Berotralstat
Berotralstat wird für die routinemäßige Prophylaxe des hereditären Angioödems (HAE), einer seltenen genetischen Erkrankung, angewendet. Der Wirkstoff ist ein Inhibitor der Serinprotease Kallikrein, die hochmolekulares Kininogen spaltet und Bradykinin freisetzt.
Berotralstat: Übersicht

Anwendung
Berotralstat (Orladeyo) ist indiziert zur routinemäßigen Prävention wiederkehrender Attacken des hereditären Angioödems (HAE) bei erwachsenen und jugendlichen Patienten ab einem Alter von 12 Jahren.
Anwendungsart
Berotralstatist in Form von Hartkapseln für die orale Anwendung zugelassen.
Wirkmechanismus
Berotralstat ist ein Inhibitor der Serinprotease Kallikrein, die hochmolekulares Kininogen (High-Molecular Weight Kininogen, HMWK) spaltet und somit Bradykinin, ein starker Vasodilatator, der die Gefäßpermeabilität erhöht, freisetzt. Bei Patienten mit HAE ist aufgrund eines Mangels oder einer Dysfunktion von C1-INH die normale Regulierung der Plasma-Kallikrein-Aktivität beeinträchtigt, was zu unkontrollierten Erhöhungen der Plasma-Kallikrein-Aktivität und der Bradykinin-Freisetzung führt und somit HAE-Attacken verursacht, die sich in einem Angioödem äußern.
Dosierung
Die empfohlene Dosis für Erwachsene und Jugendliche ab einem Alter von 12 Jahren mit einem Gewicht von ≥ 40 kg beträgt 150 mg Berotralstat einmal täglich.
Nebenwirkungen
Sehr häufige Nebenwirkungen (≥ 1/10) von Berotralstat sind:
- Kopfschmerzen,
- Abdominalschmerzen
- Diarrhö
Wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Anwendung folgender Verbindungen können Wechselwirkungen auftreten:
- P-gp- und BCRP-Inhibitoren: Berotralstat ist ein Substrat von P-Glykoprotein (P-gp) und Breast Cancer Resistance Protein (BCRP), weshalb bei gleichzeitiger Anwendung von P-gp- und BCRP-Inhibitoren eine engmaschige Überwachung auf unerwünschte Ereignisse empfohlen wird.
- P-gp- und BCRP-Induktoren (z. B. Rifampicin, Johanniskraut) können die Plasmakonzentration von Berotralstat reduzieren, was zu einer verminderten Wirksamkeit von Berotralstat führt. Die Anwendung von P-gp-Induktoren zusammen mit Berotralstat wird deshalb nicht empfohlen.
- CYP3A4-Substrate: Berotralstat ist ein moderater Inhibitor von CYP3A4. Die gleichzeitige Anwendung kann die Konzentrationen anderer Arzneimittel, die CYP3A4-Substrate sind, erhöhen. Dosisanpassungen können erforderlich sein.
- CYP2D6-Substrate: Berotralstat ist ein moderater Inhibitor von CYP2D6. Die gleichzeitige Anwendung kann die Exposition gegenüber anderen Arzneimitteln, die CYP2D6-Substrate sind, erhöhen. Insbesondere bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Thioridazin, Pimozid) oder bei Arzneimitteln, deren Fachinformation eine therapeutische Überwachung empfiehlt (z. B. trizyklische Antidepressiva), können Dosisanpassungen erforderlich sein.
- Orale Empfängnisverhütungsmittel: Als moderater Inhibitor von CYP3A4 kann Berotralstat die Konzentrationen oraler Kontrazeptiva, die über CYP3A4 metabolisiert werden, erhöhen. Als leichter Inhibitor von CYP2C9 kann Berotralstat die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva wie Desogestrel, die CYP2C9 für die Umwandlung des Prodrug in den aktiven Metaboliten benötigen, verringern. Daher sollten Frauen, die zur Verhütung ausschließlich Desogestrel anwenden, zu einer alternativen zuverlässigen Verhütungsmethode wechseln.
Kontraindikation
Berotralstat darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft
Die Anwendung von Berotralstat während der Schwangerschaft wird nicht empfohlen, da bisher keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Berotralstat bei Schwangeren vorliegen und es keine ausreichenden tierexperimentellen Studien in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität gibt.
Stillzeit
Die zur Verfügung stehenden pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Berotralstat in die Milch übergeht, weshalb ein Risiko für das gestillte Kind nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss deshalb eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Berotralstat verzichtet werden soll/die Behandlung mit zu unterbrechen ist. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen
Verkehrstüchtigkeit
Berotralstat hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen
Anwendungshinweise
QT-Verlängerung
- Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung können erhöhte Berotralstat-Konzentrationen im Serum auftreten, die mit einem Risiko einer verlängerten QT-Zeit einhergehen. Die Anwendung von Berotralstat ist bei diesen Patienten deshalb zu vermeiden.
- Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung kann ein Risiko einer verlängerten QT-Zeit vorliegen. Die Anwendung von Berotralstat bei diesen Patienten sollte möglichst vermieden werden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, ist eine angemessene Überwachung (z. B. EKG) in Erwägung zu ziehen.
- Bei Patienten mit unabhängigen Risikofaktoren für eine Verlängerung der QT-Zeit wie z. B. Elektrolytstörungen, bekannte vorbestehende Verlängerung der QT-Zeit (entweder erworben oder erblich), fortgeschrittenes Alter oder gleichzeitige Anwendung anderer Arzneimittel, die bekanntermaßen die QT-Zeit verlängern, sollte die Anwendung von Berotralstat möglichst vermieden werden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, ist eine angemessene Überwachung (z. B. EKG) in Erwägung zu ziehen.
Frauen im gebärfähigen Alter
Berotralstat kann die Wirksamkeit oraler hormoneller Kontrazeptiva wie Desogestrel, die CYP2C9 für die Umwandlung des Prodrug in den aktiven Metaboliten benötigen, verringern. Daher sollten Frauen, die zur Verhütung ausschließlich Desogestrel anwenden, zu einer alternativen zuverlässigen Verhütungsmethode wechseln.
Alternativen
Neben Berotralstat ist für diese Indikation seit 2019 zudem der Antikörper Lanadelumab (Takhzyro) verfügbar, der allerdings nicht oral angewendet werden kann, sondern im Zwei- bis Vierwochenrhythmus subkutan appliziert werden muss.