Acebutolol
Acebutolol ist ein Betablocker zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem von Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen. Acebutolol ist ein kardioselektiver Beta-1-Blocker mit intrinsischer sympathomimetischer Aktivität.
Acebutolol: Übersicht

Anwendung
Acebutolol ist indiziert für die Behandlung von Hypertonie, Koronare Herzkrankheit und tachykarde Herzrhythmusstörungen. Acebutolol gehört zur Wirkstoffgruppe der Beta-Adrenozeptor-Antagonisten, die auch als Betablocker bezeichnet werden.
Wirkmechanismus
Betablocker verdrängen Katecholamine von den β-Adrenozeptoren indem sie vornehmlich β1-Rezeptoren blockieren, die sich bevorzugt in den Herzkranzgefäßen befinden. Eine Blockade der β1-Rezeptoren, die normalerweise durch Noradrenalin und Adrenalin erregt werden, wirkt negativ chronotrop (Herzfrequenz ↓), dromotrop (Leitungsgeschwindigkeit ↓), inotrop (Kontraktilität ↓) und bathmotrop (Erregbarkeit des Herzenz ↓).
Beta-Blocker vermindern:
- die Herzfrequenz
- die Kontraktilität
- das Herzschlagvolumen
- die Noradrenalinfreisetzung
- den peripheren Gefäßwiderstand
- die Reaktion auf Katecholamine unter Belastung
- den venösen Rückfluss

Pharmakokinetik
Resorption
- Nach oraler Einnahme wird Acebutolol rasch aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert.
- Acebutolol unterliegt einem ausgeprägten First-pass-Effekt.
- Die systemische Verfügbarkeit für Acebutolol liegt zwischen 40 und 60%.
- Maximale Plasmaspiegel werden nach ca. 2,5 Std. erreicht.
- Die Plasmaproteinbindung von Acebutolol beträgt ca. 25% und das relative Verteilungsvolumen 1,2 l/kg.
Metabolisierung
- Acebutolol wird in der Leber metabolisiert, wobei der aktive Metabolit Diacetolol (N-Acetylacebutolol) gebildet wird, der ebenfalls betablockierende Wirkung besitzt.
- Maximale Plasmaspiegel für Diacetolol werden nach ca. 3,5 Std. erreicht.
- Bei deutlich eingeschränkter Leberfunktion ist die Metabolisierungsrate von Acebutolol reduziert.
Elimination
- Acebutolol wird zu 10% und Diacetolol zu etwa 20% renal eliminiert, der Rest extrarenal.
- Die Eliminationshalbwertszeit von Acebutolol liegt bei ca. 4 Stunden, die von Diacetolol bei normaler Nierenfunktion im Durchschnitt zwischen 7 und 13 Stunden.
- Bei schweren Nierenfunktionsstörungen erhöht sich die Eliminationshalbwertszeit von Diacetolol auf das 2 - 3fache, die Eliminationshalbwertszeit für Acebutolol verändert sich nicht.
Dosierung
Zur Behandlung der Hypertonie beträgt die empfohlene Dosis 200 mg Acebutolol. Falls erforderlich kann die Tagesdosis nach einer Woche auf einmal täglich 400 mg erhöht werden.
Bei Koronarer Herzkrankheit wird die Behandlung mit einmal täglich 400 mg oder zweimal täglich 200 mg Acebutolol begonnen. Falls erforderlich kann die Tagesdosis auf bis zu 800 mg Acebutolol erhöht werden.
Zur Behandlung von tachykarden Herzrhythmusstörungen wird empfohlen Acebutolol zwei bis dreimal täglich in einer Dosis von 200 mg (entsprechend 400 - 600 mg Acebutolol) einzunehmen.
Nebenwirkungen
Betablocker können auch an β2-Rezeptoren der Lunge binden und so zu einer Bronchokonstriktion führen. Dementsprechend ist eine hohe Beta-1-Selektivität von Vorteil. Der β1-selektivste Wirkstoff ist Bisoprolol. Weiterhin kann es zu einer verminderten Hautdurchblutung, Müdigkeit, Bradykardie, Kopfschmerzen und Belastungsdyspnoe kommen. Es ist außerdem zu beachten, dass Betablocker die Symptome einer Hypoglykämie verschleiern, da diese auf einer Adrenalinausschüttung beruhen.
Wechselwirkungen
Bei der Anwendung von Betablockern sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:
- Anwendung anderer Antihypertonika oder Arzneimittel, die eine Hypotonie oder Bradykardie auslösen können: Wirkungen addieren sich und eine Hypotonie oder Bradykardie kann verstärkt werden.
- Calciumkanalantagonisten wie Verapamil und – in geringerem Ausmaß – Diltiazem wirken sich negativ auf die Kontraktilität und AV-Überleitung aus. Diese Kombination nicht bei Patienten mit Reizleitungsstörungen anwenden.
- Calciumkanalantagonisten wie Nifedipin können zu einem erhöhten Hypotonie-Risiko führen. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, die mit Calciumkanalantagonisten behandelt werden, kann eine Behandlung mit Betablockern zu Herzversagen führen.
