DGHO-Umfrage zu assistiertem Suizid vorgestellt

Nachdem der § 217 StGB im Februar 2020 für verfassungswidrig erklärt wurde, wird erneut um eine Regelung der assistierten Selbsttötung gerungen. Einen Einblick in die Meinungen und Erfahrungen von Onkologinnen und Onkologen gibt eine Umfrage unter DGHO-Mitgliedern.

assistierter Suizid

An der Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinisch Onkologie (DGHO) haben vom 12. bis zum 31. März 2021 750 von an 3.588 DGHO-Mitgliedern teilgenommen. Bei einer Rücklaufquote von 20,76% kann man zwar nicht von einem repräsentativen Ergebnis sprechen. Prof. Dr. Lorenz Trümper von der Universitätsklinik Göttingen, derzeitiger geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, zeigte sich aber erfreut, dass doch so viele Kollegen in dieser kurzen Zeit Auskunft über die aktuelle Situation in Kliniken und ihre persönlichen Meinungen zur Frage des assistierten Suizids gegeben haben.

Häufig palliativmedizinisch qualifiziert

Die meisten Teilnehmenden hatten schon eine mehr als zehn Jahre dauernde onkologische Berufserfahrung und kamen aus allen Versorgungsbereichen, berichtete Prof. Dr. Jan Schildmann, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg. Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmenden gaben an, eine Zusatzbezeichnung Palliativmedizin erworben zu haben. Das wertete Prof. Dr. Wörmann, medizinischer Leiter der DGHO, als ein Zeichen, dass sich viele onkologisch tätigen Kolleginnen und Kollegen nicht nur intrinsisch mit dem Thema der Begleitung am Lebensende beschäftigen, sondern auch formell pallliativmedizinisch qualifiziert haben.

Bereitschaft, bei assistiertem Suizid involviert zu werden

Bei einer Neuregelung der assistierten Selbsttötung müsste es auch Ärzte geben, die bereit sind, an dem wie auch immer gearteten Prozess teilzunehmen. Eine grundsätzliche Bereitschaft, Patientinnen und Patienten ein tödliches Medikament zur Verfügung zu stellen, das diese dann selbst einnehmen, gab knapp die Hälfte der Teilnehmer an, wobei etwa 30% allerdings die Einschränkung „nur unter bestimmten Bedingungen“ machten. Als Bedingung angegeben wurden jeweils von mehr als 80% die Freiverantwortlichkeit des Patienten oder ein unkontrollierbares Leiden. Die Lebenserwartung war für die meisten kein Kriterium. Bei Menschen mit Sterbewunsch, die nicht erkrankt oder psychisch krank sind, gab es deutlich weniger, die ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen würden. Knapp die Hälfte aller Antwortenden lehnte diese Art von Beteiligung grundsätzlich ab.

Patientenbedürfnis ist da

57% der Teilnehmenden gab an, bereits einmal von einer Patientin/einem Patienten um Informationen zum Vorgehen bei einer assistierten Selbsttötung gebeten worden zu sein. 20% teilten auch mit, dass sie konkret um ein Rezept für Medikamente für eine Selbsttötung gebeten worden seien. Besonders oft trat dieser Wunsch auf in einer palliativen Situation, ohne, aber auch mit Option auf eine Tumortherapie, bei 30% auch in einer kritischen Phase während der Tumortherapie. Tatsächliche Assistenz zur Selbsthilfe geleistet haben nach eigenen Angaben aber nur knapp 3% der Teilnehmenden. „Die Patienten möchten wissen, dass der Arzt an ihrer Seite ist. Aber die Assistenz wird selten konkret angefragt“, kommentierte Wörmann die Diskrepanz zwischen allgemeinen Fragen nach ärztlich assistierter Selbsttötung und konkreter Assistenz.

