Esmolol

Esmolol gehört zur Wirkstoffgruppe der Klasse-II-Antiarrhythmika und ist ein kardioselektiver Beta-1-Rezeptorblocker mit schnellem Wirkeintritt, einer sehr kurzen Wirkdauer und ohne signifikante intrinsische sympathomimetische oder membranstabilisierende Aktivität.

Esmolol

Anwendung

Esmolol ist indiziert zur schnellen Kontrolle der ventrikulären Frequenz bei Patienten mit Vorhofflimmern oder Vorhofflattern in perioperativen, postoperativen oder anderen Notfallsituationen, in denen eine schnelle Kontrolle der ventrikulären Frequenz mit einem kurzwirksamen Wirkstoff erforderlich ist.

Darüber hinaus wird Esmolol zur Behandlung von nicht kompensatorischer Sinustachykardie angewendet, wenn die schnelle Herzfrequenz ein spezifisches Eingreifen erfordert.

Anwendungsart

Esmolol ist in Form einer gebrauchsfertigen Injektionslösung zur intravenösen Anwendung auf den Markt.

Wirkmechanismus

Ähnlich wie andere Betablocker blockiert Esmolol die agonistische Wirkung der sympathischen Neurotransmitter Noradrenalin und Adrenalin, indem es um die Rezeptorbindungsstellen konkurriert. Da es überwiegend die Beta-1-Rezeptoren im Herzgewebe blockiert, gilt Esmolol als kardioselektiv. Im Allgemeinen sind kardioselektive Betablocker jedoch nur relativ kardioselektiv, da sie bei niedrigeren Dosen zwar nur Beta-1-Rezeptoren blockieren, mit zunehmender Dosis jedoch auch Beta-2-Rezeptoren.

In therapeutischen Dosierungen weist Esmolol keine intrinsische sympathomimetische Aktivität (ISA) oder eine membranstabilisierende (Chinidin-ähnliche) Aktivität auf. Die antiarrhythmische Aktivität beruht auf der Blockade der adrenergen Stimulation der Herzschrittmacherpotentiale. In der Vaughan-Williams-Klassifikation von Antiarrhythmika werden Betablocker der Klasse II zugeordnet.

Antiarrhythmika

Pharmakokinetik

Resorption

  • Esmolol besitzt bei gesunden Erwachsenen eine lineare Kinetik.
  • Die Plasmakonzentration verhält sich dosisproportional.
  • Wenn keine Einleitungsdosis appliziert wurde, werden bei Dosen von 50 bis 300 μg/kg pro Minute innerhalb von 30 Minuten Steady-State-Blutspiegel erreicht.

Verteilung

  • Die Verteilungshalbwertzeit von Esmolol ist mit ca. 2 Minuten sehr kurz.
  • Das Verteilungsvolumen beträgt 3,4 l/kg.
  • Esmolol wird zu 55% an Humanplasmaproteine gebunden, wohingegen die Bindung des Säuremetaboliten nur bei 10% liegt.

Biotransformation

  • