Acalabrutinib
Acalabrutinib ist ein Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor (BTKi) der zweiten Generation, der zur Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL), der häufigsten Form der Leukämie bei Erwachsenen, zugelassen ist. Der Wirkstoff ist der erste zugelassene BTKi für therapienaive Patienten mit rezidivierender/ refraktärer CLL mit minimaler Off-target Aktivität.
Acalabrutinib: Übersicht

Anwendung
Acalabrutinib ist unter dem Handelsnamen Calquence in Deutschland zugelassen als:
- als Monotherapie oder in Kombination mit Obinutuzumab zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nicht vorbehandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) indiziert.
- als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit CLL, die mindestens eine Vorbehandlung erhalten haben.
Anwendungsart
Acalabrutinib ist in Form von Kapseln für die orale Anwendung auf dem deutschen Markt verfügbar.
Wirkmechanismus
Der BTK-Inhibitor Acalabrutinib bindet kovalent an die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) und hemmt dadurch deren Aktivität. Die BTK-Signalkaskade führt in B-Zellen zur Aktivierung von Signalwegen, die für die Proliferation, den Transport, die Chemotaxis sowie die Adhäsion von B-Zellen erforderlich sind.

Pharmakokinetik
Resorption
- Die Zeit bis zur maximalen Plasmakonzentration (Tmax) betrug bei Acalabrutinib 0,5 bis 1,5 Stunden und bei ACP-5862 1,0 Stunden.
- Die absolute Bioverfügbarkeit betrug 25%.
Einfluss von Nahrung auf Acalabrutinib
- Bei gesunden Probanden führte die Gabe einer Einzeldosis von 75 mg Acalabrutinib mit einer fettreichen, kalorienreichen Nahrung zu keiner Veränderung der mittleren AUC im Vergleich zu einer Dosierung auf nüchternen Magen.
- Die resultierende Cmax verringerte sich um 69% und die Tmax verzögerte sich um ein bis zwei Stunden.
Verteilung
- Die reversible Bindung an humanes Plasmaprotein betrug bei Acalabrutinib 97,5% und bei ACP-5862 98,6%.
- Das mittlere Blut/Plasma-Verhältnis in vitro betrug 0,8 für Acalabrutinib und 0,7 für ACP-5862.
- Das mittlere Verteilungsvolumen im Steady-State (Vss ) betrug für Acalabrutinib etwa 34l.
Biotransformation/Metabolisierung
- In vitro wird Acalabrutinib vor allem über CYP3A-Enzyme metabolisiert sowie in geringerem Maße über Glutathionkonjugation und Amidhydrolyse.
- ACP-5862 wurde als Hauptmetabolit im Plasma identifiziert. Dieser wurde vor allem über eine CYP3A-vermittelte Oxidation weiter metabolisiert, mit einem geometrischen Mittelwert der Exposition (AUC), der etwa 2- bis 3-mal höher war als die Exposition gegenüber Acalabrutinib.
- ACP-5862 ist um etwa 50% weniger wirksam als Acalabrutinib in Bezug auf die BTK-Inhibition.
- In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass Acalabrutinib in klinisch relevanten Konzentrationen kein Inhibitor von CYP1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, UGT1A1 oder UGT2B7 ist und wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Clearance von Substraten dieser CYPs hat.
- In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass ACP-5862 in klinisch relevanten Konzentrationen kein Inhibitor von CYP1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP3A 4/5, UGT1A1 oder UGT2B7 ist und wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Clearance von Substraten dieser CYP hat.
Wechselwirkungen mit Transportproteinen
- In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass Acalabrutinib und ACP-5862 Substrate von P-gp und BCRP sind. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die gleichzeitige Anwendung mit BCRP-Inhibitoren zu klinisch relevanten Wechselwirkungen führt.
- Eine gleichzeitige Anwendung mit einem OATP1B1/1B3-Inhibitor (Einzeldosis von 600 mg Rifampicin) führte zu einer Erhöhung der Cmax und AUC von Acalabrutinib um das 1,2- bzw. 1,4-Fache (n=24 gesunde Probanden). Die Werte sind nicht klinisch relevant.
