Häufigkeit von Long COVID bei Kindern und Jugendlichen

Symptome wie Müdigkeit und Leistungsminderung, die einige Zeit nach einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus auftreten, werden als Long oder Post COVID-Syndrom bezeichnet. Die Häufigkeit dieser Erkrankung unterscheidet sich bei Kindern und Jugendlichen.

Erschöpfung Mädchen

Fälle von COVID-19, die stationär behandelt werden müssen, treten laut Daten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) insbesondere bei Kindern unter einem Jahr bzw. während der ersten drei Lebensmonate auf. Von den bisher gemeldeten 4.919 stationären COVID-19-Aufnahmen bei Kindern und Jugendlichen (Stand 3. April 2022) mussten jedoch nur 3,6% (179) auf die Intensivstation verlegt werden. Demnach erkranken Kinder in wenigen Fällen schwer. Es stellt sich jedoch die Frage, welche langfristigen Auswirkungen eine Infektion mit dem Coronavirus für die jüngeren Altersgruppen haben kann.

Im Rahmen des mRNA-Kongresses der Firma BioNTech am 2. April 2022 befasste sich Prof. Dr. Philipp Henneke, Leiter der Pädiatrischen Infektiologie und Rheumatologie der Uniklinik Freiburg, in seinem Vortrag mit dem Thema Long COVID bei Kindern und Jugendlichen.

PIMS/MIS-C vs. Long COVID

Bei dem sehr seltenen pädiatrischen inflammatorischen Multisystem-Syndrom (PIMS) bzw. entzündlichen Multisystem-Syndrom bei Kindern (MIS-C) handelt es sich um eine systemische Entzündungsreaktion, die zeitlich mit einer Coronavirus-Infektion assoziiert ist. Die betroffenen Kinder sind im Mittel acht Jahre alt. Ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung haben Jungen und adipöse Kinder. Typische Symptome sind unter anderem Fieber, gelegentlich Ausschlag und respiratorische Zeichen, häufig eine Herz-Muskel-Beteiligung sowie akute abdominelle Beschwerden.

Davon abzugrenzen ist das Long oder Post COVID-Syndrom. Während das PIMS eher als Teil der Erkrankung, der spät (drei bis vier Wochen nach der akuten Infektion) auftritt, zu verstehen ist, tritt Long COVID in der Regel etwa drei Monate nach der Infektion über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten auf. Typische Symptome sind Müdigkeit, Kurzatmigkeit und kognitive Dysfunktion, die sich nicht durch alternative Diagnosen erklären lassen. Die Symptome treten zwar neu auf, können jedoch fluktuieren.

Einteilung

Man unterscheidet drei Entitäten von Long COVID.

  • Zustand nach Hospitalisierung mit z.T. intensivmedizinischer Behandlung, persistierender Luftnot, Leistungsminderung (Lungenfibrose, Neuro-/ Myopathie)
  • Variable Beschwerden, insbesondere Konzentrationsstörungen, Müdigkeit ohne schwere Beeinträchtigung im Alltag
  • Variable Beschwerden, insbesondere Konzentrationsstörungen, Müdigkeit mit schwerer Beeinträchtigung im Alltag

Eine bevölkerungsbezogene Studie aus Baden-Württemberg konnte einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung bzw. der Hospitalisierung und der Dauer der Symptome feststellen. Gerade im Jugendalter ist Long COVID allerdings aufgrund der unspezifischen Symptomatik schwer zu erfassen.

Long COVID bei Kindern und Jugendlichen

Henneke selbst führt mit einem Wissenschaftlerteam eine Studie an Familien (1.267 Teilnehmende aus 341 Haushalten) durch, die einen detaillierten Fragebogen ausfüllten und entweder selbst mit SARS-CoV-2 infiziert oder dem Virus ausgesetzt waren.

Asymptomatischer Verlauf trotz starker Immunreaktion

Es zeigte sich ein deutlich erhöhter Anteil asymptomatischer statt symptomatischer Fälle bei Kindern unter 14 Jahren bei gleichzeitig stärkeren und langanhaltenden serologischen Antworten. Demnach lasse sich gerade bei Kindern von der Symptomatik nicht auf die Immunreaktion schließen, so Henneke.

Long COVID alters- und geschlechtsspezifisch

Im weiteren Verlauf der Studie konnte festgestellt werden, dass Kinder unter 14 Jahren keine Anzeichen für Long COVID-Symptome aufweisen. Im Gegensatz dazu trat Long COVID insbesondere bei weiblichen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren auf. Etwa 21,4% der infizierten Mädchen und Frauen zeigten nach 11 bis 12 Monaten noch Symptome wie Müdigkeit und Leistungsminderung. Unter den Uninfizierten waren es 6,7%.

Long COVID als Familienerkrankung

Interessanterweise zeigten sich zudem familiäre Effekte der Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit eine Post COVID-Symptomatik zu entwickeln, stieg pro schwerem Symptom innerhalb der Familie um 12% – und das auch bei nicht-infizierten Personen. Der Effekt war ebenfalls geschlechtsspezifisch und wurde vor allem bei weiblichen Personen beobachtet.

Henneke schließt daraus, dass es sich bei Long COVID um eine Familienerkrankung handelt. Er erklärte, dass auch Uninfizierte Symptome aufweisen, zeige die Komplexität der Einflüsse, die eine Rolle bei der Entstehung von Long-COVID spielen, auf. Es sei wichtig, die Betroffenen ernst zu nehmen, da teilweise ein hoher Leidensdruck bestünde. Weitere Untersuchungen hierzu sind nötig.

Autor:
Stand:
05.04.2022
Quelle:
  1. DGPI: COVID-19-Survey Update: 2022, Kalenderwoche 13 (Stand: 03.04.2022)
  2. mRNA-Kongress BioNTech: Symposium 3: Pädiatrie. Prof. Dr. Philipp Henneke: Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen (02.04.2022)
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige