Carbamazepin

Carbamazepin gehört zu der Gruppe der Antiepileptika und ist chemisch ein Dibenzoazepin-Derivat. Der Wirkungsmechanismus ist bislang nicht geklärt, vermutet wird die Hemmung der synaptischen Übertragung, wodurch die Fortleitung von konvulsiven Entladungen reduziert wird. Carbamazepin findet vorwiegend bei Epilepsien aber auch bei Neuralgien, diabetischer Neuropathie, Prophylaxe manisch-depressiver Phasen und beim Alkoholentzung Einsatz.

Carbamazepin

Anwendung

Carbamazepin wird vor allem gegen verschiedene Formen epileptischer und nicht-epileptischer Krampfanfälle (zum Beispiel bei multipler Sklerose oder Alkoholentzug) eingesetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind Nervenschmerzen bei Trigeminusneuralgien oder durch diabetische Neuropathie. Außerdem wird Carbamazepin zur Vorbeugung manischer Phasen einer bipolaren Störung angewendet, wenn eine Lithium-Therapie unmöglich ist oder nicht den gewünschten Erfolg zeigt.

Wirkmechanismus

Die genaue Wirkweise von Carbamazepin ist bislang nicht bekannt. Ähnlich wie Phenytoin hemmt Carbamazepin die synaptische Übertragung. Man geht davon aus, dass Carbamazepin den Einstrom von Natriumionen in Nervenzellen blockiert. So werden übermäßig stark erregte Nervenzellen beruhigt und wiederholte elektrische Entladungen vermindert. Damit kann Carbamazepin Muskelkontraktionen wirkungsvoll beenden.

Von der chemischen Struktur ähnelt Carbamazepin dem trizyklischen Antidepressivum Imipramin. Das könnte die vorbeugende Wirkung auf manische Phasen einer bipolaren Störung erklären. Die Schmerzlinderung bei der Trigeminus-Neuralgie kommt wahrscheinlich durch eine Hemmung der synaptischen Reizübertragung im spinalen Trigeminuskern zustande.

Pharmakokinetik

Carbamazepin wird nach oraler Gabe langsam und fast vollständig resorbiert. Die Resorptionshalbwertzeit liegt durchschnittlich bei 8,5 Stunden mit großen intra- und interindividuellen Unterschieden. Maximale Plasma¬konzentrationen werden nach einer einmaligen Gabe (je nach Darreichungsform) bei Erwachsenen nach 4 bis 16 Stunden (selten bis 35 Stunden), bei Kindern nach etwa 4-6 Stunden erreicht. Die Plasmaspiegel sind nicht linear von der Dosis abhängig und zeigen im höheren Dosisbereich einen flachen Kurvenverlauf. Der Steady-State wird nach 2 bis 8 Tagen erreicht. Es besteht keine enge Korrelation zwischen der Dosis von Carbamazepin und der Plasmakonzentration im Steady-State.

Anfallsfreiheit kann bei Plasmaspiegeln von 4 bis 12μg/ml erzielt werden. Eine Überschreitung des Plasmaspiegels von 20 μg/ml führte zur Verschlechterung des Krankheitsbildes. Bei Plasmakonzentrationen von 5 bis 18 μg/ml wird eine Schmerzlinderung bei Trigeminusneuralgien erreicht. Die Schwellenkonzentration für das Auftreten von Nebenwirkungen liegt bei ca. 8 bis 9 μg/ml.

Das Verteilungsvolumen beim Menschen wird mit Werten zwischen 0,8-1,9 l/kg angegeben.

Die Plasmaproteinbindung von Carbamazepin liegt zwischen 70 und 80%.

Carbamazepin wird in der Leber oxidiert, desaminiert, hydroxiliert und anschließend mit Glucuronsäure verestert. Carbamazepin-10,11epoxid ist einer von 7 bisher identifizierten Metaboliten. Er hat wie Carbamazepin eine antikonvulsive Wirkung.

