Vermehrtes Auftreten von Hepatitis in Großbritannien

In Großbritannien sind seit Januar 2022 vermehrt Fälle akuter Hepatitiden bei Kindern aufgetreten. Die britischen Gesundheitsbehörden untersuchen derzeit mögliche Ursachen. In Deutschland sind bisher keine vergleichbaren Fälle aufgetreten.

Leber Kind

Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) informiert über eine ungewöhnlich hohe Anzahl von schwerer akuter Hepatitis bei Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahren. Zwischen Januar und Mitte April 2022 wurden 74 Fälle detektiert, bei denen die üblichen Hepatitisviren (Hepatitis A bis E) nicht nachgewiesen wurden. Von den bestätigten Fällen kommen 49 aus England, 13 aus Schottland und die übrigen aus Wales und Nordirland. Mittlerweile wurden auch neun Fälle von akuter Hepatitis bei Kindern im Alter von einem bis sechs Jahren im US-Bundesstaat Alabama gemeldet. Die UKHSA arbeitet mit dem National Health Service (NHS) und Mitarbeitern des öffentlichen Gesundheitswesens in ganz Großbritannien zusammen, um die Ursache zu ermitteln.

Hepatitis bei Kindern

Bei Hepatitis handelt es sich um eine Entzündung der Leber, die in der Regel durch die Hepatitisviren A bis E verursacht wird. Allerdings können auch andere Erreger wie das Epstein-Barr-Virus (Pfeiffersches Drüsenfieber) oder das Zytomegalievirus mit einer Leberbeteiligung einhergehen. Bei Kindern treten akute Virushepatitiden eher selten auf und verlaufen meist asymptomatisch oder mild. Mögliche Symptome sind beispielsweise:

  • Dunkler Urin und oder blasser, grau gefärbter Kot
  • Juckende Haut
  • Gelbfärbung der Augen und der Haut (Gelbsucht)
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Hohes Fieber
  • Krankheitsgefühl, ungewöhnliche ständige Müdigkeit
  • Appetitlosigkeit und Schmerzen im Bauch

Krankheitsbild in GB

Die betroffenen Kinder in Großbritannien waren meistens zwischen zwei und fünf Jahre alt. Es traten häufig erhöhte Transaminasen (Aspartat-Transaminase (AST) oder Alanin-Aminotransaminase (ALT) >500 IU/L) sowie Gelbsucht auf, die gelegentlich mit gastrointestinalen Symptomen und insbesondere Erbrechen einhergingen. In einigen Fällen kam es zu akutem Leberversagen, sodass eine Verlegung in spezialisierte Kinderleberstationen erforderlich wurde. Bei einer geringen Anzahl der Kinder war eine Lebertransplantation notwendig.

Adenoviren als mögliche Ursache

Das britische Untersuchungsteam hält aufgrund der klinischen und epidemiologischen Merkmale der untersuchten Fälle eine infektiöse Ursache für sehr wahrscheinlich.

Als mögliche Auslöser für die Erkrankung werden derzeit Adenoviren (Serotyp 41F) untersucht, auf die einige der betroffenen Kinder, darunter auch die amerikanischen Fälle, positiv getestet wurden. Bei Adenoviren handelt es sich um eine Virusfamilie, die in der Regel verschiedene milde Erkrankungen verursacht mit Symptomen wie Erkältungsanzeichen, Erbrechen oder Durchfall. Eine Hepatitis ist eine bekannte, aber seltene Komplikation der Adenoviren. Bei den aktuellen pädiatrischen Fällen in UK könnte laut Robert-Koch-Institut (RKI) eine neue Variante zirkulieren, die bei Kindern eine schwere Hepatitis verursacht.

Hygienemaßnahmen schützen vor Infektion

Die Übertragung erfolgt normalerweise von Mensch zu Mensch durch Berührung kontaminierter Oberflächen oder über die Atemwege. Dementsprechend kann die Verbreitung der Adenoviren durch gute Hand- und Atemwegshygiene vermindert werden. Bei Kindern sollte demnach auf gründliches Händewaschen geachtet werden.

