Cefiderocol
Cefiderocol ist ein neues Antibiotikum zur Behandlung von Infektionen durch aerobe gramnegative Erreger mit begrenzten Behandlungsoptionen. Der Wirkstoff ist das weltweit erste Siderophor-Cephalosporin, welches das bakterieneigene Eisenaufnahmesystem nutzt, um wie ein trojanisches Pferd in die Zellen einzudringen.
Cefiderocol: Übersicht

Anwendung
Cefiderocol (Fetcroja von Shionogi & Co.) ist ein Antibiotikum mit starker In-vitro-Aktivität gegen ein breites Spektrum gramnegativer Krankheitserreger. Das Cephalosporin wird angewendet bei Erwachsenen zur Behandlung von Infektionen durch aerobe gramnegative Erreger, wenn nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Anwendungsart
Cefiderocol wird als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von 3 Stunden gegeben.
Wirkmechanismus
Das Cephalosporin Cefiderocol enthält am β-Lactam-Ring ein spezielles Strukturelement, welches Siderophor (Eisenträger) bezeichnet wird und das Antibiotikum bei Resistenzen wertvoll macht. Siderophore sind kleine, eisenchelatisierende Verbindungen (Eisenfänger), die von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen sekretiert werden und hauptsächlich dazu dienen, Eisen durch Zellmembranen zu transportieren.
Diese Tatsache macht sich Cefiderocol zu Nutze und bindet über seine Siderophor-Seitenkette an extrazelluläres freies Eisen, was dann einen aktiven Transport über Siderophor-Aufnahmesysteme in den periplasmatischen Raum von gramnegativen Bakterien ermöglicht.
Nach der Aufnahme bindet Cefiderocol an Penicillin-bindende Proteine und hemmt die Peptidoglycan-Synthese in der bakteriellen Zellwand, was zur Lyse und zum Tod der Zelle führt.
Pharmakokinetik
Verteilung
- Cefiderocol weist eine Plasmaproteinbindung von 40 bis 60% auf.
- Der geometrische Mittelwert des Verteilungsvolumens (CV%) von Cefiderocol in der terminalen Phase betrug bei gesunden erwachsenen Probanden (n=43) nach intravenöser Gabe einer 2g-Einzeldosis Cefiderocol 18,0l (18,1%) und entsprach damit in etwa dem extrazellulären Flüssigkeitsvolumen.
- Bei Mehrfachgabe alle 8 Stunden an gesunden erwachsenen Probanden mit normaler Nierenfunktion kommt es nicht zur Akkumulation.
Biotransformation
- Nach Gabe einer Einzeldosis von 1g [14C]-markiertem Cefiderocol als 1-stündige Infusion entfielen 92,3% der AUC der Gesamtradioaktivität im Plasma auf Cefiderocol.
- Der vorherrschende Metabolit, Pyrrolidin-Chlorbenzamid (PCBA, ein Abbauprodukt von Cefiderocol), machte 4,7% der AUC der Gesamtradioaktivität im Plasma aus, während auf andere, weniger bedeutende Metabolite jeweils <2% der AUC der Gesamtradioaktivität im Plasma entfielen.
Elimination
- Die terminale Eliminationshalbwertszeit betrug bei gesunden erwachsenen Probanden 2 bis 3 Stunden.
- Der geometrische Mittelwert (%CV) der Clearance von Cefiderocol wird bei gesunden Probanden auf 5,18l/h (17,2%) geschätzt.
- Cefiderocol wird in erster Linie über die Nieren ausgeschieden.
- Nach Gabe einer Einzeldosis von 1g [14C]-markiertem Cefiderocol als 1-stündige Infusion wurden 98,6% der Gesamtradioaktivität der gegebenen Dosis im Harn und 2,8% der gegebenen Dosis in den Fäzes ausgeschieden; 90,6% der gegebenen Dosis wurden als unveränderte Substanz im Harn ausgeschieden.
Linearität/Nicht-Linearität
- Cefiderocol weist im Dosisbereich von 100 mg bis 4.000 mg eine lineare Pharmakokinetik auf.
Dosierung
Bei normaler Nierenfunktion (CrCL ≥90 bis <120ml/min) beträgt die empfohlene Dosis 2g Cefiderocol alle 8 Stunden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten beschriebenen Nebenwirkungen unter Fetcroja sind:
- Diarrhö (8,2%)
- Erbrechen (3,6%)
- Übelkeit (3,3%)
- Husten (2%)
Es liegen Berichte über Clostridioides-difficile-assoziierte Diarrhö nach Anwendung von Cefiderocol vor. Der Schweregrad der Erkrankung kann von leichter Diarrhö bis hin zu einer tödlich verlaufenden Colitis reichen.
Wechselwirkungen
- Cefiderocol induziert in vitro CYP3A4. Daher kann die Metabolisierung von gleichzeitig angewendeten Arzneimitteln, die Substrate von CYP3A4 sind, zunehmen, wodurch die systemischen Konzentrationen dieser Arzneimittel abnehmen können.
- Wenn Cefiderocol zusammen mit CYP3A4-Substraten angewendet wird, sind die Patienten auf eine verminderte Wirkung des begleitend angewendeten Arzneimittels zu überwachen.
- Da die in vitro beobachtete induzierende Wirkung von Cefiderocol auf CYP3A4 durch PXR vermittelt wird, können auch andere durch PXR induzierbare Proteine, wie z.B. die CYP2C-Familie und PgP, induziert werden. Die klinische Relevanz einer derartigen Induktion ist nicht bekannt. Daher sind die Patienten bei Anwendung von Cefiderocol zusammen mit Substraten der CYP2C-Familie oder PgP-Substraten auf eine verminderte Wirkung des begleitend angewendeten Arzneimittels zu überwachen.
- Auf Grundlage von In-vitro-Studien und einer klinischen Untersuchung der Phase I werden keine signifikanten Arzneimittelwechselwirkungen zwischen Cefiderocol und Substraten oder Inhibitoren von Cytochrom-P450-Enzymen (CYPs) oder intestinalen, renalen oder hepatischen Arzneistofftransportern erwartet
- Die Pharmakokinetik von Furosemid (ein OAT1-und OAT3-Substrat) oder Metformin (ein OCT1-, OCT2-und MATE2-K-Substrat) wurde durch die gleichzeitige Anwendung mit 2g-Dosen Cefiderocol alle 8 Stunden nicht beeinflusst.
- Die gleichzeitige Anwendung mit 2g-Dosen Cefiderocol alle 8 Stunden erhöhte die AUC von Rosuvastatin (ein OATP1B3-Substrat) um 21%, was als nicht klinisch bedeutsam eingestuft wurde.
Kontraindikation
Cefiderocol darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder genannten sonstigen Bestandteile des Arzneimittels
- Überempfindlichkeit gegen Cephalosporin-Antibiotika
- Schwere Überempfindlichkeit (z.B. anaphylaktische Reaktion, schwere Hautreaktion) gegen andere Arten von Betalactam-Antibiotika (z.B. Penicilline, Monobactame oder Carbapeneme)
Schwangerschaft
Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen (weniger als 300 Schwangerschaftsausgänge) mit der Anwendung von Cefiderocol bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität. Aus Vorsichtsgründen sollte Cefiderocol jedoch während der Schwangerschaft nicht angewendet werden.
Schwangerschaft/Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Cefiderocol oder seine Metabolite in die Muttermilch übergehen. Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung verzichtet werden soll bzw. die Behandlung zu unterbrechen ist. Dabei soll sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau berücksichtigt werden.