Die Eliminationshalbwertzeit nach einer Einzeldosis beträgt ca. 36 Stunden (bei einem Bereich von 18-65 Stunden). Infolge einer Enzyminduktion sinkt die Halbwertzeit bei einer Dauertherapie um ca. 50% auf 10-20 Stunden. Bei einer Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika sind die Halbwertzeiten kürzer als bei einer Monotherapie. Bei einmaliger oraler Applikation wird ca. dreiviertel der Dosis in Form von  Metaboliten über die Nieren ausgeschieden und der Rest in teilweise unveränderter Form über die Fäzes. 2-3% der im Urin ausgeschiedenen Substanzmenge liegt als unverändertes Carbamazepin vor.

Dosierung

Die Behandlung mit Carbamazepin wird einschleichend, in einer niedrigen Initialdosis, individuell begonnen. Danach wird die Dosis langsam bis zur am besten wirksamen Erhaltungsdosis erhöht. Die Tagesdosis bei nicht-retardierten Darreichungsformen wird in der Regel in drei Einzelgaben, bei Retardtabletten in 1 – 2 Einzelgaben verabreicht. In manchen Fällen hat sich die Verteilung der Tagesdosis auf 4 bis 5 Einzelgaben als besonders wirkungsvoll erwiesen, dabei sind nicht retardierte Darreichungsformen von Carbamazepin zu bevorzugen. Der allgemeine Tagesdosisbereich liegt bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren zwischen 400 und 1.200 mg Carbamazepin. Eine Gesamttagesdosis von 1.600 mg sollte in der Regel nicht überschritten werden, da in höherer Dosierung vermehrt Nebenwirkungen auftreten. Die empfohlene Maximaldosis beträgt bei Kindern bis zu 6 Jahren 35 mg/kg/Tag und bei Kindern zwischen 6 – 15 Jahren 1.000 mg/Tag. Die therapeutische Dosis sollte unter anderem über die Bestimmung der Plasmaspiegel festgelegt werden und sollte zwischen 4 und 12 μg/ml liegen. Aufgrund der Beschleunigung des Metabolismus durch Enzyminduktion oder aufgrund Arzneimittel-Interaktionen kann die erforderliche Dosis erheblich von der angegebenen Anfangs- und Erhaltungsdosis im Einzelfall abweichen. Bei Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei Leber- und Niereninsuffizienz sowie bei älteren Patienten ist eine niedrigere Dosierung angezeigt.

Epilepsien:

Im Allgemeinen wird bei Erwachsenen die Anfangsdosis von 200 bis 400 mg Carbamazepin/Tag langsam auf die Erhaltungsdosis von 800 bis 1.200 mg Carbamazepin gesteigert.

Die Erhaltungsdosis für Kinder beträgt durchschnittlich 10 bis 20 mg Carbamazepin/kg Körpergewicht/Tag. Kinder unter 1 Jahr erhalten initial 1x100mg, die Erhaltungsdosis liegt bei 1x100-200 mg. Kinder zwischen 1-5 Jahre erhalten initial 1-2x 100 mg und als Erhaltungsdosis 1-2x 200mg Carbamazepin. Allerdings sollte bei Kindern unter 4 Jahren bevorzugt mit einer Tagesdosis von 20 – 60 mg begonnen werden. Bis zum Erreichen der therapeutischen Dosis kann diese Tagesdosis um 20 – 60 mg Carbamazepin jeden zweiten Tag gesteigert werden. Für Kinder unter 6 Jahren stehen zur Initial- und Erhaltungsdosierung nicht-retardierte Darreichungsformen (Tabletten, Saft oder Suspension) zur Verfügung. Kinder zwischen 6-10 Jahre erhalten initial 2-mal 100 mg oder als Retardtablette 200 mg abends, als Erhaltungsdosis 3-mal 200 mg oder als Retardtablette morgens 200 mg und abends 200 – 400 mg. Kinder zwischen 11-15 Jahre erhalten initial 2–3-mal 100 mg oder als Retardtablette 200 mg abends und als Erhaltungstherapie 3-mal 200 – 400 mg bzw. 3–5-mal 200 mg oder als Retardtablette morgens 200 – 400 mg und abends 400 – 600 mg.

Trigeminus-Neuralgie, genuine Glossopharyngeus-Neuralgie:

Die Tagesdosis wird mit 200 bis 400 mg Carbamazepin, in 1 bis 2 Gaben, begonnen und kann bis auf 400 bis 800 mg Carbamazepin erhöht werden. Bei älteren und empfindlichen Patienten ist eine Anfangsdosis von 2-mal täglich 100 mg ausreichend.

Schmerzzustände bei diabetischer Neuropathie:

Die durchschnittliche Tagesdosis beträgt 3-mal 200 mg, kann in Ausnahmefällen bis zu 3-mal täglich 400 mg Carbamazepin erhöht werden.

Nichtepileptische Anfälle bei Multipler Sklerose:

Die durchschnittliche Tagesdosis beträgt 800 mg Carbamazepin pro Tag, in 2-4 Gaben.

Anfallsverhütung während der stationären Alkoholentzugssyndrom-Behandlung:

Die durchschnittliche Tagesdosis beträgt 3-mal 200 mg Carbamazepin, in schweren Fällen kann die Dosis in den ersten Tagen bis auf 3-mal täglich 400 mg Carbamazepin erhöht werden. Regelmäßige Kontrollen des Carbamazepin-Spiegels sind vorzunehmen.

Prophylaxe manisch-depressiver Phasen:

Die Anfangs- sowie Erhaltungsdosis beträgt 1- bis 2-mal täglich 200 mg Carbamazepin. Gegebenenfalls kann die Dosis bis auf 800 mg pro Tag, in 3 bis 4 Gaben, erhöht werden.

Therapiedauer:

Die Anwendungsdauer ist abhängig von der jeweiligen Indikation und der individuellen Reaktion des Patienten. Carbamazepin darf in jedem Fall nicht eigenmächtig durch den Patienten abgesetzt werden.

Die antiepileptische Therapie ist eine Langzeittherapie. Eine Dosisreduktion und ein Absetzen der Medikation ist frühestens nach zwei- bis dreijähriger Anfallsfreiheit zu erwägen. Das Absetzen sollte in schrittweiser Dosisreduktion über 1-2 Jahre erfolgen.

Die Erhaltungsdosis bei der Neuralgie-Behandlung kann über einige Wochen weitergeführt werden. Durch vorsichtige Dosisreduktion sollte festgestellt werden, ob es zu einer Spontanremission gekommen ist. Beim Wiederauftreten von Schmerzattacken ist mit der ursprünglichen Dosis weiterzubehandeln. Für die Therapiedauer der Schmerzzustände bei diabetischer Neuropathie und der nichtepileptischen Anfälle bei Multipler Sklerose gilt das Gleiche.

Zur Anfallsverhütung bei der Alkoholentzugssyndrom-Behandlung sollte die Therapie unter ausschleichender Dosierung nach 7 bis 10 Tagen beendet werden.

Die Prophylaxe manisch-depressiver Phasen ist eine Langzeit-Behandlung und sollte ausschleichend über einen längeren Zeitraum abgesetzt werden.

Nebenwirkungen

Carbamazepin hat eine Vielzahl von Nebenwirkungen, die bei einer Monotherapie seltener auftreten als bei einer Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika. Viele Nebenwirkungen können dosisabhängig, insbesondere zu Behandlungsbeginn, auftreten und verschwinden dann nach 8-14 Tagen von selbst oder nach vorübergehender Dosisreduktion. Eine einschleichende Dosierung wird deshalb i. d. R. empfohlen.

Im Folgenden sind die Nebenwirkungen von Carbamazepin nach ihrer Häufigkeit aufgelistet:

Sehr häufig:

  • Leukopenie, Leukozytose, Thrombozytopenie, Eosinophilie
  • Schwindel, Ataxie (ataktische und zerebellare Störungen), Somnolenz, Sedierung, Schläfrigkeit, Erschöpfung
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Anstieg der γ-GT-Werte (bedingt durch hepatische Enzyminduktion), üblicherweise klinisch nicht relevant
  • Allergische Hautreaktionen mit und ohne Fieber, wie z. B. Urtikaria (auch stark ausgeprägt).

