Minuten) Abständen über drei Stunden gemessen. Zusätzlich werden auftretende Beschwerden dokumentiert. Steigt der endexspiratorische Wasserstoffgehalt bei klinischer Symptomatik auf mehr als 20 ppm gegenüber dem Ausgangswert an, gilt eine Fructosemalabsorption oder Dünndarmfehlbesiedlung als gesichert. Bei symptomatischen Patienten ohne nennenswerten Anstieg der abgeatmeten H2-Konzentration handelt es sich vermutlich um Non-Responder. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Darmflora von etwa 5 bis 25 Prozent aller Menschen kein Wasserstoff bildet. Ferner können Magenentleerungsstörungen, eine Darmlavage oder Antibiotikaeinnahmen ein falsch-negatives Testergebnis bedingen. Umgekehrt begünstigt eine beschleunigte Darmpassage ein positives Testresultat. Das schränkt die Sensitivität des H2-Atemtests stark ein. Aus diesem Grund werden die Zweifel am klinischen Nutzen von Fructose-Atemtests immer größer und die Methodik zunehmend in Frage gestellt [6][8].
Eine Fructosemalabsorption von Non-Respondern kann durch einen negativen Belastungstest mit Laktulose bestätigt werden [4].
Differenzialdiagnostik
Die Symptome der intestinalen Fructoseintoleranz können dem Beschwerdebild anderer Erkrankungen ähneln. Mögliche Differenzialdiagnosen sind [4][6]:
Zur Therapie der Fructosemalabsorption bzw. intestinalen Fructoseintoleranz hat die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) ein Positionspapier veröffentlicht. Die therapeutischen Empfehlungen beinhalten einen dreistufigen Ernährungsplan [5].
Stufe 1 bzw. Karenzphase (maximal zwei Wochen): zeitlich befristete moderate Fructosereduktion mit dem Ziel der größtmöglichen Symptomverbesserung durch:
Fructosearme Ernährung mit Beschränkung der Fructoseaufnahme
Verzicht von Zuckeraustauschstoffen und Zuckeralkoholen wie Sorbit, Invertzucker, Isomalt und Lycasit
Unterstützung der Fructoseresorption durch gleichzeitige Aufnahme von Saccharose
meiden von physiologisch nicht resorbierbaren Oligosacchariden, zum Beispiel Nahrungsmitteln, die Stachyose, Raffinose oder Verbascose enthalten (Hülsenfrüchte, Bohnen, Zwiebeln, Lauch und Kohlgemüse)
Stufe 2 bzw. Testphase (bis zu sechs Wochen): Erweiterung der Nahrungsmittelauswahl nach den Prinzipien der leichten Vollkost zur Steigerung der GLUT5-Expression und Ermittlung der individuellen Fructoseverträglichkeit durch
Fructosemodifizierte Kost
Wiedereinführung von verschiedenen Obstsorten
Verzicht auf Zuckeralkohole
ggf. Fett- und Proteinanreicherung, um die physiologische Verträglichkeit von Fructose zu erhöhen
Stufe 3 bzw. Phase der Dauerernährung: Nährstoffabdeckung mit der zugeführten Nahrung durch
individuelle Ernährungsempfehlungen, die sich an Patientenvorgaben bezüglich Mahlzeitenanzahl und Mahlzeitenrhythmus orientieren
In der Karenz- und Testphase des Drei-Phasen-Programms sollten Patienten von einer versierten Ernährungsfachkraft begleitet werden. Dies soll helfen, individuelle Ernährungsmuster in die Verzehrempfehlungen einzubauen, die Nahrungsmittelauswahl ohne Pauschalverbote großzügig zu gestalten, Nährstoffdefizite zu verhindern und eine bestmögliche Lebensqualität zu sichern [5].
Cave: Nahrungsmittelempfehlungen, die bei einer HFI indiziert sind – das heißt eine extrem strenge und lebenslange Fructose-, sorbit- und saccharosefreie Diät – sind bei FM/IFI nicht zielführend. Eine Fructosefreie Kost würde zwar die Beschwerden kurzfristig verbessern, gleichzeitig aber die Expression des Fructosespezifischen GLUT5-Transporters weiter reduzieren und zu einer zunehmenden gastrointestinalen Symptomatik führen [5].
Neue Therapieansätze
Enzymtherapie
Zu den ernährungstherapeutischen Empfehlungen gab es in den letzten Jahren einen weiteren Behandlungsansatz: die Aufnahme des Enzyms Xylose-Isomerase. Xylose-Isomerase hilft dabei, Fructose im Dünndarm zur Absorption in Glukose umzuwandeln. Infolge gelangt weniger Fructose in den Dickdarm und löst so weniger Beschwerden aus [9].
Probiotika
Ein zukünftiger Behandlungsansatz von intestinaler Fructoseintoleranz könnte die Einnahme von probiotischen Milchsäurebakterien darstellen. Die probiotischen Stämme sollen die Fructose im Dünndarm aufnehmen und verstoffwechseln. So gelangt das Monosaccharid nicht in den Dickdarm und Beschwerden werden vermieden. In einer präklinischen in vitro Studie wurden bereits sieben verschiedene Stämme von Lactobacillus fermentum auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit getestet. Hier zeigte LF6 das schnellste Wachstum und den höchsten Fructoseverbrauch; der Stamm konnte circa 50 Prozent der Fructose in 9 Stunden verwerten. LF7 überzeugte durch die niedrigste Menge an gebildetem Ethanol (3,5 g Ethanol bei Verstoffwechselung von 60 g/l Glukose). Das in Spuren anfallende Ethanol wird in vivo sehr wahrscheinlich noch geringer ausfallen als in vitro, da die hierfür erforderliche Glukose schnell über den Darm aufgenommen und vom übrigen Mikrobiom metabolisiert wird. LF7 müsste nun in einer klinischen Studie mit Probanden auf seine therapeutische Wirksamkeit untersucht werden. Erste H2-Atemtest-Ergebnisse zeigen vielversprechende Ergebnisse [10].
Prognose
Bei Einhaltung der dreistufigen Ernährungsumstellung ist in den meisten Fällen ein problemloses Leben mit einer Fructosemalabsorption bzw. intestinalen Fructoseintoleranz möglich. Oft nehmen die Symptome im Laufe des Lebens ab [6].
Prophylaxe
Eine Fructosemalabsorption bzw. intestinale Fructoseintoleranz kann nicht sicher verhindert werden. Grundsätzlich wirkt sich aber eine ausgewogene Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln (das heißt ohne künstliche Zusätze) und das Vermeiden industriell gefertigter Nahrungsmittel positiv auf die Darmgesundheit aus.
Altmeyer, P. (2021): Fructosemalabsorption. Altmeyers Enzyklopädie; zuletzt aktualisiert am 24. April 2021; abgerufen am 12. August 2021.
Helmholtz Zentrum München, Allergieinformationsdienst: Fruchtzuckerunverträglichkeit (Fructosemalabsorption). Stand 05. Mai 2020; abgerufen am 12. August 2021.
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Eisenmann, A., Datta, B., Ledochowski, M. (2008): Fructosemalabsorption. In: Gastroenterologie und Ernährung, 2008; 2:12–6.
Schäfer, C. et al. (2009): Positionspapier Fructosemalabsorption – Stellungnahme der AG Nahrungsmittelallergie in der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). Allergo J 2010; 19:66–9.
Zimmer, K. P. (2007): Laktose- und Fructosemalabsorption. Monatsschr Kinderheilkd 2007; 155, 565–76; DOI: 10.1007/s00112-007-1540-7.
Born, P.: Kohlenhydratmalabsorption – Symptomatik, Diagnostik, Therapie. In: Biologische Medizin. Nr. 6, Dezember 1990, S. 356–61.
Putkonen, L., Yao, C. K., Gibson, P. R. (2013): Fructose malabsorption syndrome. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2013 Jul; 16(4):473–7; DOI: 10.1097/MCO.0b013e328361c556.
Komericki, P. et al. (2012): Oral xylose isomerase decreases breath hydrogen excretion and improves gastrointestinal symptoms in fructose malabsorption – a double-blind, placebo-controlled study. Aliment Pharmacol Ther 2012 Nov; 36(10):980–7. DOI: 10.1111/apt.12057.
Goroncy, K. (2019): Präklinische Studie: Probiotika als neue Therapieoption bei intestinaler Fructoseintoleranz. Ernährung & Medizin 2019; 34(03): 122–6; DOI: 10.1055/a-0831-6177.