Baricitinib
Baricitinib ist zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, Neurodermitis (atopische Dermatitis) und Alopecia areata indiziert. Der Wirkstoff ist ein Januskinase-Inhibitor, wodurch seine immunsuppressive Wirkung zustande kommt. Baricitinib ist der erste in Europa zugelassene Januskinase-Inhibitor.
Baricitinib: Übersicht

Anwendung
Baricitinib ist indiziert zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer aktiven rheumatoiden Arthritis bei erwachsenen Patienten, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben (als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat).
Darüber hinaus kann Baricitinib zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei erwachsenen Patienten angewendet werden, die für eine systemische Therapie infrage kommen.
Seit dem 20. Juni 2022 darf Baricitinib auch für die Behandlung von Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall) angewendet werden.
COVID-19
Durch einen virtuellen Screening-Algorithmus ist der Baricitinib zu Beginn der Coronakrise in den Fokus der Corona-Forschung gerückt, da diese zeigte, dass das Arzneimittel die ACE2-vermittelte Endozytose von SARS-CoV-2 hemmen könnte. Weiterhin könnte der Wirkstoff wie auch andere JAK-Inhibitoren (Fedratinib oder Ruxolitinib) die Auswirkungen erhöhter Zytokinspiegel reduzieren. Daraufhin wurden mehrere klinische Studien mit Baricitinib ins Leben gerufen.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Baricitinib in Kombination mit Remdesivir Ende November 2020 die Notfallzulassung (emergency use authorization, EUA) erteilt zur Behandlung von Kindern ab zwei Jahren und Erwachsenen mit COVID-19, die Sauerstoff benötigen oder bei denen eine mechanische Beatmung oder eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) durchgeführt wird.
Am 8. April 2021 haben Eli Lilly und Incyte Ergebnisse der Phase-III-Studie COV-BARRIER zur Bewertung von Olumiant bei der Behandlung von COVID-19 bekanntgegeben. Die Pharmaunternehmen gaben an, dass die Ergebnisse der COV-BARRIER-Studie zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit eine Beatmung (nicht invasiv oder mechanisch) zu benötigen oder zu versterben bei mit Olumiant behandelten Patienten bis zum 28. Tag um 2,7% geringer war als bei Patienten, die einen Behandlungsstandard (SoC) erhielten. Dieser Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (Odds Ratio [OR]: 0,85; 95%-KI 0,67, 1,08; p=0,1800).
Seit dem 29. April 2021 übrprüft die EMA einen Antrag zur Ausweitung der Anwendung von Olumiant (Baricitinib) auf die Behandlung von COVID-19 bei hospitalisierten Patienten ab 10 Jahren, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen.
Anwendungsart
Baricitinib ist unter dem Namen Olumiant in Form von Filmtabletten der Stärken 2 mg und 4 mg auf dem deutschen Markt verfügbar.
Wirkmechanismus
Baricitinib ist ein selektiver und reversibler Inhibitor von Januskinase (JAK)1 und JAK2. Januskinasen (JAKs) sind Enzyme, die intrazelluläre Signale von Zelloberflächenrezeptoren für Zytokine und Wachstumsfaktoren, die an Hämatopoese, Entzündung und Immunabwehr beteiligt sind, weiterleiten. Innerhalb des intrazellulären Signalweges phosphorylieren und aktivieren JAKs Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription (STATs), die wiederum die Genexpression innerhalb der Zelle aktivieren.
Baricitinib moduliert diese Signalwege, indem es die enzymatische Aktivität von JAK1 und JAK2 teilweise inhibiert und damit die Phosphorylierung und Aktivierung von STATs reduziert.

Pharmakokinetik
- Die mediane Zeit bis zum mittleren höchsten Plasmaspiegel (tmax) beträgt etwa eine Stunde.
- Das mittlere Verteilungsvolumen nach einer intravenösen Infusion betrug 76 Liter, was auf eine Verteilung von Baricitinib in das Gewebe hinweist.
- Die Metabolisierung von Baricitinib wird durch CYP3A4 vermittelt, wobei weniger als 10% der verabreichten Dosis eine Biotransformation durchlaufen.
- Baricitinib wird vorwiegend als unveränderter Wirkstoff über den Urin (69%) und die Faeces (15%) ausgeschieden.
Dosierung
Die empfohlene Dosis für Baricitinib beträgt 4 mg einmal täglich. Eine Dosis von 2 mg täglich ist für Patienten ab 75 Jahren angebracht und kann auch für Patienten mit chronischen bzw. wiederkehrenden Infekten in der Vorgeschichte geeignet sein. Auch für Patienten, die mit 4 mg täglich eine anhaltende Kontrolle über die Krankheitsaktivität erreicht haben und die für eine Dosisreduktion infrage kommen, kann eine Dosierung von 2 mg täglich in Betracht gezogen werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die in Monotherapie oder in Kombination mit konventionellen synthetischen DMARDs auftreten können sind:
- erhöhtes LDL-Cholesterin (Hypercholesterinämie)
- Infektionen der oberen Atemwege
Wechselwirkungen
- Biologische DMARDs oder andere JAK-Inhibitoren (z.B. Azathioprin, Tacrolimus, Ciclosporin): Risiko eines additiven immunsuppressiven Effekts
- Probenecid, Ibuprofen und Diclofenac (OAT3-Inhibitoren): Erhöhung der AUC von Baricitinib
- Leflunomid: dessen Metabolit Teriflunomid ist ein schwacher OAT3-Inhibitor, wodurch eine erhöhte Baricitinib-Exposition möglich ist
- Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen sollte während der Therapie nicht erfolgen
Kontraindikation
- Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff
- Schwangerschaft
Bei Patienten mit einer absoluten Lymphozytenzahl (ALC) von weniger als 0,5 x 109 Zellen/l, einer absoluten Neutrophilenzahl (ANC) von weniger als 1 x 109 Zellen/l oder einem Hämoglobinwert unter 8 g/dl sollte eine Therapie nicht begonnen werden.