Häufig:

  • Ödeme, Flüssigkeitsretention, Gewichtszunahme, Hyponatriämie und verminderte Plasmaosmolalität aufgrund einer ADH-ähnlichen Wirkung, die selten zu Wasserintoxikation mit Lethargie, Erbrechen, Kopfschmerz, Verwirrtheitszuständen und anderen neurologischen Störungen führen kann
  • Kopfschmerzen, Doppelbilder sowie Akkommodationsstörungen (z. B. verschwommenes Sehen)
  • Appetitlosigkeit, Mundtrockenheit
  • Anstieg der alkalischen Phosphatase.

Gelegentlich:

  • Verzögerte, mehrere Organsysteme betreffende Überempfindlichkeitsreaktionen mit Fieber, Hautausschlag, Vaskulitis, Lymphknotenschwellung, Pseudolymphom, Gelenkschmerz, Leukopenie, Eosinophilie, Vergrößerung von Leber und Milz oder mit veränderten Leberfunktionswerten und Vanishing Bile Duct Syndrome (progrediente cholestatische Hepatopathie mit Zerstörung und Schwund der intrahepatischen Gallengänge)
  • Bei älteren Patienten Verwirrtheitszustände und Unruhe (Agitation)
  • Unwillkürliche Bewegungen wie z. B. Tremor, Asterixis, Dystonie oder Ticks, Störungen der Okulomotorik einhergehend mit Nystagmus
  • Erregungsleitungsstörungen, AV-Block in Einzelfällen mit Synkopen, Hypertonie, Hypotonie
  • Bradykardie, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufkollaps, Herzinsuffizienz, Verschlechterung einer vorbestehenden koronaren Herzkrankheit, Thrombophlebitis und Thromboembolie (z. B. Lungenembolie)
  • Diarrhö, Obstipation
  • Anstieg der Transaminasen
  • Exfoliative Dermatitis, Erythrodermie
  • Nierenfunktionsstörungen (z. B. Albuminurie, Hämaturie, Oligurie, erhöhter Harnstoffstickstoff im Blut/Azotämie).

Selten:

  • Lymphadenopathie, Senkung des Folsäurespiegels im Blut
  • Halluzinationen (akustisch und visuell), Depression, depressive oder manische Verstimmungen, Anorexie, Ruhelosigkeit, aggressives Verhalten
  • Dyskinetische Störungen wie orofaziale Dyskinesien, Choreoathetose (unwillkürliche Bewegungen im Mund-Gesichtsbereich wie Grimassieren, verschraubte Bewegungen), Sprechstörungen (z. B. Dysarthrie, verwaschene Sprache), Polyneuropathie, periphere Neuritis, periphere Neuropathie, Parästhesie, Paresen
  • Bauchschmerz
  • Verschiedene Formen von Hepatitis (cholestatisch, hepatozellulär, gemischt), Vanishing Bile Duct Syndrome, Ikterus, lebensbedrohliche akute Hepatitis, insbesondere innerhalb der ersten Therapiemonate, Leberversagen
  • Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und Toxisch epidermale Nekrolyse (TEN), Lupus erythematodes disseminatus, Pruritus
  • Muskelschwäche.

Sehr selten:

