
Hintergrund
Epidemiologische Daten sowie Studiendaten legen nahe, dass eine Vitamin-D-Supplementierung das Auftreten von metastasiertem Krebs und die Krebssterblichkeit verringern kann. Laborstudien und Versuche an Tiermodellen zeigen, dass Vitamin D die Karzinogenese hemmen und das Fortschreiten eines Tumors verlangsamen kann.
Dabei wurde beobachtet, dass Vitamin D die Zelldifferenzierung fördert, die Proliferation von Krebszellen hemmt sowie entzündungshemmende, immunmodulatorische, proapoptotische und antiangiogene Wirkungen zeigt. Außerdem wurde gezeigt, dass Vitamin D die Tumorinvasivität und die Neigung zur Metastasierung verringert, was zu einer verringerten Krebssterblichkeit führt. Höhere 25-Hydroxyvitamin D-Spiegel im Serum von Krebspatienten bei der Diagnose wurden mit einem längeren Überleben in Verbindung gebracht.
In der Vitamin D- und Omega-3-Studie (VITAL) reduzierte Vitamin D weder das Auftreten der primären Krebserkrankung noch der kardiovaskulären Endpunkte. Die Vitamin D-Supplementierung reduzierte aber im Vergleich zu Placebo die Gesamtkrebssterblichkeit (Hazard Ratio [HR] 0,83 [95%-Konfidenzintervall [KI] 0,67-1,02]). Auch Metaanalysen von Studien zeigten eine Verringerung der Krebssterblichkeit, jedoch nicht der Inzidenz.
Interessanterweise waren in explorativen Subgruppenanalysen der VITAL-Studie Neuerkrankungen mit Krebs bei Patienten mit normalem Body-Mass-Index (BMI) leicht reduziert, jedoch nicht bei Patienten mit Übergewicht oder Adipositas. Dies lässt vermuten, dass mit Adipositas verbundene Faktoren die Wirkung der Vitamin-D-Supplementierung abschwächen können [1, 2].
Zielsetzung
Eine Forschergruppe um Dr. Paulette Chandler vom Brigham and Women´s Hospital der Harvard Medical School in Boston, USA, Hauptautorin der aktuellen Publikation [3], ging der Frage nach, ob bei erwachsenen Personen ohne Krebsdiagnose eine Vitamin D3-Supplementierung das Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium (metastasiert oder mit tödlichem Ausgang) verringern kann, und ob der BMI möglicherweise den Effekt modifiziert.
Methodik
VITAL ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, 2 × 2-faktorielle klinische Studie mit Vitamin D3 und marinen Omega-3-Fettsäuren zur Primärprävention von Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen. Diese multizentrische klinische Studie wurde in den USA durchgeführt. Es konnten Männer ab 50 Jahren und Frauen ab 55 Jahren teilnehmen, die zu Studienbeginn keine Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufwiesen.
Die Studienteilnehmer erhielten als Nahrungsergänzungsmittel Vitamin D3 (Colecalciferol, 2000 IE/Tag) oder marine Omega-3-Fettsäuren (1 g/Tag) oder beide aktive Präparate oder Placebo.
Für die vorliegende Sekundäranalyse war der primäre Ergebnisparameter eine zusammengesetzte Inzidenz aus metastasierter und tödlicher invasiver Krebserkrankung. Weitere Analysen umfassten die Untersuchung des BMI (<25, 25 bis <30 und ≥30) als Effektmodifikator der beobachteten Assoziationen.
Ergebnisse
Bei 1.617 von 25.871 randomisierten VITAL-Teilnehmern (51% weiblich; mittleres [SD] Alter: 67,1 [7,1] Jahre) wurde innerhalb eines mittleren Interventionszeitraums von 5,3 Jahren (Bereich 3,8-6,1 Jahre) eine invasive Krebserkrankung diagnostiziert. Wie in vorangegangenen Publikationen berichtet [1, 2], wurden für die Krebsinzidenzen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen ermittelt.
Fortgeschrittene Krebsstadien (metastasierend oder tödlich) wurden jedoch bei signifikant weniger Patienten in der Vitamin D-Gruppe (226 von 12.927 Patienten [1,7%]) als in der Placebo-Gruppe 274 von 12.944 Patienten [2,1%]) festgestellt (HR 0,83 [95%-KI 0,69-0,99]; P = 0,04).
Bei einer Stratifizierung nach BMI zeigte sich im Vitamin-D-Arm eine metastasierende oder tödliche Krebserkrankung bei signifikant weniger Personen mit normalem BMI (BMI <25: HR 0,62 [95%-KI 0,45-0,86]) als bei Personen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit (BMI 25 bis <30: HR 0,89 [95%-KI 0,68-1,17]; BMI ≥30: HR 1,05 [95%-KI 0,74-1,49]) (P = 0,03 für die Interaktion des BMI).
Fazit
In dieser randomisierten klinischen Studie reduzierte die Supplementierung mit hochdosiertem Vitamin D3 über fünf Jahre die Inzidenz von fortgeschrittenem (metastasiertem oder tödlichem) Krebs in der Gesamtkohorte von erwachsenen Probanden ohne Krebserkrankung zu Beginn der Studie. Die stärkste Risikoreduktion wurde bei Personen mit normalem Gewicht beobachtet.
Die Studie ist auf ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT01169259 registriert. Die Studie wurde von verschiedenen nationalen Gesundheitsinstituten unterstützt. Die Prüfpräparate wurden von Pharmavite LLC, Pronova BioPharma und BASF kostenlos zur Verfügung gestellt. Quest Diagnostics analysierte kostenlos Serum-25-hydroxyvitamin D.