Celiprolol
Celiprolol gehört zur Klasse der Betablocker und weist mit seinem Antagonismus an Beta-1-Rezeptoren und seinem partiellen Agonismus an Beta-2-Rezeptoren eine einzigartige Pharmakologie innerhalb der Wirkstoffgruppe auf.
Celiprolol: Übersicht

Anwendung
Der Betablocker Celiprolol ist indiziert zur Therapie von arterieller Hypertonie und Koronarer Herzkrankheit. Darüber hinaus wird der Wirkstoff auch für die Behandlung des vaskulären Ehlers-Danlos-Syndroms untersucht, einer seltenen Bindegewebserkrankung, die durch eine fragile arterielle Struktur und ein erhöhtes Risiko lebensbedrohlicher vaskulärer Komplikationen gekennzeichnet ist
Wirkmechanismus
Celiprolol ist ein β1-Andrenozeptor-Antagonist mit partieller β2-agonistischer Aktivität und leichter α2-antagonistischer Wirkung. Angesichts dieser Kombination von Wirkungen kann Celiprolol als selektiver Adrenorezeptor-Modulator beschrieben werden. Der α2-Antagonismus ist schwach und unwirksam bei der Blockierung der Wirkungen des α2-Agonisten Clonidin. Es wird daher angenommen, dass der α2-Agonismus von Celiprolol wenig zu seiner pharmakologischen Gesamtwirkung beiträgt.
Seine Blockade von β1-Adrenorezeptoren reduziert die sympathoadrenale Stimulation des Herzens sowie die Herzfrequenz (negativ chronotrope Wirkung) im Sinusknoten und die kardiale Kontraktilität (negativ inotrope Wirkung) im Myokard.
Darüber hinaus kann stimuliert Celiprolol die Freisetzung von Stickstoffmonoxid, was eine koronare Vasodilatation induziert.

Pharmakokinetik
Resorption
- Celiprolol wird nach oraler Anwendung rasch resorbirt mit einer tmax von ca. drei Stunden.
- Die Resorption ist nicht dosislinear .
- Die Bioverfügbarkeit beträgt bei einer oralen Einmaldosis von 100 mg 30%, von 200 mg 56%, von 400 mg 74%.
Verteilung
- Die Verteilung von β1-Adrenozeptor-Antagonisten erfolgt schnell aus dem Blut in andere Gewebe.
- Celiprolol ist ein hydrophiler Wirkstoff, der sich nach Resorption in alle Gewebe mit Ausnahme des Gehirns verteilt.
- In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass die Rate der Diffusion durch die menschliche Plazenta 3- bis 4-mal geringer ist als die vergleichbarer β-Blocker (Propranolol, Timolol, Labetalol) mit etwa 25% Plasmaproteinbindung.
- Es ist unklar, ob dies zu einem geringeren Risiko fötaler Komplikationen führt.
Metabolisierung
- Celiprolol wird praktisch nicht metabolisiert.
Elimination
- Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 5 bis 7 Stunden.
- Bei schweren Nieren- und/oder Leberfunktionsstörungen ist mit einer verlängerten Eliminationshalbwertszeit zu rechnen.
- Nach oraler Gabe wird das absorbierte Celiprolol zu etwa gleichen Teilen renal und biliär ausgeschieden.
- Die Gesamtausscheidung beträgt nach 72 Stunden ca. 95% der applizierten Dosis.
- Hinweise auf eine Kumulation bei wiederholter Gabe sind nicht gegeben.
Nebenwirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Celiprolol sind.
- Depression, Halluzinationen, Albträume
- Bradykardie, Synkopen, Palpitationen, atrioventrikuläre Überleitungsstörungen oder Verstärkung einer Herzinsuffizienz
- verstärkter Blutdruckabfall, Hitzewallung, Verstärkung von peripheren Durchblutungsstörungen wie z. B. Claudicatio intermittens oder Raynaud-Syndrom
- Abdominalschmerzen, Mundtrockenheit, vorübergehende MagenDarm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Obstipation,Diarrhö)
- Hyperhidrose, allergische Hautreaktionen, Exantheme, Erythem, Pruritus, Haarausfall
- Erektile Dysfunktion
Aufgrund seiner β2-agonistischen Aktivität fehlen Celiprolol die typischen Nebenwirkungen der Betablocker, wie Bronchokonstriktion, Unterdrückung der linksventrikulären Funktion und periphere Vasokonstriktion.
