Eculizumab

Eculizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich gegen das Komplementprotein C5 richtet und zur Behandlung seltener Erkrankungen (Orphan diseases) eingesetzt wird, bei denen das Komplementprotein C5 eine wichtige Rolle in der Pathogenese spielt.

Anwendung

Der monoklonale Anti-C5-Antikörper Eculizumab (Soliris) ist indiziert zur Behandlung verschiedener seltener Erkrankungen.

Erwachsene, Kinder und Jugendliche

  • Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie (PNH): Der klinische Nutzen ist bei Patienten mit Hämolyse, zusammen mit einem oder mehreren klinischen Symptomen als Hinweis auf eine hohe Krankheitsaktivität, nachgewiesen (unabhängig von der Transfusionshistorie)
  • Atypisches Hämolytisch-Urämisches Syndrom (aHUS)

Erwachsene

  • Refraktäre generalisierte Myasthenia gravis (gMG) bei Acetylcholinrezeptor (AChR)-Antikörper–positiven Patienten
  • Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) bei Patienten, die positiv für Anti-Aquaporin-4(AQP4)-Antikörper sind und einen schubförmigen Krankheitsverlauf zeigen

Wirkmechanismus

Eculizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG2/4κ-Antikörper, was durch die Endung „zumab“ gekennzeichnet wird. Der Antikörper bindet spezifisch und mit hoher Affinität an das Komplementprotein C5, wodurch dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b inhibiert und folglich die Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9 verhindert wird. Dabei bleiben die frühen Komponenten der Komplementaktivierung von Eculizumab unbeeinflusst. Diese sind von elementarer Bedeutung für die Opsonisierung von Mikroorganismen und die Elimination (Clearance) von Immunkomplexen.  Aus diesem Grund kann Eculizumab auch als terminaler Komplementinhibitor bezeichnet werden.

Bei PNH-Patienten werden durch Eculizumab die unkontrollierte terminale Komplementaktivierung und die daraus resultierende komplementvermittelte intravaskuläre Hämolyse blockiert.

Bei aHUS-Patienten werden durch Eculizumab die unkontrollierte terminale Komplementaktivierung und die daraus resultierende komplementvermittelte thrombotische Mikroangiopathie gehemmt.

Bei Patienten mit refraktärer gMG verursacht die unkontrollierte terminale Komplementaktivierung eine vom Membranangriffskomplex (MAC) abhängige Lyse und eine C5a-abhängige Entzündung an der neuromuskulären Endplatte, was den Ausfall der neuromuskulären Übertragung bedingt.

Bei Patienten mit NMOSD führt eine durch Autoantikörper gegen AQP4 verursachte unkontrollierte Aktivierung des terminalen Komplements zur Entstehung der MAC- und C5a-abhängigen Entzündung, die Astrozytennekrose und eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke sowie das Absterben der umgebenden Oligodendrozyten und Neuronen zur Folge hat.

Die terminale Komplementaktivität wird durch Eculizumab inhibiert.

Pharmakokinetik

Humane Antikörper werden in den Zellen des retikuloendothelialen Systems endozytotisch abgebaut.

Nebenwirkungen

Zu den häufigen Nebenwirkungen (≥ 1 /100 bis < 1/10) zählen:

  • Infektionen und parasitäre Erkrankungen
  • Thrombozytopenie, Leukopenie
  • Appetitverlust
  • Schwindelgefühl, Kopfschmerzen
  • Hypotonie
  • Atemnot, Husten, verstopfte Nase, Larynxschmerzen, Rhinorrhoe
  • Diarrhoe, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Obstipation, Dyspepsie
  • Arthralgie, Myalgie, Muskelkrämpfe, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten
  • Ödeme, Thorax-Beschwerden, Fieber, Schüttelfrost, Fatigue, Asthenie
  • grippeähnliche Symptome
  • positiver Coombs-Test

Die schwerwiegendste Nebenwirkung in klinischen Studien war das Auftreten einer Meningokokkenseptikämie.

Wechselwirkungen

Es wurden keine Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen durchgeführt.

Kontraindikationen

Gegenanzeigen für Eculizumab sind:

  • Überempfindlichkeit gegen Eculizumab, murine Proteine
  • nicht ausgeheilte Infektion mit Neisseria meningitidis
  • kein aktueller Impfschutz gegen Neisseria meningitidis (es sei denn es wird eine geeignete Antibiotikaprophylaxe bis zwei Wochen nach der Impfung durchgeführt)

Anwendungshinweise

Unter der Therapie mit Eculizumab sollten durch Messung der Thrombozytenzahl, der Serum-LDH-Spiegel und der Serum-Kreatinin-Spiegel auf Anzeichen einer thrombotischen Mikroangiopathie überwacht werden.

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis zu 5 Monate nach der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.

Alternativen

Die medikamentösen Therapiealternativen richten sich nach dem jeweiligen Indikationsgebiet und sind darüber hinaus abhängig von patientenindividuellen Faktoren wie dem Alter der Patienten, Komorbiditäten oder dem Schweregrad der Erkrankung.

PNH

aHUS oder Komplement-vermitteltes HUS

  • Andere Anti-C5-Antikörper wie Ravulizumab
  • Bei Nachweis von CFH-Antikörpern soll zusätzlich zur Komplementinhibition eine immunsuppressive Therapie erfolgen (Steroide, Mycophenolat Mofetil (MMF), Cyclophosphamid und Rituximab wurden allein und in Kombination erfolgreich eingesetzt)

MG

NMOSD

Weitere Informationen können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.

Autor:
Stand:
03.11.2022
Quelle:
  1. EMA: Fachinformation Eculizumab
  2. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  3. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  4. DGN: S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen (2021)
  5. Onkopedia: PNH
  6. AWMF: S2k-Leitlinie HUS im Kindesalter (Update 2022)
  7. AWMF: S2k-Leitlinie MG (2017)
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