  • Agranulozytose, aplastische Anämie, Panzytopenie, Aplasie der Erythrozyten, Anämie, megaloblastäre Anämie, akute intermittierende Porphyrie, Porphyria variegata, Porphyria cutanea tarda, Retikulozytose, möglicherweise hämolytische Anämie, Milzvergrößerung
  • Aseptische Meningitis mit Myoklonus und Eosinophilie
  • Akute allergische Allgemeinreaktionen, anaphylaktische Reaktionen, Angioödeme
  • Erhöhte Prolaktin-Spiegel mit oder ohne klinische Manifestationen wie Galaktorrhö und Gynäkomastie
  • Veränderte Schilddrüsenfunktionsparameter: Vermindertes L-Thyroxin (freies Thyroxin, Thyroxin, Trijodthyronin) und erhöhtes TSH im Blut, meist ohne klinische Symptome
  • Störungen im Knochenstoffwechsel (vermindertes Serum-Kalzium und vermindertes 25-OH-Cholecalciferol), was sehr selten zu Osteomalazie oder Osteoporose führt
  • Erhöhte Cholesterinspiegel einschließlich HDL-Cholesterin und Triglyzeride, Erhöhung des freien Cortisols im Serum
  • Aktivierung latenter Psychosen, Stimmungsveränderungen wie phobische Störungen, Denkerschwernis, Antriebsverarmung
  • Geschmacksstörungen, Malignes Neuroleptisches Syndrom
  • Linsentrübung, Konjunktivitis, erhöhter Augeninnendruck, bei Langzeittherapie Retinotoxizität (reversibel nach Absetzen der Therapie)
  • Hörstörungen, z. B. Tinnitus und Hyper- und Hypoakusis sowie Änderung der Wahrnehmung von Tonhöhen
  • Hypersensitivitätsreaktionen der Lunge mit Fieber, Dyspnoe und Pneumonitis oder Pneumonie (Alveolitiden), Einzelfälle von Lungenfibrose wurden in der Literatur beschrieben
  • Schleimhautentzündungen im Mund-Rachen-Bereich (Stomatitis, Gingivitis, Glossitis), Pankreatitis
  • Granulomatöse Lebererkrankung
  • Hirsutismus und Vaskulitis
  • Arthralgien, Myalgien, Muskelkrämpfe
  • Tubulointerstitielle Nephritis, Nierenversagen, andere Harnbeschwerden (z. B. häufiges Wasserlassen, Dysurie, Pollakisurie, Harnretention)
  • Sexuelle Dysfunktion, verminderte Libido, erektile Dysfunktion, verminderte männliche Fertilität und/ oder abnorme Spermiogenese (verminderte Spermienzahl und/oder -beweglichkeit)
  • Photosensibilität, Erythema exsudativum multiforme et nodosum, Veränderung der Hautpigmentierung, Purpura, Akne, vermehrtes Schwitzen, Alopezie
  • Hypogammaglobulinämie
  • Abnahme der Knochendichte und Frakturen bei Langzeittherapie.

Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit:

  • Reaktivierung einer Infektion mit dem Humanen Herpesvirus 6
  • Knochenmarksinsuffizienz
  • Allergische Kreuzreaktionen mit anderen Antiepileptika
  • Verminderte Vitamin-B12-Spiegel und erhöhte Homocystein-Spiegel im Serum
  • Gedächtnisstörung
  • Verschlechterung der Symptome einer Multiplen Sklerose
  • Erhöhung der Anfallshäufigkeit, insbesondere Absencen können verstärkt oder neu auftreten
  • Kolitis
  • Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS-Syndrom), akute generalisierte exanthemische Pustulose (AGEP), lichenoide Keratose, Onychomadese, Vitiligo.

Wechselwirkungen

Die Anwendung von Carbamazepin in Kombination mit Monoamino-Oxidasehemmern (MAO-Hemmern) ist kontraindiziert. Eine Behandlung mit MAO-Hemmern muss deshalb mindestens zwei Wochen vor Behandlungsbeginn mit Carbamazepin beendet werden.

Carbamazepin wird hauptsächlich durch Cytochrom-P-450 3A4 (CYP3A4) zu dem aktiven Metaboliten Carbamazepin-10,11epoxid metabolisiert. Die gleichzeitige Anwendung von Induktoren oder Inhibitoren von CYP3A4 kann daher zu einer veränderten Carbamazepin-Plasmakonzentration führen, die entsprechende Nebenwirkungen zur Folge haben kann.

CYP3A4-Induktoren

CYP3A4-Induktoren könnten den Carbamazepin-Metabolismus erhöhen und dadurch möglicherweise zu einer Verringerung der Carbamazepin-Plasmakonzentration und der therapeutischen Wirkung führen. Absetzen eines CYP3A4-Induktors kann zu einem Anstieg der Carbamazepin-Plasmakonzentration führen.

