Cyclophosphamid
Cyclophosphamid ist ein Zytostatikum und gehört zur Gruppe der Alkylanzien und der Stickstofflost-Analoga. Der Wirkstoff wird zur Behandlung verschiedenster Krebs- und Autoimmunerkrankungen angewendet. Cyclophosphamid ist ein Prodrug, das erst durch hepatische Enzyme aktiviert wird. Danach kommt es zu einer Alkylierung der DNA und Bildung von DNA-DNA-Vernetzungen, die zu einer Hemmung der DNA-Synthese und zum Zelltod führen
Cyclophosphamid: Übersicht

Anwendung
Cyclophosphamid wird zur Behandlung zahlreicher Tumorerkrankungen angewendet. In Kombination mit weiteren antineoplastisch wirksamen Arzneimitteln ist Cyclophosphamid bei der Chemotherapie folgender Krebserkrankungen indiziert:
- Remissionsinduktion und Konsolidierungstherapie bei akuter lymphatischer Leukämie
- Remissionsinduktion bei Morbus Hodgkin
- Non-Hodgkin-Lymphome (in Abhängigkeit vom histologischen Typ und Krankheitsstadium auch als Monotherapie)
- Chronisch lymphatische Leukämie nach Versagen der Standardtherapie (Chlorambucil/Prednison)
- Remissionsinduktion bei Plasmozytom (auch in Kombination mit Prednison)
- Adjuvante Therapie des Mammakarzinoms nach Resektion des Tumors beziehungsweise Mastektomie
- Palliative Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
- Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom
- Kleinzelliges Bronchialkarzinom
- Ewing-Sarkom
- Neuroblastom
- Rhabdomyosarkom bei Kindern
- Osteosarkom
Darüber hinaus wird Cyclophosphamid bei der Konditionierung vor allogener Knochenmarkstransplantation angewendet bei:
- schwerer aplastischer Anämie als Monotherapie oder in Kombination mit Anti-Thrombozyten-Globulin
- akuter myeloischer und akuter lymphoblastischer Leukämie in Kombination mit Ganzkörperbestrahlung oder Busulfan
- chronischer myeloischer Leukämie in Kombination mit Ganzkörperbestrahlung oder Busulfan
Ein Weiteres Anwendungsgebiet von Cyclophosphamid ist die Behandlung von lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankungen wie schweren, progredienten Formen von Lupus Nephritis und Wegener-Granulomatose angewendet.
Anwendungsart
Cyclophosphamid ist in Form von Pulver zur Herstellung einer Injektions-/Infusionslösung und in Form von Tabletten auf dem Markt.
Wirkmechanismus
Cyclophosphamid wird in der Leber mittels CYP2B6 zu 4-Hydroxy-Cyclophosphamid hydroxyliert, welches mit Aldophosphamid im Gleichgewicht steht. Unter Abspaltung von Acrolein entsteht aus Aldophosphamid nichtenzymatisch die stark alkylierende Verbindung N,N-Bis-(2-chlorethyl)-phosphorsäurediamid. Alkylierungsmittel besitzen die Fähigkeit, Alkylgruppen an elektronegative Gruppen anzufügen. Sie stoppen das Tumorwachstum, indem sie Guaninbasen in DNA-Doppelhelixsträngen vernetzen und damit direkt die DNA angreifen. Dadurch können sich die Stränge nicht mehr trennen. Da dies für die DNA-Replikation jedoch notwendig ist, können sich die Zellen nicht mehr teilen. Alkylierungsmittel sind zellzyklusunspezifisch.

Alkylanzien wirken durch drei verschiedene Mechanismen, die alle das gleiche Endergebnis erzielen – Störung der DNA-Funktion und Zelltod:
- Bindung von Alkylgruppen an DNA-Basen, was dazu führt, dass die DNA durch Reparaturenzyme bei ihren Versuchen, die alkylierten Basen zu ersetzen, fragmentiert wird, wodurch DNA-Synthese und RNA-Transkription von der betroffenen DNA verhindert werden.
- DNA-Schäden durch die Bildung von Quervernetzungen (Bindungen zwischen DNA-Strängen), die verhindern, dass DNA für die Synthese oder Transkription getrennt wird.
- Induktion einer Fehlpaarung der Nukleotide, die zu Mutationen führt.
Pharmakokinetik
Resorption
- Nach oraler Anwendung erreicht Cyclophosphamid nach einer Stunde Spitzenkonzentrationen.
- Der Wirkstoff wird schnell und nahezu vollständig nach parenteraler Anwendung resorbiert.
Verteilung
- Das Verteilungsvolumen beträgt 30-50 l und die Proteinbindung liegt bei 20% ohne dosisabhängige Veränderungen.
- Einige Metaboliten sind zu mehr als 60% an Proteine gebunden.
Metabolisierung
- Die Aktivierung von Cyclophosphamid erfolgt in der Leber.
- 75% des Arzneimittels werden durch die Cytochrom-P450-Isoformen CYP2A6, 2B6, 3A4, 3A5, 2C9, 2C18 und 2C19, aktiviert.
- CYP2B6 ist das Enzym mit der höchsten 4-Hydroxylase-Aktivität.
- Cyclophosphamid wird zu den aktiven Verbindungen Phosphoramidlost und Acrolein aktiviert.
- Cyclophosphamid scheint seinen eigenen Metabolismus zu induzieren, was nach wiederholter Verabreichung zu einer allgemeinen Erhöhung der Clearance, einer erhöhten Bildung von 4-Hydroxyl-Metaboliten und verkürzten t1/2-Werten führt.
Elimination
- Cyclophosphamid wird hauptsächlich in Form von Metaboliten ausgeschieden.
- 10-20% werden nach intravenöser Applikation unverändert renal und 4% mit der Galle eliminiert.
- Die Halbwertzeit beträgt 3 bis 12 Stunden.
- Die Gesamtkörperclearance liegt bei 63 ± 7,6 l/kg.
Dosierung
Die Dosierung muss stets individuell erfolgen. Dosierungsempfehlungen können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.
Nebenwirkungen
Zu den am häufigsten berichteten Nebenwirkungen gehören Neutropenie, febrile Neutropenie, Fieber, Alopezie, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Wechselwirkungen
Eine verminderte Aktivierung von Cyclophosphamid kann einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Cyclophosphamidtherapie haben.
Zu den Substanzen, die die Aktivierung von Cyclophosphamid verzögern, zählen:
- Aprepitant
- Bupropion
- Busulfan
- Ciprofloxacin
- Chloramphenicol
- Azol-Antimykotika
- CYP2B6- und CYP3A4-Inhibitoren (Nevirapin, Ritonavir)
- Prasugrel
- Sulfonamide, z. B. Sulfadiazin, Sulfamethoxazol und Sulfapyridin
- Thiotepa
- Ondansetron
- Grapefruit (Frucht oder Saft)
- Rifampicin
- Johanniskraut
Bei gleichzeitiger Anwendung folgender Verbindungen kann es zu einer erhöhten Konzentration an zytotoxischen kommen:
- Allopurinol
- Azathioprin
- Chloralhydrat
- Cimetidin
- Disulfiram
- Glycerinaldehyd
- Protease-Inhibitoren
- Induktoren von Cytochrom-P450-Enzymen wie z. B. Rifampicin, Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin, Johanniskraut, Benzodiazepine und Glukokortikoide
Eine kombinierte oder sequenzielle Anwendung von Cyclophosphamid mit folgenden Arzneimitteln kann zu verstärkten toxischen Wirkungen führen:
Zu einer erhöhten Kardiotoxizität kann es kommen, wenn Cyclophosphamid kombiniert wird mit z. B.:
- Anthracyclinen
- Mitomycin
- Cytarabin
- Pentostatin
- Strahlentherapie in der Herzregion oder Ganzkörperbestrahlung in Kombination mit hoch dosiertem Cyclophosphamid
- Trastuzumab
Zu einer erhöhten pulmonalen Toxizität kann es kommen, wenn Cyclophosphamid kombiniert wird mit z. B.:
- Amiodaron
- G-CSF, GM-CSF (Granulozyten-Kolonie-Stimulationsfaktor, Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-Stimulationsfaktor)
Zu einer erhöhten Nephrotoxizität kann es kommen, wenn Cyclophosphamid kombiniert wird mit z. B.:
Andere Wechselwirkungen:
- Alkohol: Durch den Konsum von Alkohol können sich bei manchen Patienten Cyclophosphamid-bedingte Übelkeit und Erbrechen verstärken.
- Etanercept: Bei Patienten mit Wegener-Granulomatose ging die Zugabe von Etanercerpt zur Standardbehandlung mit Cyclophosphamid mit einer erhöhten Inzidenz von nicht-kutanen soliden Malignomen einher.
- Metronidazol: Über eine akute Enzephalopathie wurde bei einem Patienten berichtet, der mit Cyclophosphamid und Metronidazol behandelt wurde.
- Tamoxifen: Risiko für thromboembolische Komplikationen erhöht.
Wechselwirkungen, die die Pharmakokinetik und/oder Wirkungen anderer Arzneimittel betreffen:
- Bupropion: Cyclophosphamid durch CYP2B6 den Stoffwechsel von Bupropion hemmen.
- Cumarine: Sowohl über eine verstärkte als auch eine abgeschwächte Wirkung von Warfarin wurde bei Patienten berichtet, die mit Warfarin und Cyclophosphamid behandelt wurden.
- Ciclosporin: Niedrigere Ciclosporin-Serumkonzentrationen möglich. Erhöhte Inzidenz der Graft-versus-Host-Reaktion.
- Depolarisierende Muskelrelaxanzien: deutliche und anhaltende Hemmung der Cholinesterase-Aktivität durch Cyclophosphamid. Bei gleichzeitiger Gabe depolarisierender Muskelrelaxanzien (z. B. Suxamethonium) kann es, als Folge verminderter Pseudocholinesterase-Spiegel, zu einer länger anhaltenden Apnoe kommen.
- Digoxin, β-Acetyldigoxin: Resorption von Digoxin- und β-Acetyldigoxin wird beeinträchtigt.
- Impfstoffe: Durch die immunsuppressive Wirkung von Cyclophosphamid ist mit einer verminderten Impfantwort zu rechen. Bei Lebendvakzinen besteht das Risiko einer Infektion durch den Impfstoff.
- Verapamil: Beeinträchtigte Absorption von oral eingenommenem Verapamil im Darm möglich.
- Sulfonylharnstoffe: Absinken des Blutzuckerspiegels möglich.
Kontraindikationen
Cyclophosphamid darf nicht angewendet werden bei:
- bekannter Überempfindlichkeit gegen Cyclophosphamid oder seinen Metaboliten
- schwerer Beeinträchtigung der Knochenmarkfunktion (Myelosuppression, insbesondere bei zytostatisch und/oder strahlentherapeutisch vorbehandelten Patienten)
- Blasenentzündung (Zystitis)
- Harnabflussbehinderungen
- floriden Infektionen
Darüber hinaus darf während der Behandlung mit Cyclophosphamid nicht gestillt werden.
Schwangerschaft
Die Anwendung von Cyclophosphamid wird in der Schwangerschaft, insbesondere während des 1. Trimenons, nicht empfohlen. Der potenzielle Behandlungsnutzen sollte in jedem Einzelfall gegenüber dem potenziellen Risiko für den Fetus abgewogen werden.
Stillzeit
Cyclophosphamid ist in der Stillzeit kontraindiziert., da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht und bei gestillten Kindern Neutropenie, Thrombozytopenie, einen niedrigen Hämoglobinspiegel sowie Diarrhö verursachen kann.
Verkehrstüchtigkeit
Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, unscharfes Sehen oder Sehstörungen können die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen während der Therapie mit Cyclophosphamid beeinträchtigen. Die Entscheidung, ein Fahrzeug zu führen oder Maschinen zu bedienen, sollte je nach Einzelfall getroffen werden.
Anwendungshinweise
- Vor dem Therapiebeginn müssen etwaige Abflussbehinderungen innerhalb der ableitenden Harnwege, Harnblasenentzündungen sowie Infektionen und Elektrolytstörungen ausgeschlossen bzw. behoben werden
- Während oder unmittelbar nach der Anwendung von Cyclophosphamid ist für die Aufnahme oder Infusion ausreichender Flüssigkeitsmengen zu sorgen, um eine Diurese zu induzieren und so das Risiko einer Harnwegstoxizität zu reduzieren. Daher sollte das Arzneimittel morgens angewendet werden.
- Auf den Genuss von Grapefruits oder Grapefruitsaft sollte während der Behandlung verzichtet werden, da die Wirksamkeit von Cyclophosphamid dadurch vermindert sein
- kann.
- Während der Behandlung mit Cyclophosphamid müssen Blutbild und Harnsediment
- regelmäßig kontrolliert und überwacht werden.
- Auf die rechtzeitige Gabe von Antiemetika sowie eine sorgfältige Mundpflege ist zu achten.
- Um das Risiko von Nebenwirkungen zu reduzieren, die offenbar mit der Verabreichungsrate zusammenhängen (z. B. Gesichtsschwellung, Kopfschmerzen, Schwellung der Nasenschleimhäute, Brennen der Kopfhaut), ist Cyclophosphamid sehr langsam zu injizieren oder infundieren. Die Infusionsdauer kann je nach Volumen zwischen 30 Minuten und 2 Stunden betragen.
- Wegen der porphyrogenen Wirkung von Cyclophosphamid ist bei der Behandlung von Patienten mit akuter Porphyrie Vorsicht geboten.
- Cyclophosphamid kann zu einer Myelosuppression und einer signifikanten Unterdrückung der Immunreaktion führen. Schwere Immunsuppression kann zu schwerwiegenden Infektionen mit tödlichem Ausgang führen. Darüber hinaus können latente Infektionen erneut ausbrechen.
- Cyclophosphamid kann zu einer hämorrhagischen Zystitis, Pyelitis, Ureteritis und Hämaturie führen.
- Im Zusammenhang mit einer Cyclophosphamid-Therapie wurden Myokarditis und Myoperikarditis, die von einem Perikarderguss und Herztamponade begleitet sein können, beschrieben. Diese können zu schwerer dekompensierter Herzinsuffizienz mit manchmal tödlichem Ausgang führen.
- Cyclophosphamid kann zu Pneumonitis und Lungenfibrose führen. Über eine pulmonale venookklusive Erkrankung und andere Formen einer pulmonalen Toxizität wurde ebenfalls berichtet. Es gab Berichte über pulmonale Toxizität, die zu respiratorischer Insuffizienz führte.
- Wie bei allen Therapien mit Zytostatika besteht auch bei der Behandlung mit Cyclophosphamid das Risiko von Zweittumoren oder ihren Vorstufen als Spätfolge.
- Venookklusive Lebererkrankung (VOD) können durch eine Therapie mit Cyclophosphamid entstehen.
- Cyclophosphamid ist genotoxisch und mutagen, sowohl bei somatischen Zellen als auch bei männlichen und weiblichen Keimzellen. Während der Behandlung mit Cyclophosphamid dürfen daher Frauen nicht schwanger werden und Männer keine Kinder zeugen. Männer sollten auch innerhalb der ersten 6 Monate nach dem Ende der Therapie auf keinen Fall ein Kind zeugen.
- Darüber hinaus kann Cyclophosphamid bei beiden Geschlechtern zur Sterilität führen.
- Über anaphylaktische Reaktionen, unter anderem auch mit tödlichem Ausgang, wurde im Zusammenhang mit Cyclophosphamid berichtet
- Cyclophosphamid kann die normale Wundheilung beeinträchtigen.
- Fälle von Alopezie sind bekannt und können mit steigender Dosis zunehmen.
- Die Anwendung von Cyclophosphamid kann zu Stomatitis (oraler Mukositis) führen.
Wirkstoff-Informationen
- Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010
- Mutschler Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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