Berufsrechtlicher Flickenteppich wenig akzeptiert

Aktuell ist die Assistenz zur Selbsttötung in einigen Ärztekammern verboten, in anderen nicht. Ein berufsrechtliches Verbot lehnen nach der Umfrage 41% rundweg ab. Bei einer ähnlichen Umfrage 2015 taten das nur 25% der teilnehmenden DGHO-Mitglieder, erläuterte Schildmann. Es werde unterschieden zwischen der persönlichen Bereitschaft und der berufsrechtlichen Regelung, betonte er. Die berufsrechtlichen Regelungen aktuell seien nicht im Sinne der Befragten.

Beratung ärztliche Aufgabe

Gut drei Viertel der Umfrageteilnehmenden gaben an, Ärzte sollen oder können die Beratung zu einem assistierten Suizid durchführen, berichtete Prof. Dr. Dr. Eva Winkler, Oberärztin und Leiterin der Sektion „Translationale Medizinethik“ am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an der Universitätsklinik Heidelberg. Am häufigsten wurde angegeben, die Beratung sollten Kollegen aus der Palliativmedizin oder dem jeweiligen Fachgebiet der Erkrankung des Patienten vornehmen, aber auch Vertreter von Psychologie, Psychiatrie oder Pflege wurden von fast der Hälfte der Teilnehmenden für die Beratung genannt.

Bedenkzeit 2-14 Tage

In den aktuell vorgelegten Gesetzentwürfen werden unterschiedliche Vorschläge zur Wartezeit zwischen Beratung und Verordnung des tödlichen Medikaments vorgeschlagen. Die Teilnehmenden der Umfrage favorisierten auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in der Onkologie eine Bedenkzeit von 72 Stunden oder 14 Tagen – eine Bedenkzeit von sechs Monaten ist bei der schlechten Prognose fortgeschritten erkrankter Krebspatienten nicht realistisch.

Freiwillig und frei verantwortlich?

Die Prüfung der Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches sah ein knappes Viertel ausschließlich als ärztliche Aufgabe an, gut 40% sagten, sie könne von Ärzten durchgeführt werden, etwa 15% waren gegen eine ärztliche Beteiligung. Ein Gutachten sollte nach Meinung der Befragten erstellt werden, wenn psychische oder keine Erkrankungen vorliegen, die Sterbewilligen eine gute Prognose haben oder bei Kindern und Jugendlichen.

Der Akt an sich

Die Abgabe von Medikamenten zur Selbsttötung sollte nach dem Willen von gut 40% der Teilnehmenden ausschließlich und von weiteren 20% auch durch Ärzte erfolgen, knapp ein Viertel votierte aber auch komplett gegen eine ärztliche Beteiligung. Zeitpunkt und Ort der Einnahme des tödlichen Medikaments durch den Patienten sind in den verschiedenen Ländern mit einer solchen Regelung unterschiedlich organisiert. Unter den Teilnehmenden der Umfrage gab es hierzu keine klare Präferenz. Eine Mehrheit sprach sich aber für eine Qualitätssicherung des Prozesses aus. Die könne in Form von ärztlichen Fortbildungen, durch eine Meldepflicht bei Beratung und Rezeptausgabe sowie durch Begleitforschung gewährleistet werden. Gut die Hälfte der Teilnehmenden fand, dass Ärzte über ihre Bereitschaft zur Assistenz zur Selbsttötung informieren dürfen, es wurden aber Regelungen gefordert, werbende Darstellungen zu unterbinden.

Daten wertvoll für Gesetzgebungsprozess

Trümper erklärte, die DGHO werde versuchen, die Ergebnisse der Umfrage in den laufenden Gesetzgebungsprozess einzubringen. Er betonte, dass eine Fachgesellschaft wie die DGHO bewusst nicht selber Gesetzesvorschläge entwickle oder bestimmte Positionen in dieser Frage vertrete, sondern die Fachgruppe in ihrer ganzen Vielfalt von Haltungen vertrete.

Autor:
Stand:
05.05.2021
Quelle:

Pressekonferenz „Assistierte Selbsttötung. Ergebnisse der Online-Umfrage der DGHO“ am 28. April 2021

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