Eine Verringerung der Carbamazepin-Plasmakonzentration ist z. B. möglich durch die folgenden Substanzen (nach Substanzklassen geordnet):

Plasmaspiegel des pharmakologisch wirksamen Metaboliten Carbamazepin-10,11-epoxid können durch Valproinsäure und Primidon erhöht werden.

Durch Gabe von Felbamat kann der Plasmaspiegel von Carbamazepin vermindert und der von Carbamazepin-10,11-epoxid erhöht werden, gleichzeitig kann der Felbamat-Spiegel gesenkt werden.

Aufgrund der wechselseitigen Beeinflussung, insbesondere bei gleichzeitiger Verabreichung mehrerer Antiepileptika, empfiehlt es sich, die Plasmaspiegel zu kontrollieren und die Dosierung von Carbamazepin gegebenenfalls anzupassen.

CYP3A4-Inhibitoren

Die Plasmakonzentration von Carbamazepin kann z. B. durch die folgenden Substanzen erhöht werden:

Die Carbamazepin-Plasmakonzentration sollte beim Auftreten von Nebenwirkungen überprüft und die Dosis nötigenfalls verringert werden.

Die gleichzeitige Gabe von Inhibitoren der menschlichen mikrosomalen Epoxid-Hydrolase kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen von Carbamazepin-10,11epoxid führen. Erhöhte Plasmaspiegel von Carbamazepin-10,11-epoxid können zu Symptomen wie Schwindel, Müdigkeit, Gangunsicherheit und Doppeltsehen führen. Beim Auftreten solcher Symptome sollte die Plasmakonzentration überprüft und die Dosis nötigenfalls angepasst werden, wenn die folgenden Substanzen gleichzeitig gegeben werden:
Loxapin, Quetiapin, Primidon, Progabid, Valproinsäure, Valnoctamid und Valpromid.

Einfluss von Carbamazepin auf andere Arzneimittel

Carbamazepin selbst induziert Isoenzym CYP3A4 und andere Enzyme des Cytochrom-P-450-System in der Leber. Die Plasmakonzentrationen von Substanzen, die hauptsächlich über CYP3A4 abgebaut werden kann dadurch verringert und deren Wirkung vermindert sein. Eine Dosisanpassung muss in Betracht gezogen werden. Das betrifft z. B.:

Bei Einnahme der „Pille“ können, zusätzlich zur Wirkungsabschwächung der hormonalen Kontrazeptiva, plötzliche Zwischenblutungen auftreten.

Der Plasmaspiegel von Phenytoin kann durch Carbamazepin sowohl erhöht als auch vermindert werden, wodurch in Ausnahmefällen Verwirrtheitszustände bis hin zum Koma auftreten können.
Carbamazepin kann den Plasmaspiegel von Bupropion senken und den des Metaboliten Hydroxybupropion erhöhen und somit die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Bupropion verringern.

Carbamazepin kann den Plasmaspiegel von Trazodon senken, scheint jedoch den antidepressiven Effekt von Trazodon zu verstärken.

Carbamazepin kann möglicherweise die Metabolisierung von Zotepin beschleunigen.

Weitere Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Anwendung von Carbamazepin und Levetiracetam kann die Toxizität von Carbamazepin erhöhen. Die Leberschädlichkeit von Isoniazid kann durch Carbamazepin erhöht werden.