Schwangerschaft
Baricitinib ist während einer Schwangerschaft kontraindiziert. Es zeigte sich, dass der JAK/STAT-Signalweg an Zelladhäsion und Zellpolarität beteiligt ist, welche die frühe embryonale Entwicklung beeinflussen können.
Stillzeit
Die zur Verfügung stehenden pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Baricitinib in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für Neugeborene/Kleinkinder kann nicht ausgeschlossen werden.
Verkehrstüchtigkeit
Baricitinib hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Infektionen
- Baricitinb ist im Vergleich zu Placebo mit einer erhöhten Infektionsrate verbunden.
- Bei behandlungsnaiven Patienten führte eine Kombination mit Methotrexat im Vergleich zu einer Baricitinib-Monotherapie zu höheren Infektionsraten.
- Bei Patienten mit aktiven, chronischen oder wiederkehrenden Infektionen sollten vor Therapiebeginn die Risiken und Vorteile einer Behandlung sorgfältig abgewogen werden.
Tuberkulose (TB)
- Die Patienten sollten vor Beginn der Therapie auf Tuberkulose (TB) getestet werden. Baricitinib sollte nicht bei Patienten mit aktiver TB angewendet werden.
Ältere Patienten
- Bei älteren Patienten mit rheumatoider Arthritis ist das Risiko einer Lymphozytose erhöht.
Virusreaktivierung
- Virusreaktivierungen, einschließlich Fälle der Reaktivierung von Herpes-Viren wurden in klinischen Studien berichtet.
- Vor Beginn der Therapie sollte ein Screening auf eine virale Hepatitis durchgeführt werden.
Impfungen
- Während oder unmittelbar vor einer Behandlung wird die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen nicht empfohlen.
Lipide
- Dosisabhängige Erhöhungen der Blutlipidwerte wurden berichtet.
Erhöhungen der Lebertransaminasen
- Erhöhungen von Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Aminotransferase (AST) auf mindestens das 5- bis 10-fache der Obergrenze der Normalwerte (ULN) wurden bei weniger als 1 Prozent der Patienten berichtet.
Maligne Erkrankungen
- Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist das Risiko für maligne Erkrankungen einschließlich Lymphomen erhöht. Immunmodulatorische Arzneimittel könnten das Risiko für Malignitäten einschließlich Lymphomen erhöhen.
Immunsuppressiva
- Die Kombination mit biologischen DMARDs oder anderen Januskinase(JAK)-Inhibitoren wird nicht empfohlen, da das Risiko eines additiven immunsuppressiven Effekts nicht ausgeschlossen werden kann.
Fertilität
- Tierstudien deuten darauf hin, dass während einer Behandlung mit Baricitinib die weibliche Fertilität vermindert sein kann.
Alternativen
Zur medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis stehen weitere Wirkstoffgruppen zur Verfügung:
- nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
- Coxibe
- Glukokortikoide
- DMARDs (Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs)
Darüber hinaus sind für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis die Januskinase-Inhibitoren Tofacitinib und Upadacitinib zugelassen.
Tofacitinib ist ein Pan-JAK-Inhibitor, welcher in Enzym-Assays JAK1, JAK2, JAK3, sowie in geringerem Maße TYK2 hemmt. Upadacitinib hingegen inhibiert bevorzugt JAK1- oder JAK1/3-Signalwege im Vergleich zu anderen Zytokin-Signalwegen, die über JAK2-Paare vermittelt werden.
Für die Behandlung der Neurodermitis stehen noch die zwei weiteren Januskinase-Inibitoren Abrocitinib (Cibinqo) und Upadacitinib (Rinvoq) zur Verfügung.
Wirkstoff-Informationen
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Olumiant® 1 mg Filmtabletten
Lilly Deutschland GmbH
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Olumiant 2 mg Abacus Filmtabletten
Abacus Medicine A/S
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Olumiant 2 mg axicorp Filmtabletten
axicorp Pharma B.V.
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Olumiant 2 mg CC Pharma Filmtabletten
CC Pharma GmbH
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Olumiant 2 mg Eurim Filmtabletten
Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH
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Olumiant® 2 mg Filmtabletten
Lilly Deutschland GmbH
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Olumiant 2 mg Haemato-Pharm Filmtabletten
HAEMATO PHARM GmbH
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Olumiant 2 mg kohlpharma Filmtabletten
kohlpharma GmbH
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Olumiant 2 mg Orifarm Filmtabletten
Orifarm GmbH
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Olumiant 2 mg Paranova Filmtabletten
Paranova Pack A/S
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Olumiant 4 mg Abacus Filmtabletten
Abacus Medicine A/S
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Olumiant 4 mg ACA Filmtabletten
A.C.A. Müller ADAG Pharma AG
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Olumiant 4 mg axicorp Filmtabletten
axicorp Pharma B.V.
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Olumiant 4 mg CC Pharma Filmtabletten
CC Pharma GmbH
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Olumiant 4 mg Eurim Filmtabletten
Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH
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Olumiant® 4 mg Filmtabletten
Lilly Deutschland GmbH
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Olumiant 4 mg Haemato-Pharm Filmtabletten
HAEMATO PHARM GmbH
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Olumiant 4 mg kohlpharma Filmtabletten
kohlpharma GmbH
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Olumiant 4 mg Orifarm Filmtabletten
Orifarm GmbH
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Olumiant 4 mg Originalis Filmtabletten
Originalis B.V.
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Olumiant 4 mg Paranova Filmtabletten
Paranova Pack A/S