Wechselwirkungen
Mit folgenden Verbindungen kann es bei der Therapie mit Celiprolol zu Wechselwirkungen kommen:
- Insulin, orale Antidiabetika: Wirkung kann verstärkt oder verlängert sein und die Warnzeichen einer Hypoglykämie, insbesondere Tachykardie und Tremor, maskiert oder abgemildert werden. Daher sind regelmäßige Blutzuckerkontrollen erforderlich.
- Andere blutdrucksenkende Arzneimittel (z. B. Diuretika, Phenothiazine, Narkotika, Vasodilatatoren, trizyklische Antidepressiva, Nitroglyzerin, Barbiturate): Eine gleichzeitige Gabe kann die antihypertone Wirkung von Betablockern sowie das Risiko für eine orthostatische Hypotension potenzieren.
- Reserpin, alpha-Methyldopa, Guanfacin, Herzglykoside, Clonidin: stärkeres Absinken der Herzfrequenz bzw. Verzögerung der Überleitung
- Clonidin: Überschießender Blutdruckanstieg bei abruptem Absetzen von Clonidin möglich.
- Nicht-Dihydropyridin-Calciumkanalblocker vom Verapamiltyp und, in geringerem Maße vom Diltiazemtyp oder andere Antiarrhythmika (z. B. Disopyramid, Amiodaron): Verringerung der AV-Überleitungsgeschwindigkeit und Senkung der myokardialen Kontraktilität, Hypotonie, Bradykardie oder andere Herzrhythmusstörungen.
- Die i.v.-Applikation von Calciumkanalblockern vom Verapamil- oder Diltiazem-typ oder anderen Antiarrhythmika (z. B. Disopyramid) ist während der Behandlung mit Celiprolol kontraindiziert (Ausnahme: Intensivmedizin). Verapamil i.v. erst 48 Stunden nach dem Absetzen von Celiprolol verabreichen.
- Die kardiodepressiven Wirkungen von Celiprolol und Antiarrhythmika können sich addieren.
- Calciumkanalblocker vom Nifedipintyp: verstärkte Blutdrucksenkung, gelegentlich Ausbildung einer Herzinsuffizienz.
- P-gp-Inhibitoren/-Induktoren: P-gp-Inhibitoren (z. B. Verapamil, Erythromycin, Clarithromycin, Ciclosporin, Chinidin, Ketoconazol oder Itraconazol) führen wahrscheinlich zu erhöhten Konzentrationen von Celiprolol im Plasma.
- Bei Beginn oder Absetzen einer Behandlung mit einem P-gp-Induktor kann eine Dosisanpassung von Celiprolol notwendig werden.
- Digitalis-Glykoside: Verlängerung der atrioventrikulären Überleitungszeit.
- Fingolimod: bradykarde Wirkungen werden potenziert.
- Indometacin: Reduktion der blutdrucksenkenden Wirkung.
- Adrenalin, Noradrenalin: Beträchtlicher Blutdruckanstieg.
- MAO-Hemmer: Überschießende Hypertonie möglich.
- Periphere Muskelrelaxanzien (z. B. Suxamethonium, Tubocurarin): Verstärkung der neuromuskulären Blockade.
- Narkotika: Verstärkte Blutdrucksenkung und Abschwächen der Reflextachykardie. Die negativ inotropen Wirkungen beider Substanzen können sich addieren.
- Vor Eingriffen in Allgemeinnarkose oder vor der Anwendung peripherer Muskelrelaxanzien, muss der Narkosearzt über die Behandlung mit Celiprolol informiert werden.
- Cimetidin: Verstärkung der Wirkung von Celiprolol.
- Prostaglandinsynthese-Hemmer: mögliche Abschwächung der hypotensiven Wirkung von Betablockern.
- Mefloquin: Bradykardie möglich.
- Sympathomimetisch wirksame Substanzen können den Effekten der Betablocker entgegenwirken.
- Säften aus Zitrusfrüchten können die Resorption von Celiprolol aus dem Darmtrakt verringern.
