ESMO 2021: Was COVID-19 für Krebskranke bedeutet

Die Folgen von COVID-19 für Krebspatienten sind bislang wenig untersucht. Erste Anhaltspunkte liefert die anlässlich des virtuellen ESMO Congress 2021 vorgestellten Ergebnisse aus der europäischen Registerstudie OnCOVID.

Krebskranke Corona

OnCOVID sammelt die Routinedaten von Patienten mit Krebserkrankung und einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion, um Aufschluss über Morbidität und Mortalität von Krebspatienten mit Coronavirus-2019-Erkrankung (COVID-19) zu untersuchen. Wie Professor Dr. Alessio Cortellini vom Imperial College in London berichtete, beteiligen sich aktuell 36 Institutionen in sechs europäischen Ländern an dem Register, darunter auch das Brustzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität in München [1].

Fast jeder Sechste mit Langzeitfolgen

Vom 27. Februar 2020 bis Februar 2021 wurden retrospektiv 2.795 Krebspatienten registriert, die an COVID-19 erkrankt waren. Zur Auswertung von Langzeitfolgen standen Daten von 1.557 Krebspatienten, die COVID-19 überlebt hatten und nach median 128 Tagen erneut untersucht worden waren, zur Verfügung. 234 (15%) von ihnen berichteten über fortbestehende Folgen der Infektion. Jeder Zweite in dieser Kohorte nannte Atemprobleme, vor allem Dyspnoe/Kurzatmigkeit, und 41% berichteten über Fatigue.

Risikofaktoren für COVID-19-Spätfolgen

Langzeitfolgen berichteten häufiger Subgruppen von Patienten, die auch ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, erläuterte Cortellini: Männer etwas häufiger als Frauen (p=0,0407) und über 65-Jährige etwas häufiger als Jüngere (p=0,0489). Patienten mit zwei und mehr Komorbiditäten waren besonders häufig betroffen (48,3% versus 36,4% bei Patienten mit keiner oder nur einer Komorbidität; p=0,0006), ebenso Raucher und Exraucher (55,9% vs. 42,3% der Nichtraucher; p=0,0004).

Besonders hoch war der Anteil derjenigen mit COVID-19-Spätfolgen bei den Krebspatienten mit komplizierter COVID-19 (54,3% vs. 20,9% bei unkompliziert abgelaufener Infektion; p<0,0001), bei Notwendigkeit einer COVID-19-spezifischen Therapie (65,8% vs. 52,6% ohne diese Therapie; p=0,0002) und bei stationärer Behandlung wegen COVID-19 (72,2% vs. 41,2% bei ambulanten Patienten; p<0,0001).

Besonders von COVID-19-Langzeitfolgen betroffen war mit 22,2% die Altersgruppe der 60 bis 69-Jährigen.

COVID-Spätfolgen beeinflussen Prognose

Das Vorhandensein von Spätfolgen durch COVID-19 erhöhte das Risiko zu versterben signifikant. Bereinigt um andere Einflussparameter wie beispielsweise Alter, Komorbiditäten, Tumorcharakteristika oder Krebstherapie erhöhten die COVID-Folgen der Mortalität um 76% (Hazard Ratio [HR] 1,76; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,16–2,66).

CAVE: Abbruch der systemischen Krebstherapie

Bei den Patienten, die zum Zeitpunkt der SARS-CoV-2-Infektion eine systemische Krebstherapie erhielten, brachen 14,8% dauerhaft diese Therapie ab und bei 37,8% konnte die Therapie nur durch Anpassung der Dosierung oder des Regimes fortgeführt werden. Ein Therapieabbruch war doppelt so häufig durch eine Verschlechterung des Allgemeinzustands wie durch einen Tumorprogress begründet, erklärte Cortellini. Eine Anpassung des Therapieregimes betraf in der Hälfte der Fälle den Verzicht auf eine Immunsuppression, es wurde aber auch häufiger versucht zu vermeiden, dass Patienten das Krankenhaus aufsuchen oder intravenös verabreichte Therapien erhalten mussten.  Die multivariate Analyse zeigte, dass ein Abbruch der systemischen Therapie mit einem fast vierfach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert war (HR 3,53; 95% KI 1,45–8,59), nicht aber die vorgenommenen Änderungen der Therapie.

Krebspatienten brachen besondere Aufmerksamkeit

Cortellini empfahl, auf Spätfolgen von COVID-19 bei Krebspatienten stärker zu achten und idealerweise früh zu erkennen und konsequent zu behandeln. Ein Abbruch der krebsspezifischen Therapie sollte vermieden werden. Die Patienten benötigen eine kontinuierliche Versorgung, betonte er.

Die Registerstudie OnCOVID ist auf ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT04393974 registriert.

Autor:
Stand:
23.09.2021
Quelle:

Prof. Dr. Alessio Cortellini: „Prevalence and impact of COVID-19 sequelae on treatment pathways and survival of cancer patients who recovered from SARS-COV-2 infection“. Abstract 1560O, ESMO Congress 2021, X. September 2021. Annals of Oncology, DOI: 10.1016/j.annonc.2021.08.1553

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