Die gleichzeitige Anwendung von Carbamazepin und Lithium oder Metoclopramid einerseits und von Neuroleptika (Haloperidol, Thioridazin) andererseits kann das Auftreten neurologischer Nebenwirkungen begünstigen. Bei Patienten, die mit Neuroleptika behandelt werden, ist darauf zu achten, dass Carbamazepin den Plasmaspiegel dieser Arzneimittel reduzieren und dadurch eine Verschlechterung des Krankheitsbildes verursachen kann. Eine Dosisanpassung des jeweiligen Neuroleptikums kann erforderlich sein. Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die gleichzeitige Anwendung von Lithium und Carbamazepin die neurotoxische Wirkung beider Wirkstoffe, auch bei Vorliegen therapeutischer Lithium-Spiegel, verstärken kann. Daher ist eine sorgfältige Überwachung der Blutspiegel von beiden notwendig. Eine vorherige Behandlung mit Neuroleptika soll länger als 8 Wochen zurückliegen und auch nicht gleichzeitig erfolgen. Auf folgende Anzeichen neurotoxischer Symptome ist zu achten: Unsicherer Gang, Ataxie, horizontaler Nystagmus, gesteigerte Muskeleigenreflexe, Muskelzucken (Muskelfaszikulationen).

Die kombinierte Gabe von Carbamazepin und einigen Diuretika (Hydrochlorothiazid, Furosemid) kann zu einer symptomatischen Hyponatriämie führen.

Die Wirksamkeit nicht-depolarisierender Muskelrelaxanzien kann durch Carbamazepin beeinträchtigt werden, wodurch eine raschere Aufhebung der neuromuskulären Blockade möglich ist. Patienten sollten diesbezüglich überwacht und die Dosierung dieser Arzneimittel gegebenenfalls erhöht werden.

Carbamazepin kann die Alkoholtoleranz der Patienten vermindern. Die Patienten sollten daher während der Behandlung keinen Alkohol trinken.

Die gleichzeitige Gabe von Carbamazepin und direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien (Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban und Edoxaban) kann zu reduzierten Plasmaspiegeln der direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien führen.  

Zusätzliche Einnahme von Carbamazepin kann bei vorbestehender Neuroleptikatherapie das Risiko für das Auftreten eines malignen neuroleptischen Syndroms oder eines Stevens-Johnson-Syndroms erhöhen.

Bei gleichzeitiger Gabe von Isotretinoin (Wirkstoff zur Akne-Behandlung) und Carbamazepin sollten die Carbamazepin-Plasmaspiegel kontrolliert werden.

Die gleichzeitige Gabe von Carbamazepin mit Paracetamol kann die Bioverfügbarkeit von Paracetamol vermindern. Die Langzeitanwendung von Carbamazepin und Paracetamol kann zu einer Hepatotoxizität führen.

Carbamazepin verstärkt wahrscheinlich die Elimination von Schilddrüsenhormonen und erhöht deren Bedarf bei Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion. Bei Patienten, die eine Substitutionstherapie erhalten, sind daher zu Beginn und Ende einer Carbamazepin-Therapie die Schilddrüsenparameter zu bestimmen. Eventuell ist eine Dosisanpassung der Schilddrüsenhormon-Präparate vorzunehmen.

Die gleichzeitige Gabe von Antidepressiva vom Typ der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer kann zu einem toxischen Serotonin-Syndrom führen. Es wird empfohlen, Carbamazepin nicht in Kombination mit Nefazodon (depressionslösendes Mittel) anzuwenden, da Carbamazepin zu einer deutlichen Reduktion des Nefazodon-Plasmaspiegels bis hin zum Wirkungsverlust führen kann. Darüber hinaus wird bei gleichzeitiger Einnahme von Nefazodon und Carbamazepin der Carbamazepin-Plasmaspiegel erhöht und der seines aktiven Abbauproduktes Carbamazepin-10,11-epoxid erniedrigt.

Durch gleichzeitige Einnahme von Carbamazepin und Antiarrhythmika, zyklischen Antidepressiva oder Erythromycin erhöht sich das Risiko für kardiale Überleitungsstörungen.
Beeinträchtigung serologischer Untersuchungen:

Durch Interferenz bei der HPLC-Analyse kann Carbamazepin zu falsch positiven Perphenazin-Konzentrationen führen. Carbamazepin und sein 10,11-Epoxid-Metabolit können bei Fluoreszenzpolarisations-Immunoassays zu falsch positiven Konzentrationen von trizyklischen Antidepressiva führen.

