Warum sich Neuroblastome unterschiedlich verhalten

Neuroblastome zeigen ein unterschiedliches biologisches Verhalten – die Bandbreite reicht von hochaggressiven Formen bis zur Spontanremission. Forscher aus Heidelberg konnten nun anhand von molekulargenetischen Analysen die Ursache dafür aufzeigen.

Krebs Mädchen

Das Neuroblastom ist nach ZNS-Tumoren der häufigste solide Tumor bei Kindern. Der Ursprung liegt in Zellen der Neuralleiste und kann dementsprechend in allen Geweben auftreten, in denen sich sympathische Nervenzellen befinden, beispielsweise im Nebennierenmark, im Grenzstrang oder den Paraganglien.

Das biologische Verhalten des Tumors ist sehr unterschiedlich und reicht von hochaggressiven Verläufen bis zur spontanen Rückbildung des Tumors.

Super-Enhancer steuern Verhalten der Neuroblastome

In welche Richtung sich der Tumor entwickelt, hängt von der molekularen Regulierung ab, wie eine aktuelle Studie zeigt [1] .Wissenschaftlern des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Heidelberg untersuchten in der Studie sogenannte Enhancer, also Verstärker, im Genom von 60 Neuroblastomen. Enhancer sind Regionen im Genom, welche die Aktivität bestimmter Gene regulieren, indem sie zum Beispiel als Andockstelle für Transkriptionsfaktoren dienen. Einige dieser Enhancer besitzen ein besonderes Verstärkerpotenzial und werden deswegen auch als „Super-Enhancer“ bezeichnet. Diese werden auch bei anderen Krebserkrankungen, beispielsweise bei Ependymomen, erforscht.

Onkogene scheinen Super-Enhancer zu regulieren

Die Forscher untersuchten mithilfe molekulargenetischer Analysetechniken das H3K27ac-Profil im Genom der Neuroblastome. H3K27ac ist eine Histonmodifikation, es ist an der Transkription und somit an der Genexpression beteiligt und markiert aktive Promotoren und Enhancer. Die computergestützte Kartierung der Enhancer zeigte in der Studie, dass diese im Tumorgenom der einzelnen Neuroblastome sehr unterschiedlich verteilt sind.

Insgesamt ergaben sich aus der Kartierung der Super-Enhancer vier epigenetische Subtypen. Drei dieser Subtypen entsprachen bekannten molekularen Subgruppen:

  • Mit MYCN-Amplifikation
  • Hochrisikoneuroblastom ohne MYCN-Amplifikation
  • Niedrigrisikoneuroblastom ohne MYCN-Amplifikation.

„Bei bestimmten Neuroblastomen haben wir eine Gruppe identifiziert, deren Super-Verstärker von sogenannten MYCN-Transkriptionsfaktoren angeschaltet werden. MYCN gilt beim Neuroblastom als sehr ungünstiger Prognosefaktor und Patienten, in denen MYCN hochreguliert ist, gehören in der Regel zu den Hochrisiko-Patienten“, erläutert PD Dr. Frank Westermann von DKFZ und KiTZ [2].

Der vierte identifizierte Subtyp zeigte Charakteristika mesenchymaler Zellen. Hier zeigte sich ein bisher nicht bekannter Zusammenhang zwischen den Super-Verstärkern und einer Aktivierung durch das Krebsgen RAS. Dieser vierte Subtyp trat stets in Tumorzellen auf, die aus Patienten isoliert worden waren, die bereits einen Rückfall erlitten hatten.

Übergeordnete Steuerung unabhängig von Subtyp

„Interessanterweise scheint es über den Super-Verstärkern noch einen gemeinsamen regulatorischen Master zu geben, der dafür sorgt, dass bestimmte essentielle Gene in allen Tumoren aktiv bleiben“, erklärt Dr. Carl Herrmann von der medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg. Beispielsweise zeigte sich CCND1, ein zentrales Gen für das Wachstum von Neuroblastomzellen, in allen Gruppen überaktiviert.

Ausblick auf gemeinsame Forschungsvorhaben

Die gewonnenen Daten stellen die Heidelberger Wissenschaftler nun auch anderen Forschern zur Verfügung. „Regulatorische Schalter sind vielversprechende Angriffsziele, um Krebszellen auszuschalten“, betont Westermann. „In Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern werden wir das Potenzial der Super-Verstärker als therapeutische Zielstrukturen jetzt gezielt testen.“

Quelle:
  1. Gartlgruber et al. (2021): Super enhancers define regulatory subtypes and cell identity in neuroblastoma. Nature cancer, DOI: https://doi.org/10.1038/s43018-020-00145-w
  2. Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), Pressemeldung, 07.12.2020; abgerufen 10.03.2021
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige