Bempedoinsäure
Bempedoinsäure gehört zu einer neuen Arzneimittelklasse von Medikamenten zur Lipidsenkung und wird angewendet bei Erwachsenen mit Störungen des Lipidstoffwechsels. Das Arzneimittel kann oral eingenommen werden und steht als Mono- oder Kombinationspräparat zur Verfügung.
Bempedoinsäure: Übersicht

Anwendung
Bempedoinsäure gehört zu einer neuen Arzneimittelklasse von Medikamenten zur Lipidsenkung und wird angewendet bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygot familiär und nicht-familiär) oder gemischter Dyslipidämie, adjuvant zu einer Diät:
- in Kombination mit einem Statin oder einem Statin zusammen mit anderen lipidsenkenden Therapien bei Patienten, die LDL-Ziele mit der maximal verträglichen Statin-Dosis nicht erreichen oder
- als Monotherapie oder in Kombination mit anderen lipidsenkenden Therapien bei Patienten, die eine Statin-Intoleranz aufweisen oder bei denen ein Statin kontraindiziert ist.
Anwendungsart
Bempedoinsäure ist in Form von Filmtabletten verfügbar, die im Ganzen geschluckt werden sollen. Die Einnahme ist dabei unabhängig von der Nahrung.
Wirkmechanismus
Bempedoinsäure ist ein Inhibitor der Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL), einem Enzym, das im Zytosol Citrat in Acetyl-CoA umwandelt. Der Wirkstoff greift somit oberhalb der HMG-CoA-Reduktase, dem Angriffspunkt der Statine, im Mevalonatweg/Cholesterin-Biosyntheseweg an.
Bempedoinsäure kann als Prodrug angesehen werden, das intrazellulär durch ACSVL1 (Very-long-chain-Acyl-CoA-Synthetase 1) über eine Coenzym A (CoA)-Aktivierung zu ETC-1002-CoA umgewandelt wird. ACSVL1 wird primär in der Leber und nicht in der Skelettmuskulatur exprimiert.
In Folge der ACL-Hemmung durch ETC-1002-CoA sinken die intrazellulären Cholesterinspiegel. Daraufhin werden vermehrt LDL (Low-Density Lipoprotein)-Rezeptoren exprimiert und es kommt zu einer Senkung des LDL-Spiegels. Zusätzlich führt die Hemmung der ACL durch ETC-1002-CoA zu einer gleichzeitigen Suppression der Biosynthese von Fettsäuren in der Leber.
Pharmakokinetik
Resorption
Bempedoinsäure wird nach oraler Gabe im Mittel innerhalb von 3,5 Stunden bis zur maximalen Konzentration resorbiert. Der Wirkstoff kann als Prodrug angesehen werden. Der Steady-State wird nach 7 Tagen erreicht und war in Studien in einem Bereich von 120 mg bis 220 mg linear. Es konnte keine zeitabhängige Veränderung der Pharmakokinetik von Bempedoinsäure nach wiederholter Anwendung beobachtet werden.
Die gleichzeitige Einnahme mit dem Essen hat keine Auswirkungen auf die orale Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs, verringert aber die Resorptionsgeschwindigkeit.
Verteilung (Distribution)
Das scheinbare Verteilungsvolumen von Bempedoinsäure liegt bei 18 L. Die Plasmaproteinbindung des Wirkstoffs, des Glucuronids und des aktiven Metaboliten (ESP15228) betragen 99,3%, 98,8% bzw. 99,2%. Es findet keine Verteilung von Bempedoinsäure in rote Blutkörperchen statt.
Metabolismus (Biotransformation)
Der primäre Eliminationsweg für Bempedoinsäure ist die Verstoffwechselung zum Acylglucuronid. Bempedoinsäure wird außerdem basierend auf Aldo-Keto-Reduktase-Aktivität reversibel zu einem aktiven Metaboliten (ESP15228) umgewandelt. Das mittlere Verhältnis der Plasma-AUC zwischen dem Metaboliten und der Ausgangssubstanz nach wiederholter Dosisgabe liegt bei 18% und bleibt im Zeitverlauf konstant. ESP15228 hat basierend auf der systemischen Exposition und den pharmakokinetischen Eigenschaften wahrscheinlich einen geringfügigen Anteil an der klinischen Gesamtaktivität von Bempedoinsäure. Beide Verbindungen werden in vitro von UGT2B7 zu inaktiven Glucuronid-Konjugaten umgewandelt.
Elimination
Die Steady-State-Clearance von Bempedoinsäure bei Patienten mit Hypercholesterinämie beträgt etwa 12,1 ml/min nach einmal täglicher Gabe. Die mittlere Halbwertszeit liegt bei 19 (10) Stunden im Steady-State. Der Wirkstoff wird vorwiegend über die Niere als Acylglucuronid-Konjugat oder in Form anderer Metabolite ausgeschieden, ein Teil wird mit den Fäzes eliminiert. Nur ein geringer Teil (<5%) wird unverändert eliminiert.
Dosierung
Die empfohlene Dosis für Bempedoinsäure beträgt 180 mg einmal täglich.
Gleichzeitige Therapie mit Simvastatin
Wenn Bempedoinsäure gleichzeitig mit Simvastatin angewendet wird, sollte die Simvastatin-Dosis auf 20 mg täglich bzw. 40 mg täglich bei Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie und einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen, reduziert werden, da Bempedoinsäure die Plasmakonzentrationen von Statinen erhöht.
Nebenwirkungen
Die folgenden Nebenwirkungen können unter der Therapie mit Bempedoinsäure häufig (≥ 1/100, <1/10) auftreten.
- Anämie
- Hyperurikämie und Gicht
- Erhöhte Aspartataminotransferase-Werte
- Schmerzen in einer Extremität
Wechselwirkungen
Bei der Anwendung von Bempedoinsäure sind folgende Wechselwirkungen zu beachten.
- Statine: Anstieg der Exposition von Statinen
- Substrate von OATP1B1 oder OATP1B3 (z. B. Bosentan, Fimasartan, Asunaprevir, Glecaprevir, Grazoprevir, Voxilaprevir und Statine wie Atorvastatin, Pravastatin, Fluvastatin, Pitavastatin, Rosuvastatin und Simvastatin): Erhöhte Plasmakonzentrationen dieser Arzneimittel möglich durch schwache Inhibition der Transporter durch Bempedoinsäure und das Glucoronid
- Substrate von OAT2: Die Inhibition von OAT2 durch Bempedoinsäure kann die Plasmakonzentrationen von OAT2- Substraten erhöhen
Kontraindikationen
Die Anwendung von Bempedoinsäure ist in folgenden Fällen kontraindiziert.
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Schwangerschaft
- Stillzeit
- Gleichzeitige Anwendung mit Simvastatin >40 mg täglich
Schwangerschaft/Stillzeit
Bisher liegen keine oder nur begrenzte Daten mit der Anwendung von Bempedoinsäure bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien mit zeigten eine Reproduktionstoxizität. Da Bempedoinsäure die Cholesterinsynthese und möglicherweise die Synthese anderer Cholesterinderivate, die für die normale Entwicklung des Fötus benötigt werden, vermindert, kann der Wirkstoff bei Verabreichung an Schwangere den Fötus schädigen. Bempedoinsäure ist daher während der Schwangerschaft kontraindiziert und soll vor der Konzeption bzw. ab der Feststellung einer Schwangerschaft abgesetzt werden.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Bempedoinsäure bzw. deren Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Aufgrund des Potenzials für schädliche Auswirkungen ist Bempedoinsäure in der Stillzeit kontraindiziert. Frauen unter der Therapie mit dem Lipidsenker sollen nicht stillen.
Verkehrstüchtigkeit
Bempedoinsäure hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Myopathie-Risiko bei Kombination mit Statinen
Bempedoinsäure erhöht wie bereits erwähnt die Plasmakonzentrationen von Statinen. Statine verursachen gelegentlich eine Myopathie. In seltenen Fällen kann diese in Form einer Rhabdomyolyse mit oder ohne akutes Nierenversagen zum Tod führen. Bei der gleichzeitigen Anwendung der Substanzen sind die Patienten auf Anzeichen einer Myopathie zu überwachen und darauf hinzuweisen alle ungeklärten Muskelschmerzen, jede Muskelempfindlichkeit bzw. jede Muskelschwäche unverzüglich zu melden. Beim Auftreten solcher Symptome sollte die Dosis des Statins reduziert, das Statin gewechselt oder Bempedoinsäure abgesetzt und eine alternative lipidsenkende Therapie eingeleitet werden. Wenn eine Myopathie anhand eines Kreatinphosphokinase (CPK)-Spiegels >10× obere Normgrenze (Upper Limit of Normal, ULN) bestätigt wird, sind Bempedoinsäure und alle Statine, die der Patient gleichzeitig einnimmt, unverzüglich abzusetzen.
Erhöhter Harnsäurespiegel im Serum
Bempedoinsäure kann den Harnsäurespiegel im Serum aufgrund einer Hemmung des renal-tubulären OAT2 erhöhen und eine Hyperurikämie verursachen oder verschlimmern sowie zu einer Verschlimmerung von Gicht bei Patienten mit einer Vorgeschichte von bzw. Prädisposition für Gicht führen. Die Behandlung mit Bempedoinsäure ist abzusetzen, wenn Hyperurikämie zusammen mit Gichtsymptomen auftritt.
Verhütung
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Bempedoinsäure eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Patientinnen sind anzuweisen, die Einnahme des Wirkstoffs vor dem Abbruch der Anwendung von Verhütungsmaßnahmen zu beenden, wenn sie beabsichtigen, schwanger zu werden.
Alternativen
Bei einer unzureichenden Cholesterinsenkung unter einer Monotherapie mit Bempedoinsäure oder in Kombination mit einem Statin, die sollte die zusätzliche Therapie mit Ezetimib, einem Cholesterinresorptionshemmer und/oder einem Anionenaustauscher (z.B. Colesevelam) erfolgen. Ein Kombinationspräparat mit Bempedoinsäure und Ezetimib ist auf dem Markt verfügbar. Ferner steht die PCSK9-Inhibition mit entsprechenden Antikörpern oder dem Wirkstoff Inclisiran, einer siRNA (small interfering RNA) zur Verfügung. Die letzte Option bei der Therapie von Dyslipidämien stellt die extrakorporale LDL-Elimination dar.
Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.
Wirkstoff-Informationen
- Fachinformation Nilemdo 180 mg Filmtabletten
- Fachinformation Nustendi 180 mg/10 mg Filmtabletten
- Daiichi Sankyo Deutschland GmbH: Wirkmechanismus Nilemdo
- European Heart Journal: 2019 ESC/EAS Guidelines fort he management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk, DOI: 10.1093/eurheartj/ehz455
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Nilemdo 180 mg Emra Filmtabletten
Emra-Med Arzneimittel GmbH
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Nilemdo 180 mg Filmtabletten
Daiichi Sankyo Deutschland GmbH
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Nilemdo 180 mg Orifarm Filmtabletten
Orifarm GmbH
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Nustendi 180 mg/10 mg Emra Filmtabletten
Emra-Med Arzneimittel GmbH
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Nustendi 180 mg/10 mg Filmtabletten
Daiichi Sankyo Deutschland GmbH
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Nustendi 180 mg/10 mg kohlpharma Filmtabletten
kohlpharma GmbH
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Nustendi 180 mg/10 mg Orifarm Filmtabletten
Orifarm GmbH