- Acalabrutinib und ACP-5862 sind in klinisch relevanter Konzentration keine Inhibitoren von P-gp, OAT1, OAT3, OCT2, OATP1B1, OATP1B3 und MATE2-K.
- Acalabrutinib kann BCRP im Darm hemmen, während ACP-5862 in klinisch relevanter Konzentration ein Inhibitor von MATE1 sein kann.
- Acalabrutinib ist kein Inhibitor von MATE1, während ACP-5862 in klinisch relevanter Konzentration kein Inhibitor von BCRP ist.
Elimination
- Nach einer Einzeldosis von 100 mg Acalabrutinib peroral betrug die terminale Eliminationshalbwertszeit (t1/2) von Acalabrutinib 1 bis 2 Stunden (median).
- Die t1/2 des aktiven Metaboliten ACP-5862 betrug ungefähr 7 Stunden.
- Der Mittelwert der scheinbaren oralen Clearance (CL/F) betrug 134 l/h für Acalabrutinib und 22 l/h für ACP-5862 bei Patienten mit B-Zell-Malignomen.
- Nach Anwendung einer Einzeldosis von 100 mg radioaktiv markiertem [14C]-Acalabrutinib bei gesunden Probanden wurden 84% der Dosis in den Fäzes und 12% im Urin wiedergefunden.
- Weniger als 2% der Dosis wurden als unverändertes Acalabrutinib ausgeschieden.
Besondere Patientengruppen
- Populationsbezogene pharmakokinetische Untersuchungen zeigten, dass Alter (>18 Jahre), Geschlecht, Ethnie (Kaukasier, Afroamerikaner) und Körpergewicht keine klinisch relevanten Auswirkungen auf die PK von Acalabrutinib und seinem aktiven Metaboliten ACP-5862 haben.
Dosierung
Die empfohlene Dosis von Acalabrutinib beträgt 100 mg alle zwölf Stunden entsprechend einer Tagesgesamtdosis von 200 mg. Patienten sollten die Kapsel im Ganzen mit Wasser schlucken. Wenn eine Dosis um mehr als 3 Stunden versäumt wird, sollte sie übersprungen werden und die nächste Dosis zu der regulären Zeit eingenommen werden.
Nebenwirkungen
Unter der Anwendung Acalabrutinib von kam es sehr häufig (≥ 1/10) zu folgenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen:
- Infektion der oberen Atemwege
- Sinusitis
- Sekundäre Primärtumoren
- Neutropenie
- Anämie
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Prellungen
- Petechien
- Hämorrhagie/Hämatom
- Diarrhoe
- Übelkeit
- Obstipation
- Erbrechen
- Abdominalschmerzen
- Hautausschlag
- Muskuloskelettale Schmerzen
- Arthralgie
- Fatigue
- Absolute Neutrophilenzahl, Hämoglobin, Thrombozyten reduziert
Blutungen
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen traten schwere Blutungsereignisse, einschließlich intrakranieller und gastrointestinaler Blutungen, einige mit tödlichem Ausgang, auf. Diese Ereignisse traten sowohl bei Patienten mit als auch ohne Thrombozytopenie auf. Insgesamt handelte es sich bei den Blutungsereignissen um weniger schwere Ereignisse, einschließlich Hämatome und Petechien.
Infektionen
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen traten schwerwiegende Infektionen (hervorgerufen durch Bakterien, Viren oder Pilze), einschließlich Ereignisse mit tödlichem Ausgang, auf. Diese Infektionen traten vorwiegend bei Nichtvorhandensein von Neutropenie des Grades 3 oder 4 auf, wobei bei 1,9% aller Patienten eine neutropenische Infektion beobachtet wurde.
Weiterhin traten Infektionen aufgrund von Reaktivierungen des Hepatitis-B-Virus (HBV) und Herpes-Zoster-Virus (HZV) sowie Aspergillosen und progressive multifokale Leukoenzephalopathien (PML) auf.