- Antiarrhythmika der Klasse I (z. B. Disopyramid, Chinidin) und Amiodaron können die Wirkung auf die atriale Überleitungszeit verstärken und negativ inotrope Wirkungen hervorrufen.
- Insulin oder orale Antidiabetika: Blutzuckersenkende Wirkung kann verstärkt werden (vor allem bei nicht-selektiven Betablockern).
- Anästhetika: Abschwächung der Reflextachykardie und erhöhtes Hypotonie-Risiko möglich. Eine Fortsetzung der Beta-Blockade reduziert das Risiko von Herzrhythmusstörungen während der Narkoseeinleitung und Intubation.
- Ganglienblocker können die blutdrucksenkende Wirkung verstärken.
- NSAIDs können die blutdrucksenkenden Wirkungen von Betablockern verringern.
- Trizyklische Antidepressiva (wie z. B. Imipramin und Amitriptylin), Barbiturate oder Phenothiazine (wie z. B. Chlorpromazin) sowie andere Antipsychotika (wie z. B. Clozapin) können die blutdrucksenkende Wirkung verstärken.
- Patienten, die Betablocker anwenden, reagieren möglicherweise nicht auf die Dosen Epinephrin, die üblicherweise zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen eingesetzt werden.
- Bei gleichzeitiger Verabreichung von Beta-Sympathomimetika muss mit antagonistischen Effekten gerechnet werden.
- Katecholamin-depletierende Arzneimittel wie z. B. Reserpin können eine additive Wirkung haben.
- Moxonidin oder α2-Antagonisten (wie z. B. Clonidin) erhöhen das Risiko einer Rebound-Hypertonie nach Absetzen des Arzneimittels.
- Ergot-Derivate können zu schwerer peripherer Vasokonstriktion und Hypertonie führen.
- Bei gleichzeitiger intravenöser Anwendung von Digoxin können die Digoxin-Blutspiegel ansteigen.
- Digitalisglykoside können bei gleichzeitiger Anwendung zudem die AV-Überleitungszeit verlängern.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder andere Betablocker
- dekompensierte oder manifeste Herzinsuffizienz
- kardiogener Schock
- AV-Überleitungsstörungen
- Sinuskopen-Syndrom
- sinuatrialer Block
- Bradykardie
- Hypotonie
- Azidose
- Obstruktive Atemwegserkrankungen
- periphere Durchblutungsstörungen
- unbehandeltes Phäochromozytom
- schlecht eingestellter Diabetes mellitus
Schwangerschaft
Acebutolol darf in der Schwangerschaft nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet werden.
Stillzeit
Acebutolol und sein aktiver Metabolit (N-Acetylacebutolol) werden in der Muttermilch stark angereichert. Pharmakologisch wirksame Mengen von Acebutolol können vom gestillten Neugeborenen aufgenommen werden, wenn die Mutter mit (therapeutischen Dosen) Acebutolol behandelt wird. Ist eine Behandlung während der Stillzeit erforderlich, sollte abgestillt werden.
Anwendungshinweise
Da bei Einnahme von unselektiven Betablockern auch β2-Rezeptoren der Leber blockiert werden, kommt es zu einer Hemmung der Glykogenolyse, was mit einem erhöhten Risiko für Hypoglykämie assoziiert sein kann. Darüber hinaus werden durch β1-Blockade Warnsymptome einer Hypoglykämie (Tachykardie, Tremor, Unruhe) maskiert. Diabetiker sollten deshalb bei Therapie mit Betablockern angewiesen werden auf das Hypoglykämie-Warnsymptom Schwitzen zu achten, da dieses Acetylcholin-vermittelt ist und nicht durch Betablocker beeinträchtigt wird. Generell sollte bei Diabetikern allerdings darauf geachtet werden, dass β1-selektive Betablocker angewendet werden, um die Auswirkungen auf die Gegenregulation möglichst gering zu halten.
Verkehrstüchtigkeit
Unter der Anwendung von Acebutolol kann das Reaktionsvermögen durch das Auftreten von Müdigkeit und Schwindelgefühl so weit verändert sein, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigt wird.
Alternativen
Unterscheidung der einzelnen Vertreter
Vertreter dieser Gruppe lassen sich u.a. aufgrund ihrer Selektivität zu den einzelnen β-Rezeptoren, ihrer Lipophilie, ihren membranstabilisierenden Eigenschaften und ihrer intrinsisch sympathomimetischen Aktivität unterschieden werden.Propranolol ist aufgrund seiner hohen Lipophilie ZNS-gängig und wird deshalb auch zur Behandlung von Angst eingesetzt werden. Carvedilol bewirkt neben seiner Betarezeptor-blockierenden Wirkung auch eine Blockade des α1-Adrenozeptors.
β-Rezeptoren-Affinität
Wirkstoff |
Affinität |
---|---|
Bisoprolol | β1>>β2 |
Carvedilol | β1=β2 |
Metoprolol | β1>β2 |
Propranolol | β1=β2 |
Selektive Wirkstoffe
Nicht-selektive Wirkstoffe
Betablocker mit α1-Rezeptor-blockierenden Eigenschaften
Wirkstoff-Informationen
- Medizinische Chemie; Dieter Steinhilber, Manfred Schubert-Zsilavecz, Hermann J. Roth
- Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Fachinformation Prent
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