Kontraindikationen
Celiprolol darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder andere Betablocker
- manifester Herzinsuffizienz
- kardiogenem Schock
- AV-Block II. oder III. Grades
- Sinusknoten-Syndrom („sick sinus syndrome“)
- sinuatrialem Block
- Bradykardie (Ruhepuls vor Behandlungsbeginn unter 50 Schlägen pro Minute)
- Hypotonie (systolischer Blutdruck unter 100 mmHg)
- Azidose
- bronchialer Hyperreagibilität (z. B. bei Asthma bronchiale)
- Spätstadien peripherer Durchblutungsstörungen (z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Raynaud-Syndrom)
- schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min)
- schwerer Leberfunktionsstörung
- gleichzeitiger Gabe von MAO-Hemmstoffen (ausgenommen MAO-B-Hemmstoffe)
- unbehandeltem Phäochromozytom
Schwangerschaft
Celiprolol sollte während der Schwangerschaft nur bei zwingender Indikation angewendet werden. Beim Neugeborenen bleibt die Betablockeraktivität für mehrere Tage nach der Geburt erhalten und es kann eine Herzinsuffizienz entstehen, die eine Hospitalisierung auf einer Intensivstation erfordelich macht. Das Plasmavolumen sollte wegen der Gefahr eines akuten Lungenödems
nicht erhöht werden.
Wegen der Möglichkeit des Auftretens von Bradykardie, Atemnot, Hypoglykämie und Hypotonie beim Neugeborenen sollte die Therapie 48 bis 72 Stunden vor dem errechneten Geburtstermin beendet werden. Ist dies nicht möglich, müssen die Neugeborenen nach der Entbindung in den ersten 3 bis 5 Tagen sorgfältig überwacht werden.
Metoprolol gehört zu den Antihypertensiva der Wahl für die Schwangerschaft.
Stillzeit
Unter der Behandlung mit Celiprolol sollte nicht gestillt werden. In der Stillzeit gehört Metoprolol zu den Betablockern der Wahl.
Verkehrstüchtigkeit
Bei der Behandlung mit Celiprolol kann es, individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, zu Nebenwirkungen kommen, welche das Reaktionsvermögen so weit verändern können, so dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigt sein kann.
Alkohol.
Anwendungshinweise
Da bei Einnahme von unselektiven Betablockern auch β2-Rezeptoren der Leber blockiert werden, kommt es zu einer Hemmung der Glykogenolyse, was mit einem erhöhten Risiko für Hypoglykämie assoziiert sein kann. Darüber hinaus werden durch β1-Blockade Warnsymptome einer Hypoglykämie (Tachykardie, Tremor, Unruhe) maskiert. Diabetiker sollten deshalb bei Therapie mit Betablockern angewiesen werden auf das Hypoglykämie-Warnsymptom Schwitzen zu achten, da dieses Acetylcholin-vermittelt ist und nicht durch Betablocker beeinträchtigt wird. Generell sollte bei Diabetikern allerdings darauf geachtet werden, dass β1-selektive Betablocker angewendet werden, um die Auswirkungen auf die Gegenregulation möglichst gering zu halten.
Alternativen
Unterscheidung der einzelnen Vertreter
Vertreter dieser Gruppe lassen sich u.a. aufgrund ihrer Selektivität zu den einzelnen β-Rezeptoren, ihrer Lipophilie, ihren membranstabilisierenden Eigenschaften und ihrer intrinsisch sympathomimetischen Aktivität unterschieden werden.Propranolol ist aufgrund seiner hohen Lipophilie ZNS-gängig und wird deshalb auch zur Behandlung von Angst eingesetzt werden. Carvedilol bewirkt neben seiner Betarezeptor-blockierenden Wirkung auch eine Blockade des α1-Adrenozeptors.
β-Rezeptoren-Affinität
Wirkstoff |
Affinität |
---|---|
Bisoprolol | β1>>β2 |
Carvedilol | β1=β2 |
Metoprolol | β1>β2 |
Propranolol | β1=β2 |
Selektive Wirkstoffe
Nicht-selektive Wirkstoffe
Betablocker mit α1-Rezeptor-blockierenden Eigenschaften
Wirkstoff-Informationen
- Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Medizinische Chemie; Dieter Steinhilber, Manfred Schubert-Zsilavecz, Hermann J. Roth
- Fachinformation Selectol
- Nawarskas, James J et al.; Celiprolol: A Unique Selective Adrenoceptor Modulator; Cardiology in review vol. 25,5 (2017): 247-253. doi:10.1097/CRD.0000000000000159
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