Cabotegravir
Cabotegravir (Vocabria) ist ein Integrasehemmer, der zusammen mit Rilpivirin (nichtnukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor, NNRTI) als Depotspritzen zur Behandlung von HIV angewendet wird. Es handelt sich um die erste langwirksame injizierbare antiretrovirale Therapie.
Cabotegravir: Übersicht

Anwendung
Der Wirkstoff Cabotegravir (Vocabria) ist zugelassen in Kombination mit dem nichtnukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Rilpivirin (Rekambys) zur Behandlung einer Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus Typ 1 (HIV-1) bei Erwachsenen, die:
- auf einem stabilen antiretroviralen Regime virologisch supprimiert sind (HIV-1-RNA <50 Kopien/ml)
- ohne gegenwärtige oder historisch dokumentierte Resistenzen gegenüber der NNRTI- oder INI-Klasse und
- ohne virologisches Versagen gegenüber Wirkstoffen der NNRTI- und INI-Klasse in der Vergangenheit.
Darüber hinaus wird Cabotegravir auch auf seine Wirkung als Präexpositionsprophylaxe (PrEP) untersucht. In dieser Indikation ist aktuell nur die Fixkombination aus Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zugelassen.
Anwendungsart
Der Wirkstoff Cabotegravir kann sowohl oral in Form einer Tablette als auch als langwirksame injizierbare Nanosuspension angewendet werden. Langwirksames Cabotegravir wird nach intramuskulärer und subkutaner Applikation leicht resorbiert und hat eine Eliminationshalbwertszeit von ungefähr 40 Tagen, was eine monatliche oder weniger häufige Verabreichung ermöglicht.
Die Therapie mit Vocabria erfolgt nach einem klaren Therapieschema: Zunächst wird die Behandlung, zur Beurteilung möglicher Nebenwirkungen und der Verträglichkeit, als orale Einleitungsphase (mindestens 28 Tage) begonnen, bei der die Wirkstoffe Cabotegravir und Rilpivirin jeweils täglich oral eingenommen werden.
Im zweiten und dritten Monat folgt die Initiierungsphase, in welcher die Vocabria- und Rilpivirin-Injektionen intramuskulär in je eine Gesäßseite durch medizinisches Fachpersonal appliziert werden. Ab dem fünften Monat erfolgen die Injektionen nur noch alle 2 Monate.
Wirkmechanismus
Cabotegravir hemmt die HIV-Integrase, indem es an das aktive Zentrum der Integrase bindet und den Strangtransfer, der für den Replikationszyklus des HI-Virus essenziell ist und damit die Integration der retroviralen Desoxyribonukleinsäure (DNA) hemmt.
Pharmakokinetik
Resorption
- Die Cabotegravir-Injektion weist eine Flip-Flop-Kinetik auf, die durch die langsame Resorption vom glutealen Muskel in den systemischen Kreislauf bedingt ist und zu anhaltenden Plasmakonzentrationen führt.
- Nach einer einzelnen intramuskulären Dosis sind die Cabotegravir-Plasmakonzentrationen am ersten Tag nachweisbar und steigen allmählich bis zur maximalen Plasmakonzentration mit einer medianen Tmax von 7 Tagen.
- Cabotegravir wurde 52 Wochen oder länger nach einer einzelnen Injektion im Plasma nachgewiesen.
- Der pharmakokinetische Steady State wird nach 44 Wochen erreicht.
- Die Cabotegravir-Plasmaexposition erhöht sich proportional oder leicht weniger als proportional zur Dosis nach einer einzelnen und wiederholten i.m. Injektion von Dosen zwischen 100 mg und 800 mg.
Verteilung
- Basierend auf in-vitro-Daten ist Cabotegravir stark (>99%) an menschliche Plasmaproteine gebunden.
- Nach der Einnahme von Tabletten betrug das mittlere erkennbare orale Verteilungsvolumen (Vz/F) im Plasma 12,3 l.
- Bei Menschen wurde Vc/F von Cabotegravir im Plasma auf 5,27 l und Vp/F auf 2,43 l geschätzt.
- Diese Volumenschätzungen zusammen mit der Annahme hoher Bioverfügbarkeit legen eine gewisse Verteilung von Cabotegravir im extrazellulären Raumnahe.
- Cabotegravir ist im weiblichen und männlichen Genitaltrakt nachweisbar.
- Die mittleren zervikalen und vaginalen Gewebe: Plasma-Verhältnisse betrugen 0,16 bis 0,28 und 4, 8 und 12 Wochen nach Gabe einer einzelnen intramuskulären (i.m.) 400-mg-Injektion waren die mittleren rektalen Gewebe: Plasma-Verhältnisse ≤ 0,08.
