
Der Einzug der Immuntherapie und damit der personalisierten Krebstherapie in die klinische Praxis stellt eine bedeutende Neuentwicklung der Onkologie in neuerer Zeit dar. Zahlreiche der bisherigen genetischen Analysen von Krebserkrankungen als Basis einer Immuntherapie konzentrierten sich auf die DNA. Ein Team von Forschern aus der Schweiz hat nun Veränderungen auf RNA-Ebene genauer untersucht [1].
RNA-Daten des Cancer Genome Atlas analysiert
Dazu analysierten die Forscher die RNA-Sequenzen von über 8.700 Krebspatienten. Die Daten stammen aus dem amerikanischen Cancer Genome Atlas. Dabei handelt es sich um den größten genetischen Datensatz der Krebsmedizin, der genetische Informationen von Tumorzellen mehrerer Tausend Krebspatienten zu insgesamt 33 unterschiedlichen Krebsentitäten enthält.
Alternatives Spleißen und Neoantigene
Im Rahmen den Genexpression wird die in der DNA enthaltene genetische Information in der Zelle verwirklicht. Einer der Schritte in der Genexpression ist die Transkription, bei der die RNA als Abschrift der DNA synthetisiert wird. Bevor auf Grundlage der RNA Proteine entstehen, laufen verschiedene Prozesse ab. Einer dieser Prozesse ist das Spleißen, bei dem Enzyme Abschnitte aus dem RNA-Molekül entfernen und dieses neu zusammenfügen.
Das Spleißen und das daraus entstehende RNA-Molekül können in unterschiedlichen Varianten erfolgen, dies bezeichnet man als alternatives Spleißen. Demnach kann ein RNA-Molekül als Kopie eines Gens den Bauplan für unterschiedliche Proteine liefern. Während dieses Prozesses können sogenannte Neoantigene – neu auftretende Antigene - entstehen.
Ergebnisse
Die Wissenschaftler analysierten die Daten aus dem Cancer Genome Atlas auf tumorspezifisches alternatives Spleißen. Dabei fanden sie mehrere zehntausend bisher nicht beschriebene Varianten von alternativem Spleißen, die bei vielen Krebspatienten immer wieder auftreten.
André Kahles, einer der beiden Erstautoren der Studie von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich [2], sagte: „Auf molekularer Ebene handelt es sich bei den Veränderungen nicht nur wie schon seit langem bekannt um einzelne DNA-Mutationen, sondern zu einem großen Teil auch um unterschiedliches Spleißen der RNA, wie wir in unserer umfassenden Analyse zeigen konnten.“
Alternatives Spleißen in Tumorgewebe stärker ausgeprägt
Ein weiteres Ergebnis ist, dass alternatives Spleißen im Tumorgewebe deutlich stärker ausgeprägt ist als in gesundem Körpergewebe. Beim Adenokarzinom der Lunge tritt das alternative Spleißen im Vergleich zu gesundem Gewebe 30% häufiger auf. Für folgende Krebsentitäten konnte bereits der prognostische Wert des alternativen Spleißens gezeigt werden:
- Nicht-kleinzelliger Lungenkrebs (NSCLC)
- Ovarialkarzinom
- Brustkrebs
- Glioblastom
- Uveales Melanom.
Mutationen können alternatives Spleißen begünstigen
Die Forscher konnten auch vier Gene identifizieren, deren Mutation das Auftreten von alternativem Spleißen begünstigt.
Ansatzpunkt für die personalisierte Immuntherapie
Die neu entdeckten molekularen Veränderungen führten nicht zwangsläufig zu funktionellen Veränderungen in den Krebszellen, so die Wissenschaftler. Jedoch seien die molekularen Unterschiede ein Ansatzpunkt für die Therapie. Die neu entdeckten Varianten des alternativen Spleißens führen zu Proteinveränderungen, die als Neoantigene fungieren, und somit als tumorspezifische Erkennungsmerkmale dienen können.
Die Studie zeigt, dass bei den untersuchten Krebsentitäten in bis zu 75% der Fälle Erkennungsmerkmale vorhanden sind, die einen potentiellen Ansatzpunkt für die Entwicklung einer Immuntherapie darstellen könnten.
Fazit
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Studie das Ausmaß zeigt, in dem alternatives Spleißen in Tumoren zu krebsspezifischen RNA-Veränderungen führt. Diese Veränderungen sind die Basis für die Entstehung tumorspezifischer Proteine und könnten einen Ansatzpunkt für neue personalisierte Immuntherapien, etwa die CAR-T-Zell-Therapie oder individualisierte Krebsvakzinen, darstellen.