Amivantamab
Amivantamab ist ein bispezifischer Antikörper zur Behandlung von fortgeschrittenem nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) mit EGFR-Exon-20-Insertionsmutationen nach Versagen einer platinbasierten Therapie.
Amivantamab: Übersicht
Anwendung
Amivantamab (Rybrevant) ist ein vollständig humaner EGFR- und mesenchymaler epithelialer Übergangsfaktor (MET)-bispezifischer Antikörper, der als Monotherapie indiziert ist zur Behandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und aktivierenden Exon-20-Insertionsmutationen des EGFR nach Versagen einer platinbasierten Therapie.
Nachdem Rybrevant in Deutschland seit Juni 2021 im Rahmen von Härtefallprogrammen eingesetzt werden konnte, ist es seit Dezember 2021 in der EU zugelassen und seit dem 15. Januar 2021 verfügbar.
Anwendungsart
Amivantamab ist zur intravenösen Anwendung bestimmt und wird als intravenöse Infusion nach Verdünnung mit steriler 5%iger Glukoselösung oder 0,9%iger Natriumchlorid-Injektionslösung (9 mg/ml) angewendet. Bei der Anwendung von Rybrevant muss ein Inline-Filter verwendet werden.
Die Infusionsgeschwindigkeiten sind der Fachinformation zu entnehmen.
Um das Risiko infusionbedingter Reaktionen zu reduzieren, sollen vor der ersten Anwendung Antihistaminika, Antipyretika und Glukokortikoide angewendet werden. Bei den anschließenden Dosen ist die Gabe von Antihistaminika und Antipyretika ausreichend.
Wirkmechanismus
Amivantamab ist ein vollhumaner, auf IgG1 basierender bispezifischer EGFR-MET-Antikörper, der gegen Tumore mit aktivierenden EGFR-Exon-20-Insertionsmutationen gerichtet ist. Amivantamab bindet an die extrazellulären Domänen von EGFR und MET und blockiert so die Ligandenbindung. Hierdurch wird die EGFR- und MET-Signalfunktionen unterbunden und die Degradation von EGFR und MET gefördert, wodurch Tumorwachstum und -progression verhindert werden. Die Expression von EGFR und MET auf der Oberfläche von Tumorzellen ermöglicht auch die zielgerichtete Destruktion dieser Zellen. Dies wird durch Immuneffektorzellen wie natürlichen Killerzellen und Makrophagen auf Basis antikörperabhängiger zellulärer Zytotoxizität (antibody-dependent cellular cytotoxicity, ADCC) bzw. Trogozytose erreicht.
Dosierung
Die Empfohlene Dosis von Amivantamab beträgt bei einem Körpergewicht des Patienten unter 80 kg 1.050 mg, bei einem Körpergewicht über 80 kg 1.400 mg. Das Dosierungsschema sieht in den Wochen 1 bis 4 wöchentlich eine Dosis vor (insgesamt 4 Dosen) und ab Woche 5 alle 2 Wochen eine Dosis.
Bei der ersten Infusion in Woche 1 soll die Infusionsdosis auf die Tage 1 und 2 aufgeteilt werden.
Die Behandlung soll bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Eintreten einer inakzeptablen Toxizität fortgeführt werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen von Amivantamab waren, unabhängig vom Schweregrad:
- Ausschlag (76%)
- infusionsbedingte Reaktionen (67%)
- Nageltoxizität (47%)
- Hypoalbuminämie (31%)
- Ödeme (26%)
- Ermüdung (26%)
- Stomatitis (24%)
- Übelkeit (23%)
- Obstipation (23%)
Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen gehörten Interstitielle Lungenerkrankung (1,3%), infusionsbedingte Reaktionen (1,1%) und Ausschlag (1,1%). Bei drei Prozent der Patienten wurde Amivantamab aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt. Die häufigsten Nebenwirkungen, die zum Absetzen der Behandlung führten, waren infusionsbedingte Reaktionen (1,1%), Interstitielle Lungenerkrankung (0,5%) und Nageltoxizität (0,5%).
Wechselwirkungen
Für Amivantamab wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt. Da es sich bei Amivantamab allerdings um einen monoklonalen IgG1-Antikörper handelt, sind die renale
Elimination und die enzymatische Metabolisierung in der Leber als wesentliche Eliminationswege unwahrscheinlich. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass Veränderungen von Arzneimittelmetabolisierenden Enzymen die Elimination von Amivantamab beeinträchtigen.
Darüber hinaus ist aufgrund der hohen Affinität von Amivantamab zu einem einzigartigen Epitop auf EGFR und MET nicht davon auszugehen, dass der Antikörper Arzneimittel-metabolisierende Enzyme beeinflusst.
Impfstoffe
Zu Impfungen bei Patienten, die mit Amivantamab behandelt werden, liegen keine klinischen Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit vor. Es wird deshalb angeraten die Anwendung von Lebendimpfstoffen oder abgeschwächten Lebendimpfstoffen während der Behandlung mit Amivantamab zu vermeiden.
Kontraindikationen
Amivantamab darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Schwangerschaft
Zur Beurteilung Risikos der Anwendung von Amivantamab während der Schwangerschaft liegen keine Humandatenvor und es wurden auch keine tierexperimentellen Reproduktionsstudien durchgeführt. Die Anwendung von EGFR- und MET-Inhibitoren bei trächtigen Tieren führte allerdings zu einer erhöhten Inzidenz embryofetaler Entwicklungsstörungen, embryonaler Sterblichkeit und Aborten. Aufgrund seines Wirkmechanismus und der Ergebnisse im Tiermodell könnte Amivantamab daher zu einer Schädigung des Fetus führen, weshalb der Antikörper während der Schwangerschaft nicht angewendet werden darf, es sei denn, dass der Nutzen der Behandlung für die Frau die potenziellen Risiken für den Fetus überwiegt.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Amivantamab beim Menschen in die Muttermilch übergeht. Da humane IgGs bekanntermaßen in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch übergehen und kurz
darauf auf einen niedrigen Spiegel abfallen, kann während dieser kurzen Zeit unmittelbar nach der Geburt ein Risiko für das gestillte Kind nicht ausgeschlossen werden, auch wenn die IgGs wahrscheinlich im Magen-Darm-Trakt des gestillten Kindes abgebaut und nicht resorbiert werden. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen unterbrochen oder die Amivantamab-Therapie unterbrochen/abgesetzt werden soll, wobei der Nutzen des Stillens für das Kind und der Nutzen der Therapie für die Frau berücksichtigt werden muss.
Verkehrstüchtigkeit
Amivantamab kann einen mäßigen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen haben, da z. B. Schwindelgefühl, Ermüdung/Fatigue oder Sehverschlechterung bei der Behandlung auftreten können. Wenn bei Patienten behandlungsbedingte Symptome in Bezug auf die Sehkraft auftreten, oder die ihre Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen, wird von Fahren und Bedienen von Maschinen bis zum Abklingen der Nebenwirkung abgeraten.
- PARK, Keunchil, et al. Amivantamab in EGFR exon 20 insertion-mutated non-small-cell lung cancer progressing on platinum chemotherapy: Initial results from the CHRYSALIS phase I study. 2021.
- EMA: Fachinformation Rybrevant 350 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung