Cisplatin
Cisplatin ist ein Zytostatikum, das zur Behandlung vieler verschiedener Krebsarten wie bspw. beim Hoden-, Ovarial-, Harnblasen-, Plattenepithel- oder kleinzelligen Bronchialkarzinom angewendet wird. Es handelt sich um einen planaren cis-Diaminkomplex mit zweiwertigem Platin als Zentralatom. Wirkform ist der elektrophile Aquakomplex.
Cisplatin: Übersicht

Anwendung
Cisplatin wird angewendet zur Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten:
- Hodenkarzinoms
- Ovarialkarzinoms
- Harnblasenkarzinoms
- Plattenepithelkarzinoms im Kopf- und Halsbereich
- nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms
In Kombination mit anderen Chemotherapeutika oder einer Strahlentherapie ist Cisplatin indiziert zur Behandlung des Zervixkarzinoms.
Wirkmechanismus
Cisplatin wird aktiviert sobald es in die Zelle gelangt. Im Zytoplasma werden die Chloratome am Cisplatin durch Wassermoleküle verdrängt und ein starkes Elektrophil erzeugt, das mit jedem Nukleophil, einschließlich der Sulfhydrylgruppen an Proteinen und Stickstoffdonoren an Nukleinsäuren, reagieren kann. Cisplatin bindet an das reaktive Zentrum von Purinresten und kann als solches Desoxyribonukleinsäure (DNA)-Schäden in Krebszellen verursachen, die Zellteilung blockieren und zur Apoptose der Zelle führen.

Pharmakokinetik
Resorption
- Nach Cisplatin-Dosen von 20 bis 120 mg/m2 sind die Platinkonzentrationen in Leber, Prostata und Niere am höchsten; etwas niedriger sind die Spiegel in Blase, Muskel, Hoden, Bauchspeicheldrüse und Milz; und am niedrigsten in Darm, Nebenniere, Herz, Lunge, Großhirn und Kleinhirn.
- Platin kann bis zu 180 Tage nach der letzten Verabreichung im Gewebe nachgewiesen werden.
Verteilung
- Das Verteilungsvolumen im Steady State beträgt 11-12 l/m2
- Cisplatin geht keine sofortige und reversible Bindung an Plasmaprotein ein, die für eine normale Arzneimittel-Protein-Bindung charakteristisch ist.
- Platin selbst ist jedoch in der Lage, an Plasmaproteine, einschließlich Albumin, Transferrin und Gammaglobulin, zu binden.
- Drei Stunden nach einer Bolusinjektion und zwei Stunden nach dem Ende einer dreistündigen Infusion sind 90% des Plasmaplatins proteingebunden.
Elimination
- Die Muttersubstanz Cisplatin wird mit dem Urin ausgeschieden.
- Obwohl nach Verabreichung von Cisplatin geringe Mengen an Platin in der Galle und im Dickdarm vorhanden sind, scheint die fäkale Ausscheidung von Platin unbedeutend zu sein.
- Nach Verabreichung von 50 oder 100 mg/m2 Cisplatin zerfällt dieses mit einer Halbwertszeit von 20 bis 30 Minuten.
- Cisplatin besitzt eine Plasmahalbwertszeit von 30 Minuten.
- Die Komplexe zwischen Albumin und dem Platin von Cisplatin dissoziieren nicht in signifikantem Ausmaß und werden langsam mit einer Mindesthalbwertszeit von fünf Tagen oder länger eliminiert.
- 15-16 l/h/m2 [Gesamtkörperclearance, 7-stündige Infusion von 100 mg/m2]
- 62 ml/min/m2 [renale Clearance, 2-stündige Infusion von 100 mg/m2]
- 50 ml/min/m2 [renale Clearance, 6- bis 7-stündige Infusion von 100 mg/m2]
- Die renale Clearance von freiem Platin ist nichtlinear und variabel und hängt von der Dosis, der Urinflussrate und der individuellen Variabilität des Ausmaßes der aktiven Sekretion und einer möglichen tubulären Reabsorption ab.
Dosierung
Die Cisplatindosis ist abhängig von der Grunderkrankung, der zu erwartenden Reaktion und ob Cisplatin als Monotherapie oder im Rahmen einer Kombinationstherapie angewendet wird. Enstprechende Informationen können der Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten gemeldeten unerwünschten Ereignisse (>10%) unter Anwendung von Cisplatin sind:
- hämatologische Nebenwirkungen (Leukopenie, Thrombozytopenie und Anämie)
- gastrointestinale Erkrankungen (Anorexie, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall)
- Erkrankungen des Ohrs (Beeinträchtigung des Gehörs)
- Erkrankungen der Nieren (Nierenversagen, Nephrotoxizität, Hyperurikämie)
- Fieber
Cisplatin besitzt unter den Zytostatika die höchste emetogene Potenz. Dosislimitierende Hauptnebenwirkung ist die Nephrotoxizität.
Wechselwirkungen
Mit folgenden Verbindungen kann es bei der Anwendung von Cisplatin zu Wechselwirkungen kommen:
- andere myelosuppressive Arzneimittel oder Strahlentherapie: Verstärkung der myelosuppressiven Aktivität von Cisplatin
- nephrotoxische Substanzen: Eine gleichzeitige Anwendung nephrotoxischer (z. B. Cephalosporine, Aminoglykoside, Amphotericin B oder Kontrastmittel) oder ototoxischer (z. B. Aminoglykoside) Arzneimittel kann die toxischen Wirkungen von Cisplatin auf die Nieren noch verstärken. Angesichts der eventuell verminderten renalen Elimination sollten überwiegend renal ausgeschiedene Arzneimittel, beispielsweise Zytostatika wie Bleomycin und Methotrexat, während und nach der Behandlung mit Cisplatin nur vorsichtig angewendet werden.
- Bleomycin und Vinblastin: Cisplatin kann in Kombination mit Bleomycin und Vinblastin ein Raynaud-Phänomen herbeiführen.
- Ifosfamid: Die Nephrotoxizität von Ifosfamid kann bei gleichzeitiger Anwendung mit Cisplatin oder bei zuvor mit Cisplatin behandelten Patienten verstärkt sein.
- Bleomycin und Etoposid: Nach Gabe von Cisplatin in Kombination mit Bleomycin und Etoposid wurde in wenigen Fällen eine Verminderung der Lithiumspiegel im Blut verzeichnet. Daher wird zu einer Überwachung der Lithiumwerte geraten.
- Allopurinol, Colchicin, Probenecid oder Sulfinpyrazon: Dosisanpassung von Allopurinol, Colchicin, Probenecid oder Sulfinpyrazon kann nötig werden, da Cisplatin zu einem Anstieg der Harnsäurekonzentration im Serum führt.
- Docetaxel: In einer Studie an Krebspatienten mit metastasierten oder fortgeschrittenen Tumoren induzierte die Kombination von Docetaxel und Cisplatin eine schwerere Neurotoxizität (dosisabhängig und sensorisch) als die jeweiligen Einzelsubstanzen in vergleichbarer Dosierung.
- Chelatbildner wie Penicillamin: Wirksamkeit von Cisplatin kann herabgesetzt sein.
- Ciclosporin: Verstärkte Immunsuppression und das damit verbundenes Risiko einer Lymphoproliferation möglich.
-
Ototoxische Substanzen: Die gleichzeitige Behandlung mit ototoxischen Substanzen (z. B. Aminoglykoside, Schleifendiuretika) wird die von Cisplatin auf das Hörvermögen
ausgeübten toxischen Wirkungen potenzieren. Mit Ausnahme von Patienten unter Cisplatin-Dosen über 60 mg/m2 KO, deren Harnausscheidung weniger als 1000 ml pro 24 Stunden beträgt, sollte angesichts möglicher Tubulusschädigung und Ototoxizität keine forcierte Diurese mit Schleifendiuretika durchgeführt werden. - Ifosfamid: durch Cisplatin bedingter Hörverlust kann verstärkt werden.
- Abgeschwächte Lebendimpfstoffe: Wegen der Gefahr einer letalen systemischen Impfreaktion bestehen strenge Gegenanzeigen gegen Gelbfieber-Vakzin.
- Orale Antikoagulantien: Bei gleichzeitiger Anwendung von oralen Antikoagulantien ist eine regelmäßige Überwachung des INR-Werts (Prothrombinzeit) ratsam.
- Antihistaminika, Buclizin, Cyclizin, Loxapin, Meclozin, Phenothiazine, Thioxanthene oder Trimethobenzamide: Symptome einer Ototoxizität (wie Schwindel und Tinnitus) können durch die gleichzeitige Anwendung maskiert werden.
- Antikonvulsiva: Serumkonzentrationen von Antikonvulsiva können während der Behandlung mit Cisplatin im subtherapeutischen Bereich bleiben. Cisplatin kann die Resorption von Phenytoin herabsetzen, so dass bei Gabe von Phenytoin eine reduzierte Epilepsiekontrolle besteht. Unter der Cisplatin-Therapie ist das Einleiten einer neuen antiepileptischen Behandlung mit Phenytoin strikt kontraindiziert.
- Pyridoxin und Altretamin: In einer randomisierten Studie zum fortgeschrittenem Ovarialkarzinom wurde die Ansprechzeit auf die Behandlung durch eine gleichzeitige Gabe von Pyridoxin und Altretamin (Hexamethylmelamin) und Cisplatin negativ beeinflusst.
- Paclitaxel: Die Behandlung mit Cisplatin vor einer Infusion mit Paclitaxel kann die Clearance von Paclitaxel um 33% herabsetzen und folglich die Neurotoxizität intensivieren.
Kontraindikationen
Cisplatin ist kontraindiziert bei:
- bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- vorbestehender renaler Dysfunktion bei Patienten in dehydriertem Zustand (zur Vorbeugung einer schwerwiegenden Nierenfunktionsstörung ist vor und nach der Anwendung eine Hydrierung erforderlich)
- Myelosuppression
- vorbestehender Beeinträchtigung des Gehörs
- mit Cisplatin-bedingter Neuropathie
- Patientinnen die stillen
Darüber hinaus darf Cisplatin nicht in Kombination mit Lebendimpfstoffen, einschließlich Gelbfieberimpfstoff oder in Kombination mit prophylaktisch eingesetztem Phenytoin angewendet werden.
Schwangerschaft
Cisplatin kann bei der Anwendung in der Schwangerschaft fetotoxisch wirken. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität und transplazentare Kanzerogenität gezeigt. Cisplatin
darf während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, das Risiko für die Patientinscheint klinisch gerechtfertigt.
CAVE: Während der Behandlung mit Cisplatin sowie mindestens 6 Monate danach müssen angemessene Maßnahmen zur Verhütung einer Schwangerschaft durchgeführt werden.
Stillzeit
Cisplatin geht in die Muttermilch über. Während der Behandlung mit Cisplatin darf nicht gestillt werden.
Verkehrstüchtigkeit
Da es bei der Anwendung von Cisplatin zu Schläfrigkeit und/oder Erbrechen kommen kann, sollten betroffene Patienten kein Fahrzeug steuern und keine Maschinen bedienen.
Anwendungshinweise
Bei höher konzentrierten Cisplatinparavasaten können lokale Nekrosen und Ulzerationen entstehen.
Alternativen
Weitere Platinverbindungen sind:
Alle gehören zur Gruppe der Alkylanzien und bewirken eine Quervernetzung der DNA-Stränge.
Wirkstoff-Informationen
- Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010
- Mutschler Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Fachinformation Cisplatin
- Drugbank: Cisplatin, abgerufen am 14.04.2022
Abbildung
Adapted from „Basic Methods of Chemotherapy”, by BioRender.com
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