- Cabotegravir ist im Liquor nachweisbar.
- In vitro war Cabotegravir kein Substrat des Organo-Anionen-Transporter-Polypeptids (OATP) 1B1, OATP1B3 oder des Organo-Kation-Transporters (OCT1).
Biotransformation
- Cabotegravir wird primär durch UGT1A1 mit einer geringen UGT1A9-Komponente metabolisiert.
- Cabotegravir ist der im Plasma vorrangig zirkulierende Bestandteil und stellt > 90% des gesamten Radiokarbons im Plasma dar.
- Nach einer Einnahme bei Menschen wird Cabotegravir primär über den Stoffwechsel ausgeschieden.
- Die Elimination von unverändertem Cabotegravir über die Nieren ist niedrig (< 1% der Dosis).
- 47% der gesamten oralen Dosis wird als unverändertes Cabotegravir in den Fäzes ausgeschieden.
- Es ist nicht bekannt, ob dies gänzlich oder teilweise auf das nicht resorbierte Arzneimittel oder die biliäre Ausscheidung des Glucuronid-Konjugats, das weiter abgebaut werden kann und dann die Stammverbindungim Darmlumen bildet, zurückzuführen ist.
- Cabotegravir wurde in duodenalen Gallenproben nachgewiesen. Der Glucuronid-Metabolit war ebenfalls in manchen, aber nicht in allen duodenalen Gallenproben vorhanden.
- 27% der gesamten oralen Dosis wird über den Urin ausgeschieden, primär als Glucuronid-Metabolit (75% der Radioaktivität im Urin, 20% der Gesamtdosis).
- Cabotegravir ist kein klinisch relevanter Inhibitor der folgenden Enzyme und Transporter: CYP1A2, CYP2A6, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP3A4, UGT1A1, UGT1A3, UGT1A4, UGT1A6, UGT1A9, UGT2B4, UGT2B7, UGT2B15 und UGT2B17, P-gp, BCRP, Gallensalzexportpumpe (BSEP), OCT1, OCT2, OATP1B1, OATP1B3, Multidrug-and-Toxin-Extrusion-Transporter (MATE)1, MATE2-K, Multidrug-Resistance-Related-Protein (MRP)2 oder MRP4.
Elimination
- Die durchschnittliche erkennbare terminale Halbwertszeit von Cabotegravir ist begrenzt durch die Resorptionsrate und beträgt schätzungsweise 5,6 bis 11,5 Wochen nach einer i.m. Einzeldosisinjektion.
- Die signifikant höhere erkennbare Halbwertszeit im Vergleich zur oralen Einnahme spiegelt die Elimination von der Injektionsstelle in den systemischen Kreislauf wider.
- Die erkennbare CL/F betrug 0,151 l/h.
Dosierung
Orale Einleitungsphase („oral lead-in“)
Die Therapie wird eingeleitet mit einer 30 mg-Cabotegravir-Tablette in Kombination mit einer 25 mg-Rilpivirin-Tablette einmal täglich für mindestens 28 Tage. Bei der Anwendung in Kombination mit Rilpivirin müssen Cabotegravir-Tabletten mit einer Mahlzeit eingenommen werden.
Monatliche Dosierung
Die Cabotegravir-Injektion und die Rilpivirin-Injektion sollten beide beim gleichen Besuch in je eine Seite der Gesäßmuskeln gegeben werden.
Initiierungsphase
- Am letzten Tag der oralen Einleitungsphase ist die empfohlene Initialdosis der Cabotegravir-Injektion bei Erwachsenen eine intramuskuläre Injektion von 600 mg (600 mg, entspricht einer 3-ml-Dosis).
- Erhaltungsphase
- Nach der Initiierungsphase beträgt die Cabotegravir-Injektionsdosis für Erwachsene einmal monatlich 400 mg (400 mg, entspricht einer 2-ml-Dosis) als intramuskuläre Injektion.
- Patienten können Injektionen in der Erhaltungsphase bis zu 7 Tage vor oder nach dem Zieldatum der monatlichen 400-mg-Injektion erhalten
Dosierung alle 2 Monate
Initiierungsphase
- Am letzten Tag der oralen Einleitungsphase ist die empfohlene Initialdosis der Cabotegravir-Injektion bei Erwachsenen eine intramuskuläre Injektion von 600 mg (Monat 2).