Sekundär auftretende Primärtumoren
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen traten sekundäre Primärtumoren auf, einschließlich Hautkrebs und weißer Hautkrebs. Hautkrebs wurde häufig berichtet. Die Patienten sollten deshalb auf das Auftreten von Hautkrebs überwacht und auf Sonnenschutz hingewiesen werden.
Vorhofflimmern
Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen trat während der behandlung Vorhofflimmern/-flattern auf. Patienten sollten auf Symptome von Vorhofflimmern und Vorhofflattern überwacht werden (z. B. Palpitationen, Schwindel, Synkope, Brustschmerz, Dyspnoe).
Bei medizinischer Indikation sollte ein EKG abgeleitet werden. Bei Patienten, die ein Vorhofflimmern unter der Therapie entwickeln, sollte eine sorgfältige Überprüfung des Risikos für eine thromboembolische Erkrankung vorgenommen werden.
Bei Patienten mit einem hohen Risiko für eine thromboembolische Erkrankung sollten eine engmaschig kontrollierte Behandlung mit Antikoagulanzien und alternative Behandlungsoptionen zu Acalabrutinib in Betracht gezogen werden.
Wechselwirkungen
Bei der Anwendung von Acalabrutinib kann es zu Wechselwirkungen mit folgenden Verbindungen kommen:
- CYP3A4-Inhibitoren: Erhöhung der Acalabrutinib-Plasmakonzentration möglich
- CYP3A4-Induktoren: Reduktion der Acalabrutinib-Plasmakonzentration möglich
- Protonenpumpenhemmer, H2-Rezeptorantagonisten oder Antacida: Reduktion der Acalabrutinib-Plasmakonzentration möglich
Kontraindikation
Acalabrutinib darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft
Es liegen keine oder nur unzureichende Daten zur Anwendung von Acalabrutinib bei schwangeren Frauen vor. Auf Grundlage von Ergebnissen aus tierexperimentellen Studien kann ein Risiko für den Fötus durch eine Acalabrutinib-Exposition während der Schwangerschaft bestehen. In einer Studie an Ratten wurde Dystokie (schwieriger oder langwieriger Geburtsverlauf) beobachtet und die Verabreichung an trächtige Kaninchen war mit einem verminderten fötalen Wachstum verbunden.
Acalabrutinib sollte deshalb während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der klinische Zustand der Frau erfordert eine Behandlung mit Acalabrutinib.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Acalabrutinib beim Menschen in die Muttermilch übertritt. Es liegen keine Daten darüber vor, ob sich Acalabrutinib auf den gestillten Säugling oder auf die Milchproduktion auswirkt. Acalabrutinib und sein aktiver Metabolit fanden sich in der Milch laktierender Ratten. Ein Risiko für den Säugling kann nicht ausgeschlossen werden, weshalb stillenden Müttern geraten wird, während der Behandlung und 2 Tage nach Erhalt der letzten Dosis nicht zu stillen.
Verkehrstüchtigkeit
Acalabrutinib hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Während der Behandlung kann jedoch Fatigue und Schwindel auftreten. Patienten, bei denen diese Symptome auftreten, sollten angewiesen werden, bis zum Abklingen der Symptome keine Fahrzeuge zu führen oder Maschinen zu bedienen.
Studienlage
Die Entscheidung zur Zulassung von Calquence durch die Europäische Kommission beruht auf den positiven Ergebnissen der klinischen Phase-III-Studien ELEVATE TN bei zuvor unbehandelten CLL Patienten und ASCEND.
ELEVATE TN
ELEVATE TN (ACE-CL-007) war eine offene, randomisierte und multizentrische Phase-lll-Studie, in der die Sicherheit und Wirksamkeit von Acalabrutinib in Kombination mit dem monoklonalen CD20-Antikörper Obinutuzuma, oder Acalabrutinib allein im Vergleich zu der Chemotherapie mit Chlorambucil in Kombination mit Obinutuzumab bei zuvor unbehandelten CLL-Patienten untersucht wurde. Eingeschlossen wurden Patienten ab 65 Jahren oder zwischen 18 und 65 Jahren mit einem CIRS (Cumulative Illness Rating Scale) > 6 oder einer Kreatinin-Clearance von 30 bis 69 ml/min. Insgesamt wurden 535 Patienten randomisiert zu drei Behandlungsarmen zugewiesen (1:1:1).
- Behandlungsarm: Chlorambucil in Kombination mit Obinutuzumab
- Behandlungsarm: Acalabrutinib (100 mg ca. alle 12 Stunden bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität) in Kombination mit Obinutuzumab.
- Behandlungsarm: Acalabrutinib-Monotherapie (100 mg alle 12 Stunden bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität).
Als primären Endpunkt wurde das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) im Acalabrutinib- und Obinutuzumab-Arm im Vergleich zum Chlorambucil- und Obinutuzumab-Arm, bewertet. Zu den sekundären Endpunkten zählten das PFS im Acalabrutinib-Monotherapie-Arm im Vergleich zum Chlorambucil- und Obinutuzumab-Arm sowie die Gesamtansprechrate, die Zeit bis zur Folgetherapie und das Gesamtüberleben.
Ergebnisse
In Kombination mit Obinutuzumab und als Monotherapie verringerte Acalabrutinib bei Patienten mit zuvor unbehandelter CLL das Risiko für eine Krankheitsprogression oder Tod um 90% bzw. 80% im Vergleich zur Standard-Chemoimmuntherapie mit Chlorambucil und Obinutuzumab.
ASCEND
ASCEND (ACE-CL-309) war eine offene, globale, randomisierte und multizentrische Phase-III-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit von Acalabrutinib bei zuvor behandelten CLL-Patienten. In der Studie wurden 310 Patienten randomisiert zwei Behandlungsarmen zugewiesen (1:1).
- 1. Behandlungsarm: Acalabrutinib-Monotherapie (100 mg alle 12 Stunden bis bis zur Progression der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität).
- 2. Behandlungsarm: Rituximab (CD20-Antikörper) in Kombination mit Idelalisib (PI3K-Inhibitor), oder Rituximab in Kombination mit Bendamustin (Chemotherapie)
Primärer Endpunkt war das PFS. Zu den sekundären Endpunkten zählten das PFS, das Gesamtansprechen, die Dauer des Ansprechens sowie das Gesamtüberleben und die Zeit bis zur Folgetherapie.
Ergebnisse
Die Acalabrutinib-Therapie führte bei 88% der Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL nach 12 Monaten zu keiner Progression oder Tod, verglichen mit 68% der Patienten unter Rituximab in Kombination mit Idelalisib oder Bendamustin.
Wirkstoff-Informationen
- EMA: Calquence
- The Lancet: Acalabrutinib with or without obinutuzumab versus chlorambucil and obinutuzumab for treatment-naive chronic lymphocytic leukaemia (ELEVATE-TN): a randomised, controlled, phase 3 trial
- Prescribing information: Calquence
- Fachinformation: Calquence
Abbildung:
Adapted from „BCR Downstream Signaling ”, by BioRender.com (2020)
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Calquence 100 mg Abacus Filmtabletten
Abacus Medicine A/S
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Calquence 100 mg axicorp Filmtabletten
axicorp Pharma B.V.
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Calquence 100 mg axicorp Hartkapseln
axicorp Pharma B.V.
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Calquence 100 mg CC Pharma Filmtabletten
CC Pharma GmbH
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Calquence 100 mg Eurim Filmtabletten
Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH
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Calquence® 100 mg Filmtabletten
AstraZeneca GmbH GB Spezialvertrieb
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Calquence® 100 mg Hartkapseln
AstraZeneca GmbH GB Spezialvertrieb
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Calquence 100 mg kohlpharma Filmtabletten
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Calquence 100 mg NMG Pharma Filmtabletten
NMG Pharma GmbH
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Calquence 100 mg Orifarm Filmtabletten
Orifarm GmbH
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Calquence 100 mg SynCo pharma Filmtabletten
SynCo pharma B.V.
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Calquence 100 mg SynCo pharma Hartkapseln
SynCo pharma B.V.