ASCO GI 2021: Zweite zielgerichtete Therapie beim Magenkarzinom?

Für Karzinome des Magens und des gastroösophagealen Übergangs mit HER2-Überexpression ist aktuell die Kombination von Chemotherapie und Trastuzumab Therapiestandard. Bei einigen HER2-negativen Tumoren könnte die FGFR2b-gerichtete Therapie eine neue Option sein.

Magen-Darm

Je nach Stadium weisen 3–61% der Karzinome des Magens und des gastroösophagealen Übergangs (engl. gastroesophageal junction, GEJ) eine Überexpression des Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptors 2b (FGFR2b) auf, erklärte Prof. Dr. Zev A. Wainberg von der Universität von Kalifornien in Los Angeles anlässlich des Gastrointestinal Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GI) [1].

Die FGFR2b-Überexpression führt zu einer übermäßigen Aktivierung von RAS/MAPK- und PI3K/AKT/mTOR-Signalwegen mit der Folge der Tumorzellproliferation. Auf FGFR gerichtete Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) haben schon bei verschiedenen Karzinomen mit FGFR-Mutationen, Fusionen oder Translokationen eine klinische Wirksamkeit gezeigt. Die Phase-II-Studie FIGHT legt jetzt die Grundlage für eine auf den FGFR2b-Rezeptor gerichtete Therapie – das wäre die zweite zielgerichtete Therapie bei fortgeschrittenen Karzinomen des Magens und GEJ nach Trastuzumab bei HER2-überexprimierenden Magen/GEJ-Karzinomen.

Studienaufbau der FIGHT-Studie

Die randomisierte, doppelblinde und placebo-kontrollierte Studie FIGHT war ursprünglich als Phase-III-Studie konzipiert, wurde dann aber aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Biomarkers nach einem Amendment als Phase-II-Studie durchgeführt. Die Studie schloss Patienten mit FGFR2b-positivem, HER2-negativem Karzinom von Magen oder GEJ ein. In der gescreenten Kohorte von 910 Patienten hatten 30,2% eine FGFR2b-Überexpression in der Immunhistochemie oder eine FGFR2-Genamplifikation in der Analyse zirkulierender Tumor-DA – mehr als ursprünglich angenommen worden war, wie Wainberg erklärte.

Von diesen 275 Patienten konnten 155 zur Primärtherapie mit mit dem modifizierten FOLFOX6-Regime und zusätzlich entweder den FGFR2b-Antikörper Bemarituzumab (n=77) oder Placebo (n=78) randomisiert werden. Etwa 45% der Patienten hatten zur Kontrolle der Erkrankung vorab schon eine Dosis mFOLFOX6 erhalten, berichtete Wainberg.

PFS-Vorteil bei zusätzlicher zielgerichteter Therapie

Die weltweit durchgeführte Studie erreichte nach einem medianen Bobachtungszeitraum von 10,9 Monaten ihren primären Endpunkt, der relativ konservativ als eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (engl. progression-free survival, PFS) mit einer Hazard Ratio (HR) von ≤0,76 und einem p-Wert von ≤0,2 definiert war. Das PFS lag im Median in der Bemarituzumab-Gruppe bei 9,5 Monaten, in der Placebogruppe bei 7,4 Monaten. Die HR betrug 0,68 (95% Konfidenzintervall [KI] 0,44–1,04), der p-Wert 0,0727. Auch das mediane Gesamtüberleben war mit dem FGFR2b-Antikörper besser: Es war in der Bemarituzumab-Gruppe noch nicht erreicht und lag mit Placebo bei 12,9 Monaten (HR 0,58; 95% KI 0,35–0,95; p=0,0268).

FGFR2b-Expression relevant

Die PFS- und OS-Vorteile für Bemarituzumab waren bei stärker ausgeprägter FGFR2b-Überexpression noch deutlicher. Beispielsweise wiesen die Karzinome von 62% der Patienten eine ≥10%ige FGFR2b-Überexpression auf. In dieser Subgruppe betrug das mediane PFS mit Bemarituzumab 14,1 Monate, mit Placebo 7,3 Monate (HR 0,44; 95% KI 0,25–0,77), das mediane OS war mit Bemarituzumab nicht erreicht und lag mit Placebo bei 11,1 Monaten (HR 0,41; 95% KI 0,22–0,79).

Besonderes Nebenwirkungsprofil

Die Überlebensvorteile des FGFR2b-Antikörpers müssen allerdings gegen die häufigen Nebenwirkungen, beispielsweise an der Hornhaut (trockenes Auge, Keratitis, Visusbeeinträchtigung und Defekte am Korneaepithel) bei 67% der Patienten abgewogen werden. Einen Grad ≥3 erreichten die kornealen Nebenwirkungen bei 23% der Patienten, die zwar häufig im Verlauf verschwanden, aber doch bei 40% im Rahmen der Beobachtungsspanne noch nicht abgeklungen waren. 9,2% der Patienten litten unter einer Stomatitis des Grads 3 und höher.

34,2% brachen die Therapie mit Bemarituzumab wegen Nebenwirkungen ab, 26,3% wegen der Hornhautveränderungen. In der Placebogruppe war die Abbruchrate mit 5,2% wesentlich geringer.

Fazit

Die Kommentatorin Prof. Dr. Rutika Mehta vom H. Lee Moffitt Cancer Center hob die Bedeutung der FIGHT-Studie im Hinblick auf den nächsten Schritt hin zu einer weiter personalisierten Therapie des Magen/GEF-Karzinoms hervor [2]. Die Überlebensraten lägen mit Chemotherapie plus Bemarituzumab in derselben Größenordnung wie bei HER2-überexprimierenden Tumoren mit Chemotherapie und Trastuzumab, sagte sie.

Sie diskutierte aber auch die Toxizitätsprobleme von Bemarituzumab. Letztlich müsse eine Phase-III-Studie mit einer größeren Kohorte die viel versprechenden Überlebensdaten bestätigen und gleichzeitig ein Augenmerk auf die Minimierung der Nebenwirkungen legen.

Die Studie ist auf ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT03694522 registriert. Sie wurde von dem Unternehmen Five Prime Therapeutics finanziert.

Autor:
Stand:
03.02.2021
Quelle:
  1. Prof. Dr. Zev A. Wainberg: „Randomized double-blind placebo-controlled phase 2 study of bemarituzumab combined with modified FOLFOX6 (mFOLFOX6) in first-line (1L) treatment of advanced gastric/gastroesophageal junction adenocarcinoma (FIGHT).“ Virtuelles Symposium „Gastrointestinal Cancers“ der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GI), Abstract 160, Oral Abstract Session: Esophageal and Gastric Cancer, 15. Januar 2021. https://meetinglibrary.asco.org/record/193966/abstract
  2. Prof. Dr. Rutika Mehta. Virtuelles Symposium „Gastrointestinal Cancers“ der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GI), Discussion Oral Abstract Session: Esophageal and Gastric Cancer, 15. Januar 2021. https://meetinglibrary.asco.org/record/194486/video
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