- Einen Monat später (Monat 3) wird eine weitere intramuskuläre Cabotegravir-600mg-Injektion angewendet.
- Patienten können die zweite Initiierungsinjektion von 600 mg bis zu 7 Tage vor oder nach dem geplanten Zieldatum für die zweite Initiierungsinjektion erhalten.
- Erhaltungsphase–Folgeinjektionen im Abstand von 2 Monaten
- Nach der Initiierungsphase beträgt die empfohlene Cabotegravir-Injektionsdosis in der Erhaltungsphase (Monat 5) für Erwachsene 600mg als intramuskuläre Injektion alle 2 Monate.
- Patienten können Injektionen während der Erhaltungsphase bis zu 7 Tage vor oder nach dem Zieldatum für die zweimonatliche 600-mg-Injektion erhalten.
Weitere Dosierungsempfehlungen können der Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen von Cabotegravir in Studien waren:
- Reaktionen an der Injektionsstelle (bis zu 84%)
- Kopfschmerzen (bis zu 12%)
- Fieber (bis zu 10%)
Wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Anwendung folgender Verbindungen kann es zu Wechselwirkungen mit Cabotegravir kommen:
- UGT1A1-oder UGT1A9-Induktoren
- OAT1/3-Substratarzneimittel mit engem therapeutischem Index (z.B. Methotrexat)
- Antiepileptika (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Phenobarbital): Metabolische Induktoren können die Plasmakonzentration von Cabotegravir signifikant verringern. Die gleichzeitige Anwendung ist kontraindiziert
- Antimykobakterielle Arzneimittel (Rifampicin, Rifapentin, Rifabutin): Plasmakonzentrationen von Cabotegravir kann signifikant verringert werden.
Darüber hinaus sind die Vocabria- und Rilpivirin-Injektionen als vollständige Therapie zur Behandlung einer Infektion mit HIV-1 vorgesehen und sollten nicht mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zur Behandlung von HIV angewendet werden.
Kontraindikation
Cabotegravir darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.
- Gleichzeitiger Anwendung mit Rifampicin, Rifapentin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin oder Phenobarbital.
Schwangerschaft
Bisher liegen nur begrenzte Daten im Zusammenhang mit der Anwendung von Cabotegravir bei Schwangeren vor. Die Auswirkungen von Vocabria auf die Schwangerschaft beim Menschen sind unbekannt. Cabotegravir war bei der Untersuchung an trächtigen Ratten und Kaninchen nicht teratogen. Höhere Expositionen als die therapeutische Dosis zeigten jedoch eine Reproduktionstoxizität bei Tieren. Die Relevanz in Bezug auf die Schwangerschaft beim Menschen ist unbekannt. Während der Schwangerschaft wird die Anwendung von Cabotegravir nicht empfohlen, es sei denn, der erwartete Nutzen rechtfertigt das potenzielle Risiko für den Fötus. Es gilt zu bedenken, dass Cabotegravir nach einer Injektion 12 Monate oder länger in der systemischen Zirkulation nachgewiesen werden kann.
Schwangerschaft/Stillzeit
Auf der Grundlage tierexperimenteller Daten wird erwartet, dass Cabotegravir in die Muttermilch übergeht, obwohl dies am Menschen noch nicht bestätigt wurde. Cabotegravir kann 12 Monate oder länger nach der letzten Cabotegravir-Injektion in der Muttermilch vorhanden sein. Darüber hinaus wird empfohlen, dass HIV-infizierte Frauen ihre Säuglinge unter keinen Umständen stillen, um die Übertragung von HIV zu vermeiden.
Verkehrstüchtigkeit
Bei der Anwendung von Cabotegravir kann es zu Schwindel, Müdigkeit und Somnolenz kommen. Der klinische Zustand des Patienten und das Nebenwirkungsprofil der Cabotegravir-Injektion sollten bei der Beurteilung der Fähigkeit des Patienten, ein Fahrzeug zu führen oder Maschinen zu bedienen, in Betracht gezogen werden
Anwendungshinweise
Risiko einer Resistenz nach Behandlungsabbruch
Um das Risiko der Entwicklung einer Virusresistenz zu minimieren, ist es unerlässlich, ein alternatives, vollständig suppressives antiretrovirales Regime innerhalb eines Monats nach der letzten Injektion von Cabotegravir bei einer monatlichen Dosierung und innerhalb von zwei Monaten nach der letzten Cabotegravir-Injektion bei einer zweimonatlichen Dosierung einzuführen. Wenn der Verdacht auf virologisches Versagen besteht, muss so schnell wie möglich ein alternatives Regime angewendet werden
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