
Die Royal Swedish Academy of Sciences hat verkündet, den Nobelpreis für Chemie 2020 an Emmanuelle Charpentier, Max-Planck-Abteilung für Pathogenforschung, Berlin, Deutschland, und Jennifer A. Doudna, Universität von Kalifornien, Berkeley, USA, für die Entwicklung der CRISPR/Cas9-Technik zu verleihen. Zum ersten Mal in der Geschichte teilen sich so ausschließlich Frauen den Wissenschafts-Nobelpreis. Die Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit insgesamt zehn Millionen Kronen (ca. 950.000 Euro) dotiert. Traditionsgemäß findet die feierliche Übergabe der Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, statt. Auch in Deutschland wurden beide Forscherinnen bereits für diese Entdeckung mit hochdotierten Forschungspreisen gewürdigt und erhielten Anfang 2016 den Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis.
CRISPR/Cas9
Mit der CRISPR/Cas9-Technik können Forscher die DNA von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen mit extrem hoher Präzision verändern.
„Diese Technologie hat einen revolutionären Einfluss auf die Biowissenschaften ausgeübt, trägt zu neuen Krebstherapien bei und könnte den Traum von der Heilung von Erbkrankheiten wahr werden lassen“, so die Royal Swedish Academy of Sciences in ihrer Pressemitteilung zum Chemie-Nobelpreis. Um etwas über das Innenleben von Zellen erfahren zu können, müssen Gene in Zellen modifiziert werden. Laut der Mitteilung war dies früher eine zeitaufwändige, schwierige und manchmal unmögliche Arbeit. Mit der genetischen Schere CRISPR / Cas9 sei dies nun innerhalb weniger Wochen möglich.
„Dieses genetische Werkzeug hat eine enorme Kraft, die uns alle betrifft. Es hat nicht nur die Grundlagenforschung revolutioniert, sondern auch zu innovativen Pflanzen geführt und wird zu bahnbrechenden neuen medizinischen Behandlungen führen “, so Claes Gustafsson, Vorsitzender des Nobelpreisausschusses für Chemie.
Entdeckung und Entwicklung
Die Entdeckung dieser genetischen Schere erfolgte unerwartet: Während Emmanuelle Charpentiers an Streptococcus pyogenes forschte, entdeckte sie ein bisher unbekanntes Molekül, tracrRNA. Ihre Arbeit zeigte, dass tracrRNA Teil des alten Immunsystems von Bakterien, CRISPR / Cas, ist, das Viren durch Spaltung ihrer DNA entwaffnet. Ihre Entdeckung veröffentlichte Charpentier im Jahr 2011 und initiierte noch im selben Jahr eine Zusammenarbeit mit Jennifer Doudna, einer erfahrenen Biochemikerin mit umfassendem Wissen über RNA. Gemeinsam gelang es ihnen, die genetische Schere der Bakterien in vitro nachzubilden und die molekularen Komponenten der Schere zu vereinfachen. Laut Pressemitteilung folgte dann ein epochales Experiment, in dem die Forscherinnen zeigten, dass die Genschere so kontrolliert werden kann, dass sie jedes DNA-Molekül an einer vorbestimmten Stelle schneiden kann. Die Genscheren können außerdem in abgewandelter Form in Zellen anderer Lebewesen eingeschleust werden und dann gezielt Stellen im Erbgut erkennen und die DNA genau hier zerschneiden. Mutierte Gene, die beispielsweise Krankheiten verursachen, können so ausgeschaltet, repariert oder ausgetauscht werden.
Erste CRISPR/Cas9-Therapien
Das entdeckte Tool hat daraufhin zu vielen wichtigen Entdeckungen in der Grundlagenforschung beigetragen, und Pflanzenforscher konnten so Pflanzen entwickeln, die Schimmel, Schädlingen und Dürre standhalten. Erste CRISPR/Cas9-Therapien werden derzeit in klinischen Studien mit Patienten geprüft, beispielsweise bei B-Zell-Tumoren, Beta-Thalassämie oder Sichelzellanämie. Zugelassene CRISPR/Cas9-Therapien gibt es allerdings noch nicht.
Regulation erforderlich
Das Komitee betonte in seiner Begründung allerdings auch, dass wie jede mächtige Technologie, auch diese Genschere reguliert werden müsse. Im November 2018 sorgte das Video eines chinesischen Forschers weltweit für Aufruhr, der die Geburt von Zwillingen bekannt gab, deren Erbgut er mit CRISPR/Cas9 verändert hatte. Charpentier forderte deshalb 2018 eine verstärkte Debatte über Gentechnik. Mit Crispr/Cas9 in menschliche Keimbahnen einzugreifen, sei problematisch, erläuterte die Professorin im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wir brauchen eine verstärkte Debatte und internationale Regularien zu den potenziellen Risiken von Crispr/Cas9 als Gen-Editing-Technik“, mahnte sie. „Als Wissenschaftler tragen wir auch eine gewisse Verantwortung: Wir müssen sicherstellen, dass es für jede potenzielle Therapie am Menschen angemessene Sicherheits- und Effizienz-Maßnahmen gibt, und dass jede ethisch fragwürdige Nutzung dieser Technik verboten wird“, forderte die französische Mikrobiologin. Und ergänzte: „Aber ich denke auch, dass es äußerst wichtig ist, zu Forschungszwecken mit der Technik weiterzumachen, weil sie uns ermöglicht, wichtige Lebensmechanismen und Krankheiten zu verstehen.“