Diroximel fumarat
Diroximelfumarat (Vumerity) ein Prodrug von Monomethylfumarat und somit verwandt mit Dimethylfumarat (Tecfidera), dessen Wirkung auf dem gleichen aktiven Metaboliten basiert. Das Immunsuppressivum ist indiziert zur Behandlung von schubförmig remittierender Multipler Sklerose.
Diroximelfumarat: Übersicht

Anwendung
Diroximelfumarat ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (RRMS).
Anwendungsart
Diroximelfumarat ist für die orale Anwendung vorgesehen.
Wirkmechanismus
Der Mechanismus von Diroximelfumarat ist nicht vollständig aufgeklärt. Diroximelfumarat wirkt über den aktiven Hauptmetaboliten Monomethylfumarat. Man geht davon aus, dass die Wirkungen von Dimethylfumarat durch Interaktion mit intrazellulären Thiol-Systemen vermittelt werden.
Durch Aktivierung des Nuclear factor (erythroid-derived 2)-like 2 (Nrf2)-Transkriptionsweges, der bei Aktivierung zur Transkription von Genen führt, die für antiinflammatorisch und antioxidativ wirksame Genprodukte kodieren, übt Dimethylfumarat seine immunmodulatorischen und entzündungshemmenden Wirkungen aus.
Der Mechanismus, durch den Diroximelfumarat zu weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen führt, wird auf das Fehlen einer Methanol-Abgangsgruppe in seiner chemischen Struktur und der Substitution durch inertes 2-Hydroxyethylsuccinimid zurückgeführt.
Dosierung
Die empfohlene Anfangsdosis von Diroximelfumarat beträgt 231 mg zweimal täglich. Nach sieben Tagen sollte die Dosis auf die empfohlene Erhaltungsdosis von 462 mg zweimal täglich erhöht werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen unter der Anwendung von Diroximelfumarat waren:
- Hitzegefühl (35%)
- gastrointestinale Ereignisse (Diarrhoe 14%, Übelkeit 12%, Abdominalschmerz 10% und Schmerzen im Oberbauch 10%)
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen, die bei zu einem Abbruch der Therapie führten, waren Hitzegefühl (3%) und gastrointestinale Ereignisse (4%).
Wechselwirkungen
Für Diroximelfumarat sind folgende Interaktionen zu beachten:
- Während der Behandlung sollte die gleichzeitige Anwendung von anderen Fumarsäureestern (topisch oder systemisch) vermieden werden.
- Vumerity sollte nicht gleichzeitig mit Dimethylfumarat angewendet werden.
- Lebendimpfstoffe können ein erhöhtes Risiko einer klinischen Infektion mit sich bringen und sollten Patienten nicht verabreicht werden, außer wenn in Ausnahmefällen dieses potenzielle Risiko von dem Risiko einer Nichtimpfung der Patienten überwogen wird.
- Mögliche Risiken im Zusammenhang mit einer Acetylsalicylsäure-Therapie sollten vor der gleichzeitigen Gabe von Vumerity bei Patienten mit schubförmig remittierender MS in Betracht gezogen werden.
- Eine gleichzeitige Behandlung mit nephrotoxischen Arzneimitteln (wie z. B. Aminoglykosiden, Diuretika, nicht-steroidalen Antiphlogistika/Antirheumatika oder Lithium) kann das Risiko renaler Nebenwirkungen (z. B. Proteinurie) erhöhen.
Kontraindikationen
Diroximelfumarat darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile sowie andere Fumarsäureester
- Vermuteter oder bestätigter progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML)
Schwangerschaft
Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Diroximelfumarat bei Schwangeren vor. Da tierexperimentelle Studien eine Reproduktionstoxizität gezeigt haben, wird eine Behandlung während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht zuverlässig verhüten, nicht empfohlen.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Diroximelfumarat oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für das Neugeborene/Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob die Behandlung zu unterbrechen ist. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Verkehrstüchtigkeit
Diroximelfumarat hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Blut-/Laboruntersuchungen
Unter der Behandlung mit Dimethylfumarat sind Veränderungen der Nierenwerte möglich, dren klinische Bedeutung jedoch nicht bekannt ist. Es wird jedoch empfohlen, die Nierenfunktion (z. B. Kreatinin, Blut-Harnstoff-Stickstoff und Urintest) vor Behandlungsbeginn sowie nach einer Behandlungsdauer von drei und sechs Monaten, danach alle sechs bis zwölf Monate und wenn klinisch indiziert, zu überprüfen.
Die Behandlung mit Dimethylfumarat kann außerdem zu einem arzneimittelbedingten Leberschaden, einschließlich eines Leberenzymanstiegs (≥ 3 x des oberen Normwerts (ULN)) und eines Anstiegs des Gesamtbilirubinspiegels (≥ 2 x ULN), führen. Die Leberschädigung kann unmittelbar, nach mehreren Wochen oder später eintreten. Nach Absetzen der Behandlung wurde ein Rückgang der Nebenwirkungen beobachtet. Es wird deshalb empfohlen Aminotransferasen im Serum (z. B. Alaninaminotransferase (ALT), Aspartataminotransferase (AST)) und den Gesamtbilirubinspiegel vor Behandlungsbeginn sowie während der Behandlung, wenn klinisch indiziert, zu überprüfen.
Lymphopenie
Patienten, die mit Diroximelfumarat behandelt werden, können eine Lymphopenie entwickeln. Vor der Behandlung muss deshalb ein aktuelles großes Blutbild, einschließlich Lymphozyten, bestimmt werden. Falls die Lymphozytenzahl unterhalb der Norm liegt, sollte vor Einleitung einer Therapie eine umfassende Abklärung möglicher Ursachen durchgeführt werden. Bei Patienten mit schwerer Lymphopenie (Lymphozytenwerte < 0,5 × 109 /l) darf die Behandlung nicht begonnen werden. Nach Beginn der Therapie muss alle drei Monate ein großes Blutbild, einschließlich Lymphozyten, bestimmt werden.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Vor Einleitung der Therapie sollte eine Ausgangs-MRT-Untersuchung (i. d. R. innerhalb von drei Monaten) als Referenz vorliegen. Bei Patienten, bei denen ein erhöhtes Risiko für eine PML vermutet wird, kann die MRT-Bildgebung in Betracht gezogen werden. Liegt ein klinischer Verdacht auf PML vor, so sollte unverzüglich eine MRT-Untersuchung zu diagnostischen Zwecken durchgeführt werden.
Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
Bei mit Dimethylfumarat behandelten Patienten wurden Fälle von PML gemeldet. PML ist eine durch das John-Cunningham-Virus (JCV) hervorgerufene opportunistische Infektion, die tödlich verlaufen oder zu schwerer Behinderung führen kann. Eine anhaltende mäßige bis schwere Lymphopenie scheint das PML-Risiko unter Dimethylfumarat zu erhöhen, doch kann das Risiko auch bei Patienten mit leichter Lymphopenie nicht ausgeschlossen werden.
Hitzegefühl
In pivotalen klinischen Studien zu Dimethylfumarat berichteten drei von insgesamt 2.560 Patienten unter Dimethylfumarat von schwerwiegenden Hitzegefühlsymptomen, bei denen es sich wahrscheinlich um Überempfindlichkeits- oder anaphylaktoide Reaktionen handelte.
Anaphylaxie
Nach Markteinführung wurden Fälle von Anaphylaxie/anaphylaktoider Reaktion nach Einnahme von Dimethylfumarat berichtet. Symptome können Dyspnoe, Hypoxie, Hypotonie, Angioödem, Ausschlag oder Urtikaria umfassen. In der Regel treten diese nach der ersten Einnahme auf, können aber auch jederzeit während der Behandlung auftreten und schwerwiegend sowie lebensbedrohlich sein. Patienten sollten angewiesen werden, die Behandlung zu beenden und sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie Anzeichen oder Symptome einer Anaphylaxie haben. Die Behandlung sollte dann nicht wiederaufgenommen werden.
Infektionen
In klinischen Studien mit Dimethylfumarat war die Häufigkeit von Infektionen unter Dimethylfumarat bzw. Placebo vergleichbar. Im Zusammenhang mit Diroximelfumarat und Dimethylfumarat sind Fälle von Herpes zoster aufgetreten. Die Mehrzahl der Fälle mit Dimethylfumarat war nicht schwerwiegend. Es wurden jedoch auch schwerwiegende Fälle, darunter disseminierte Herpes zoster-Infektion, Herpes zoster ophthalmicus, Herpes zoster oticus, neurologische Herpes zoster-Infektion, Herpes-zoster-Meningoenzephalitis und Herpes-zoster-Meningomyelitis, berichtet. Diese Ereignisse können jederzeit während der Behandlung auftreten. Bei Patienten mit schwerwiegenden Infektionen ist es ratsam, bis zum Abklingen der Infektion auf eine Behandlung zu verzichten.
Einleitung der Behandlung
Die Behandlung muss schrittweise begonnen werden, um das Auftreten von Hitzegefühl und gastrointestinalen Nebenwirkungen zu verringern.
Fanconi-Syndrom
Es wurden Fälle des Fanconi-Syndroms für ein Arzneimittel berichtet, das Dimethylfumarat in Kombination mit anderen Fumarsäureestern enthält. Eine frühzeitige Diagnose des Fanconi-Syndroms und der Abbruch der Behandlung sind wichtig, um das Entstehen einer Niereninsuffizienz und Osteomalazie zu verhindern, denn das Syndrom ist in der Regel reversibel. Die wichtigsten Anzeichen sind:
- Proteinurie
- Glukosurie (bei normalem Blutzuckerspiegel)
- Hyperaminoazidurie
- Phosphaturie (möglicherweise bei gleichzeitiger Hypophosphatämie)
Eine Progression kann mit Symptomen wie Polyurie, Polydipsie und proximaler Muskelschwäche einhergehen. In seltenen Fällen können eine hypophosphatämische Osteomalazie mit nicht lokalisierten Knochenschmerzen, erhöhte alkalische Phosphatase im Serum und Belastungsbrüche auftreten. Es ist wichtig anzumerken, dass das Fanconi-Syndrom auch ohne erhöhte Kreatininwerte oder eine niedrige glomeruläre Filtrationsrate auftreten kann.
Alternativen
Zur Behandlung der Multiplen Sklerose stehen verschiedene Immuntherapeutika zur Verfügung. Abhängig von der relativen Reduktion der entzündlichen Aktivität (Schubrate, MRT- Krankheitsaktivität, schubbedingte Progression) lassen sich die Immuntherapeutika in drei Wirksamkeitskategorien einteilen:
- Wirksamkeitskategorie 1 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 30–50%): Beta-Interferone einschließlich Peg-Interferon, Dimethylfumarat, Glatirameroide und Teriflunomid (zurückhaltender Einsatz bei Patientinnen mit Kinderwunsch)
- Wirksamkeitskategorie 2 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 50–60%): Cladribin, Fingolimod und Ozanimod
- Wirksamkeitskategorie 3 (Reduktion der Schubrate um > 60% im Vergleich zu Placebo oder > 40% im Vergleich zu Wirkstoffen der Kategorie 1): Alemtuzumab, Natalizumab und die CD20-Antikörper Ocrelizumab und Rituximab (off-label)
Mitoxantron sollte wegen der schlechten Studienlage und seiner hohen Toxizität nur als Reservemedikament in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Das gilt ebenso für Azathioprin. Intravenöse Immunglobuline (IvIg) werden bei Patienten nicht mehr zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose empfohlen.
Wirkstoff-Informationen
- Liseno, J., Lager, B., Miller, C. et al. Multiple Sclerosis Patients Treated With Diroximel Fumarate in the Real-World Setting Have High Rates of Persistence and Adherence. Neurol Ther 10, 349–360 (2021). https://doi.org/10.1007/s40120-021-00242-7
- EMA: Fachinformation Vumerity