Kontraindikation

Carbamazepin darf nicht eingenommen werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder gegen trizyklische Antidepressiva
  • Vorliegen einer Knochenmarksschädigung, Knochenmarkdepression in der Vorgeschichte
  • Atrioventrikulärem Block
  • Akuter intermittierender Porphyrie
  • Gleichzeitiger Behandlung mit Monoaminoxidase-Hemmstoffen
  • Gleichzeitiger Behandlung mit Voriconazol, da es zum Therapieversagen dieses Medikamentes kommen kann.

Schwangerschaft

In Zusammenhang mit der Anwendung von Carbamazepin wurde über Entwicklungsstörungen und ein generell erhöhtes Risiko für Fehlbildungen wie Spina bifida sowie über andere angeborene Anomalien wie kraniofaziale Dysmorphien, kardiovaskuläre Fehlbildungen, Fingernagelhypoplasien und Anomalien anderer Organsysteme berichtet.

Besonders in den ersten drei Monaten wenn unter einer Carbamazepin-Behandlung eine Schwangerschaft eintritt oder geplant wird oder wenn während einer Schwangerschaft eine Behandlung mit Carbamazepin begonnen werden soll, muss das Nutzen-Risiko-Verhältnis sehr sorgfältig abgewogen werden. Bei gebärfähigen Frauen und besonders während der Schwangerschaft sollte Carbamazepin wann immer möglich als Monotherapie angewendet werden. Während der für Fehlbildungen besonders anfälligen ersten drei Monate der Schwangerschaft und besonders zwischen dem 20. und 40. Tag nach der Befruchtung soll die niedrigste wirksame Dosis angewendet werden. Eine Plasmaspiegel-Kontrolle wird empfohlen, dieser sollte bei 3 bis 7 Mikrogramm/ml liegen. Bei einer Dosis von < 400 mg Carbamazepin pro Tag sind die Fehlbildungsraten niedriger als bei höheren Dosen.

Ebenso sollen die Patientinnen auf die Möglichkeit des pränatalen Screenings hingewiesen werden. Die Behandlung sollte in keinem Fall sollte ohne ärztlichen Rat abgebrochen werden, da es bei epileptischen Anfällen zur Schädigung des Kindes kommen kann.

Es wurde berichtet, dass Antiepileptika den Folsäuremangel, die in der Schwangerschaft auftreten kann, verstärken können. Deshalb sollte Folsäure vor und während der Schwangerschaft ergänzt werden.

Ebenso wird zur Vermeidung von Blutgerinnungsstörungen die prophylaktische Gabe von Vitamin K1 in den letzten Wochen der Schwangerschaft an die Mutter bzw. post partum an das Neugeborene empfohlen.

In Zusammenhang mit der Einnahme von Carbamazepin und anderen Antiepileptika wurde über Anzeichen eines Entzugssyndroms beim Neugeborenen wie z. B. Krämpfen und/oder Atemdepression berichtet, die berücksichtigt werden sollte.

Stillzeit

Carbamazepin tritt zwar in die Muttermilch über, darf aber in der Stillzeit unter der Voraussetzung, dass der gestillte Säugling bezüglich des Auftretens möglicher unerwünschter Wirkungen beobachtet wird, eingenommen werden. Beim Auftreten von verringerter Gewichtszunahme, Sedierung oder allergischer Hautreaktionen sollte abgestillt werden. Es liegen einige Berichte über cholestatische Hepatitis vor, daher sollten gestillte Kinder, deren Mütter mit Carbamazepin behandelt werden, sorgfältig auf hepatobiliäre Nebenwirkungen überwacht werden.

Verkehrstüchtigkeit

Durch das Auftreten zentralnervöser Nebenwirkungen kann Carbamazepin auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen vermindert wird.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
236.27 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 15.0 H
Q0-Wert:
1.0
Autor:
Stand:
23.07.2019
Quelle:
  1. Fachinformation, Tegretal Retardtabletten
  2. Fachinformation, Tegretal Tabletten
  3. Fachinformation, Tegretal Suspension
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