Atazanavir
Atazanavir ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der HIV-Proteaseinhibitoren (PI), die in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen vorwiegend bei einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) eingesetzt werden.
Atazanavir: Übersicht

Anwendung
Der HIV-Proteaseinhibitor Atazanavir (Reyataz) ist in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir und anderen HIV-Therapeutika indiziert zur Behandlung von HIV-1-infizierten Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren.
Basierend auf den vorhandenen virologischen und klinischen Daten von Erwachsenen ist für Patienten mit Stämmen, die gegen mehrere Proteaseinhibitoren (≥ 4 PI-Mutationen) resistent sind, kein Nutzen zu erwarten.
Anwendungsart
Atazanavir ist als Hartkapsel (100, 150, 200, 300 mg) erhältlich. Die Einnahme der Kapseln sollte im Ganzen erfolgen.
Die Therapie soll nur durch einen Arzt eingeleitet werden, der in der Behandlung der HIV-Infektion erfahren ist.
Wirkmechanismus
Atazanavir ist ein azapeptidischer HIV-Proteaseinhibitor. Um neue (funktionelle) Virusproteine herzustellen, benötigt das HI-Virus die HIV-Protease, die aus hochmolekularen Vorläuferproteinen die notwendigen Virusproteine abspaltet. Dieser Prozess kann durch Atazanavir inhibiert werden.
Dabei hemmt Atazanavir selektiv das virusspezifische Processing der viralen gag-pol Proteine in HIV-1-infizierten Zellen und verhindert infolgedessen die Bildung reifer Virionen sowie die Infektion weiterer Zellen.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Atazanavir auftreten können, umfassen:
- Übelkeit und Erbrechen
- Diarrhö
- Ikterus
- Ausschlag
- Bauchschmerzen
- Dyspepsie
- Kopfschmerzen
Zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen zählen:
- Immunrekonstitutionssyndrom (entzündliche Reaktion auf asymptomatische oder residuale opportunistische Infektionen zum Zeitpunkt der Therapieeinleitung bei schwerem Immundefekt)
- Osteonekrose (bei Patienten mit Risikofaktoren, fortgeschrittener HIV-Erkrankung oder Langzeitanwendung einer antiretroviralen Therapie)
- Hauterkrankungen wie Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), Erythema multiforme, toxische Exantheme und Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS-Syndrom)
Wechselwirkungen
Eine antiretrovirale Therapie sollte immer aus einer Kombination mehrerer Wirkstoffe bestehen, wodurch sich allerdings auch das Wechselwirkungsrisiko erhöht (detaillierte wirkstoffspezifische Wechselwirkungen mit Empfehlungen zur Dosisanpassung können der Fachinformation entnommen werden).
Bei gleichzeitiger Anwendung mit Ritonavir kann das metabolische Wechselwirkungsprofil von Ritonavir ausschlaggebend sein, da Ritonavir ein stärkerer CYP3A4-Inhibitor ist als Atazanavir.
Aus diesem Grund ist die Kombination aus Atazanavir und Ritonavir ist kontraindiziert, wenn gleichzeitig Arzneimittel angewendet werden, die Substrate von CYP3A4 sind und eine geringe therapeutische Breite haben (Quetiapin, Lurasidon, Alfuzosin, Astemizol, Terfenadin, Cisaprid, Pimozid, Chinidin, Bepridil, Triazolam, oral angewendetes Midazolam, Lomitapid und Mutterkorn-Alkaloide, insbesondere Ergotamin und Dihydroergotamin).
Kontraindikationen
Atazanavir ist kontraindiziert bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
- Patienten mit mäßiger bis schwerer Leberinsuffizienz
- Gleichzeitiger Anwendung mit Simvastatin oder Lovastatin
- Kombination mit Rifampicin zusammen mit niedrig dosiertem Ritonavir
- Kombination mit dem PDE5-Inhibitor Sildenafil ausschließlich bei Anwendung zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH)
- Gleichzeitiger Anwendung von Sildenafil zur Behandlung der erektilen Dysfunktion
- Gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die Substrate der Cytochrom-P450-Isoform CYP3A4 sind und eine geringe therapeutische Breite haben wie Quetiapin, Alfuzosin, Astemizol, Terfenadin, Cisaprid, Pimozid, Chinidin, Lurasidon, Bepridil, Triazolam, oral angewendetes Midazolam (zu Vorsichtsmaßnahmen bzgl. parenteral angewendetem Midazolam siehe Fachinformation), Lomitapid und Mutterkorn-Alkaloide, insbesondere Ergotamin, Dihydroergotamin, Ergometrin, Methylergometrin
- Gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die Grazoprevir enthalten, einschließlich der fixen Kombination von Elbasvir/Grazoprevir
- Gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit der fixen Kombination von Glecaprevir/Pibrentasvir
- Gleichzeitiger Anwendung mit Präparaten, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten
Schwangerschaft
Weitergehende Erfahrungen bei schwangeren Frauen (zwischen 300-1000 Schwangerschaftsausgänge) deuten nicht auf ein Fehlbildungsrisiko von Atazanavir hin. Auch tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf eine Reproduktionstoxizität. Die Anwendung von Atazanavir mit Ritonavir während der Schwangerschaft kann demnach in Erwägung gezogen werden (vorausgesetzt der mögliche Nutzen rechtfertigt das mögliche Risiko).
Drei von 20 Säuglingen (15%), die von Frauen geboren wurden, die mit Atazanavir/Ritonavir 300/100 mg behandelt wurden und vier von 20 Säuglingen (20%), die von Frauen geboren wurden, die mit Atazanavir/Ritonavir 400/100 mg behandelt wurden, hatten Bilirubinwerte vom Grad 3-4. Es gab keine Hinweise auf einen pathologischen Ikterus und sechs von 40 Kindern in dieser Studie erhielten für maximal 4 Tage eine Lichttherapie. Es wurden keine Fälle eines Kernikterus bei Neugeborenen berichtet.
Es ist nicht bekannt, ob die Behandlung der Mutter mit Atazanavir/Ritonavir während der Schwangerschaft die physiologische Neugeborenen Hyperbilirubinämie verstärkt und zum Kernikterus bei Neugeborenen und Säuglingen führt. Im Zeitraum vor der Entbindung sollte eine zusätzliche Überwachung der Schwangeren erwogen werden.
Stillzeit
Atazanavir wurde beim Menschen in der Muttermilch nachgewiesen.
Generell wird empfohlen, dass HIV-infizierte Frauen ihre Kleinkinder auf keinen Fall stillen, um eine Übertragung von HIV auf das Kind zu vermeiden.
Verkehrstüchtigkeit
Die Patienten sollten darüber informiert werden, dass im Zusammenhang mit der Anwendung von Atazanavir über Benommenheit berichtet wurde.
Alternativen
Zur antiretroviralen Therapie (einer HIV-1-Infektion) können alternativ bzw. ergänzend folgende Wirkstoffe eingesetzt werden:
Entry-Inhibitoren
- CCR5-Antagonisten: Maraviroc
- Fusionshemmer: Enfuvirtid
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (RTI)
Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI):
Nukleotidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI):
Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI):
Integrase-Inhibitoren (INI, INSTI)
Andere HIV-Protease-Inhibitoren (PI)
- Darunavir
- Fosamprenavir
- Indinavir
- Lopinavir
- Saquinavir
- Tipranavir
- Ritonavir (meist als „Booster“, Kennzeichnung /r)
Weitere Informationen können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.
Wirkstoff-Informationen
- EMA: Reyataz
- Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
- Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- AWMF: Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion
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