Herstellung von CAR-T-Zellen gegen Krebs in Serienproduktion geplant

Das Fraunhofer IPA will einen Teil des komplexen, hochgradig manuellen und kostenintensiven Produktionsprozesses, der einer Immuntherapie mit CAR-T-Zellen vorausgeht, automatisieren. Langfristig soll so jeder Patient, der diese Behandlung benötigt, auch erhalten – und zwar zu Kosten, die mit klassischen Therapiemethoden vergleichbar sind.

Technologisierung Therapie

Hintergrund

Die gentechnische, individuell auf den Patienten zugeschnittene Behandlung mit CAR-T-Zellen ist ein Meilenstein in der Krebstherapie. Derzeit beschränkt sich deren Anwendung jedoch nur auf Mehrfachrezidiv-Patienten mit B-Zell-Lymphomen und B-Zell-Leukämien, die nicht auf eine Standardbehandlung ansprechen. Für die personalisierte Immuntherapie werden patienteneigene Immunzellen entnommen, gentechnologisch verändert und demselben Patienten wieder zugeführt. Die gentechnologische Anpassung ist hochkomplex, aufwendig und mit viel Handarbeit verbunden. Mitarbeiter in spezialisierten Labors isolieren zunächst die T-Lymphozyten. In deren Zellmembran wird mit Hilfe eines viralen Vektors ein neuer passgenauer Chimeric Antigen Receptor (CAR) eingeschleust. Nach Transfusion sind die Immunzellen in der Lage, Antigene auf Krebszelloberflächen des Erkrankten zu erkennen, anzugreifen und zu vernichten.

Automatisierung geplant

Bislang können die CAR-T-Zellen nur in kleinen Mengen gewonnen werden. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) plant jetzt kleine „Minifabriken“, die den hochgradig manuellen Herstellungsprozess automatisieren und eine Serienproduktion ermöglichen. Andreas Traube, Leiter der Abteilung Laborautomatisierung und Bioproduktionstechnik am Fraunhofer IPA, schwebt eine modulare Vorgehensweise vor. Zentrales Element sind normierte Kassetten, in denen die Immunzellen präpariert werden. Sie enthalten alles, was die Zellen für ihr Überleben und Wachstum benötigen. Eingebaute Sensoren überwachen das Geschehen. Nach außen gibt es normierte Schnittstellen, die eine Weitergabe der Kassetten von Prozessierungsstation zu Prozessierungsstation erlauben. Alle Stationen werden schrittweise durchlaufen. „Letztendlich repräsentiert eine dieser Kassetten einen einzelnen Patienten und enthält das Produkt für diesen Patienten“, erklärt Traube. Die in einem Regalsystem gestapelten Kassetten werden per Robotertechnik gehandelt – so die Vision des SolidCAR-T-Projekts. Der Roboter soll in der avisierten Produktionsstätte die parallelisierte Herstellung verschiedener CAR-T-Produkte im großen Maßstab ermöglichen.

Behandlungskosten werden gesenkt

Das Konzept für die Minifabrik orientiert sich am Zukunftsprojekt Industrie 4.0. – also der intelligenten Vernetzung von Maschinen und industriellen Prozessabläufen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. „Eine gute Produktionsorganisation und Automatisierung der Prozesse reduziert auch Reinraumgrößen und erhöht die Stückzahlen, was die Kosten für den einzelnen Prozess senkt“, so Traube. Derzeit belaufen sich die Aufwendungen der CAR-T-Zell-Behandlung für einen Patienten auf 250.000 Euro und mehr. Langfristiges Ziel ist es, die Minifabriken direkt in den behandelnden Kliniken einzurichten. So wird gewährleistet, dass jeder Patient, der diese Therapie benötigt, auch bekommen kann – zu Kosten, die mit klassischen Behandlungsmethoden vergleichbar sind.

CAR-T-Zell-Therapie gegen solide Tumore

Die personalisierte Immuntherapie mit CAR-T-Zellen hat die Behandlung von hämatologischen Malignomen – zum Beispiel der akuten B-Zell-Lymphoblastenleukämie (B-ALL) oder des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) – revolutioniert. In zahlreichen Studien wurde versucht, den Behandlungserfolg auch auf solide Tumore auszuweiten. Die Komplexität solider Tumore und ihre Lage erschweren allerdings die CAR-T-Zell-Therapie. Zahlreiche Strategien und Konzepte, die Hindernisse zu überwinden, blieben bislang erfolglos. Nach wie vor gibt es keine klinisch zugelassenen CAR-T-Zellen für die Behandlung solider Tumore. Im Rahmen des SolidCAR-T-Projekts wollen die Forscher gegen das Gallengangkarzinom gerichtete CAR-T-Zellen herstellen.

Partner

SolidCAR-T wird vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium mit über 4 Millionen Euro gefördert. Das Fraunhofer IPA wird in diesem Projekt vom Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut (NMI) in Reutlingen und dem Universitätsklinikum in Tübingen (UKT) unterstützt. Das Reutlinger Institut entwickelt unter anderem ein patienten-abgeleitetes Tumor-on-Chip-Modell, das komplexe humane Prozesse außerhalb des menschlichen Körpers nachbilden kann. Neben der Qualitätssicherung der Zellprodukte können so Wirksamkeit und Nebenwirkungen vorhergesagt werden, noch bevor der Patient das Präparat erhält. Das UKT hat eine hohe Expertise im Bereich der Herstellung und Nutzung zellulärer Therapien. In SolidCAR-T arbeitet das Tübinger Uniklinikum an der Etablierung des manuellen Prozesses zur Herstellung der CAR-T-Zellen, die gezielt gegen das Gallengangkarzinom wirken.

Autor:
Stand:
25.08.2021
Quelle:

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Pressemitteilung: Minifabriken für die Zelltherapie von Krebs. 19. Juli 2021.

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