Verkehrstüchtigkeit
Cefiderocol hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Studienlage
Die Zulassung von Fetcrja basiert auf Daten von den drei klinischen Studien
- APEKS-NP (NCT03032380)
- APEKS-cUTI (NCT02321800)
- CREDIBLE-CR (NCT02714595)
APEKS-NP
Die doppelblinde klinische Phase-III-Studie APEKS-NP untersuchte die Wirksamkeit von Cefiderocol bei der Behandlung von nosokomialer Pneumonie durch gramnegative Krankheitserreger an 148 Teilnehmern gegenüber Meropenem an 152 Probanden. Die Gesamtmortalität am Tag 14 betrug 12,4% mit Cefiderocol (18 Patienten von 145) und 11,6% mit Meropenem. Bei 130 (88%) von 148 Teilnehmern in der Cefiderocol-Gruppe und 129 (86%) von 150 in der Meropenem-Gruppe wurden behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse berichtet. Das häufigste behandlungsbedingte unerwünschte Ereignis war eine Harnwegsinfektion in der Cefiderocol-Gruppe (23 Patienten [16%] von 148) und eine Hypokaliämie in der Meropenem-Gruppe (23 Patienten [15%] von 150). Zwei Teilnehmer (1%) von 148 in der Cefiderocol-Gruppe und zwei (1%) von 150 in der Meropenem-Gruppe brachen die Studie wegen arzneimittelbedingter unerwünschter Ereignisse ab. Cefiderocol war somit hochdosiertem Meropenem in Bezug auf die Gesamtmortalität am 14. Tag bei Patienten mit gramnegativer nosokomialer Pneumonie bei ähnlicher Verträglichkeit nicht unterlegen.
APEKS-cUTI
In der Studie APEKS-cUTI an der 452 Erwachsene mit komplizierter Harnwegsinfektion teilnahmen, wurden 73% der mit Fetcroja behandelten Patienten geheilt (auf der Grundlage fehlender Symptome und Tests auf Bakterien im Urin), verglichen mit 55 % der Patienten, die mit einer Kombination aus Imipenem und Cilastatin behandelt wurden.
CREDIBLE-CR
An der randomisierten, offenen klinischen Studie CREDIBLE-CR nahmen 152 Erwachsene mit verschiedenen schweren Infektionen teil, die durch Bakterien verursacht wurden, die resistent gegen Carbapeneme waren. Bei Lungeninfektionen wurden 50% der mit Fetcroja behandelten Patienten geheilt, im Vergleich zu 53% der Patienten, die die beste alternative Behandlung erhielten.
Bei Blutbahninfektionen lagen diese Werte bei 44% bzw. 43%.
Bei komplizierten Harnwegsinfektionen wurden bei 53% der mit Fetcroja behandelten Patienten im Urin keine krankheitserregenden Bakterien mehr festgestellt, verglichen mit 20% der Patienten, die die beste alternative Behandlung erhielten.
Gesamtmortalität bei Patienten mit Infektionen durch Carbapenem-resistente gramnegative Bakterien
Insgesamt wurde bei den mit Cefiderocol behandelten Patienten eine höhere Gesamtmortalitätsrate festgestellt als bei Patienten, die die beste verfügbare Therapie (BAT, Best Available Therapy) erhielten.
- Die höhere Gesamtmortalitätsrate unter Cefiderocol an Tag 28 betraf Patienten, die wegen nosokomialer Pneumonie, Bakteriämie und/oder Sepsis behandelt wurden [25/101 (24,8%) vs. 9/49 (18,4%) unter BAT; Differenz zwischen den Behandlungen: 6,4%;95%-KI (-8,6; 19,2)].
- Die höhere Gesamtmortalität bei den mit Cefiderocol behandelten Patienten war bis zum Ende der Studie zu beobachten [34/101 (33,7%) vs. 9/49 (18,4%) unter BAT;
- Differenz zwischen den Behandlungen: 15,3%;95%-KI (-0,2; 28,6)].
- Die Ursache der höheren Mortalität konnte nicht festgestellt werden. In der Cefiderocol-Gruppe bestand ein Zusammenhang zwischen der Mortalität und einer Infektion mit Acinetobacter spp. Diese Spezies waren für die meisten Infektionen durch nichtfermentierende Bakterien (Nonfermenter) verantwortlich. Demgegenüber war die Mortalität unter Cefiderocol bei Infektionen durch andere Nonfermenter nicht höher als unter der BAT.
Wirkstoff-Informationen
- Shionogi: SHIONOGI ERHÄLT MARKTZULASSUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION FÜR FETCROJA®
- EMA: Fachinformation Fetcroja
- The Lancet: Cefiderocol versus high-dose, extended-infusion meropenem for the treatment of Gram-negative nosocomial pneumonia (APEKS-NP): a randomised, double-blind, phase 3, non-inferiority trial