Weitere mögliche Ursachen

Neben Adenoviren werden auch das Coronavirus SARS-CoV-2, weitere Infektionen und Umweltfaktoren untersucht. Ein Zusammenhang mit den COVID-19-Impfstoffen kann laut UKHSA ausgeschlossen werden, da keines der betroffenen Kinder mit den Vakzinen geimpft war.

Auch Rodeck hält einen Zusammenhang mit dem Coronavirus zwar theoretisch für denkbar, aber nicht sehr plausibel. Alle beschriebenen Kinder seien durch ein SARS-CoV-2-Screening gegangen, das überzufällig häufig positiv hätte ausfallen müssen. Für wahrscheinlicher hält der Kindergastroenterologe, dass mit den Lockerungen in Großbritannien zunehmend Kinder und Jugendliche in relativ kurzer Zeit auf einmal vielen Keimen ausgesetzt sind, mit denen sie zuvor aufgrund diverser Lockdown- oder anderer Maßnahmen kaum in Kontakt kamen. Grundsätzlich sei das auch ein Szenario, das in Deutschland bei weitgehenden Lockerungen auftreten könne.

Situation in Deutschland

Die Zahl der bislang aus der EU berichteten Fälle ist laut RKI noch schwer einzuordnen. Zwar berichten einzelne Länder über der Zahl der zu erwartenden Fälle zu liegen, allerdings spiele die aktuell erhöhte Aufmerksamkeit dabei wahrscheinlich eine große Rolle. Zudem sei die derzeit verwendete Falldefinition aufgrund der unbekannten Krankheitsursache bisher wenig spezifisch.

„Diese Fallzahlen aus Großbritannien haben uns jetzt noch nicht unbedingt beunruhigt, aber doch aufmerksam werden lassen.“, so PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) und Kindergastroenterologe. Über die Fachgesellschaften hat die DGKJ ebenso wie das RKI eine Abfrage zu vergleichbaren Fällen hierzulande gestartet. Dem RKI wurde aus Deutschland bislang ein Fall mit Erkrankungsbeginn im Janauar 2022 übermittelt, der der WHO-Falldefinition entspricht.

Meldepflicht und Probeneinsendung

Das Robert-Koch-Institut bittet um erhöhte Aufmerksamkeit bei unklaren Fällen von akuter Hepatitis oder Leberversagen bei Kindern unter 16 Jahren und Beachtung der Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz an das zuständige Gesundheitsamt. Es sollten alle zurückliegenden Fälle, die seit dem 01.01.2022 aufgetreten sind, gemeldet und erfasst werden. Bei dem Nachweis von Adenoviren bittet das RKI um telefonische Kontaktaufnahme mit dem Konsiliarlabor für Adenoviren sowie die Einsendung einer Blut- und einer Stuhlprobe zur weiteren Diagnostik, Typisierung und Sequenzierung.

Die EU/EWR-Mitgliedstaaten können außerdem Informationen über entsprechende Verdachtsfälle über die EpiPulse-Plattform des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) weitergeben, um die Untersuchungen zu erleichtern.

Autor:
Stand:
27.04.2022
Quelle:
  1. ECDC: Increase in acute hepatitis of unknown origin among children – United Kingdom (12.04.2022)
  2. ECDC: Update: Hepatitis of unknown origin in children (19.04.2022)
  3. RKI: Fälle akuter Hepatitis unklarer Ätiologie (non A bis E) bei Kindern (Stand: 26.04.2022)
  4. Science Media Center: Häufung von Hepatitis-Fällen bei Kindern in Großbritannien (14.04.2022)
  5. UKHSA: Increase in hepatitis (liver inflammation) cases in children under investigation (zuletzt abgerufen am 20.04.2022)
  6. WHO: Akute Hepatitis unbekannter Ätiologie – Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (15.04.2022)
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