
Hintergrund
Die Zellphysiologie und deren zugrunde liegende Mechanismen werden durch den Umbau von Chromatin und den damit verbunden epigenetischen Ereignissen reguliert. Eine koordinierte Regulation führt zur Anpassung der Zellen an bestimmte Situationen und Ereignisse, während epigenetische Aberrationen pathologische Zustände wie Krebs hervorrufen können.
Ein wichtiges Protein, dass in diesen Regulationsmechanismus involviert ist, ist der „epigenetische Leser“ BRD4. BRD4 erkennt acetylierte Lysinreste an Histonen und anderen Nicht-Histon-Proteinen und hat somit eine bedeutende Funktion beim Ent- bzw. Verpacken der Desoxyribonukleinsäure (DNA) im Chromatin. Da BRD4 auch die Transkription des Onkogens MYC dominant reguliert, wurde es als ein wichtiger Marker bei Krebserkrankungen identifiziert und stellt ein mögliches therapeutisches Ziel dar.
Zielsetzung
Die wissenschaftliche Studie untersucht wie der Entstehungsprozess diverser Krebserkrankungen durch BRD4 beeinflusst wird. Der Fokus liegt dabei auf der Beteiligung der sogenannten Solute Carrier (SLC) vermittelten Purin-Aufnahme, als von außen zugeführte Nährstoffe und der wesentlichen Rolle des Purin-Stoffwechsels im Zellmetabolismus.
Methodik
Um BRD4 regulierende Faktoren zu erforschen, haben die Wissenschaftler der Forschungsgruppe um Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das auf der BRD4-Inhibiton basierende zelluläre Reportersystem REDS (Reporter für epigenetisches Wirkstoffscreening) in der humanen Leukämie-Zelllinie KBM-7 entwickelt. Dieses System eignet sich für genetische Screenings basierend auf einer CRISPR/Cas9-Bibliothek und für pharmakologische Screenings basierend auf einer Substanzbibliothek. Es erfolgten Vergleiche zwischen genetisch veränderten Krebszellen, bei denen die SLC inhibiert wurden und solchen denen Purine als Wachstumsfaktoren exogen hinzugefügt oder weggelassen wurden, wodurch es zu Änderungen in der Purin-Biosynthese kam.
Ergebnisse
In vitro Versuche zeigten, dass Änderungen im Vorkommen von intrazellulären Purinen die Aktivität von BRD4 durch die SLC-vermittelte Aufnahme von Purinen reguliert und von dieser abhängig ist. So führte die Inhibierung der SLC als auch die Inhibierung der de novo Purin-Synthese und die damit geringe intrazelluläre Purin-Konzentration zur Inaktivierung von BRD4. Dies beeinflusste die Transkriptionsregulation des Chromatins durch die Dissoziation von BRD4 vom Chromatin. Das Ungleichgewicht von intrazellulären Purinen konnte durch Supplementation von Adenin und Adenin-ähnlichen Metaboliten ausgeglichen werden und stellte die BRD-4 Funktionalität wieder her.
Fazit
Die wissenschaftliche Studie konnte erfolgreich zeigen, dass es eine pharmakologisch wirksame Achse zwischen dem Purin-Stoffwechsel und den BRD4-abhängigen Chromatinzuständen gibt. Adenin als eine abgeleitete Verbindung der Purine spielt eine wichtige Rolle bei der BRD4-Interaktion und ist für die Zellphysiologie essentiell. Dies stellt einen wichtigen Ansatzpunkt zur Entwicklung neuer Krebstherapien gegen BRD4-induzierte Krebsarten dar. Medikamente, die BRD4 beeinflussen wurden in der Vergangenheit bereits entwickelt und man weiß, dass einige Krebsarten bereits auch Resistenzen gegen diese Medikamente entwickelt haben.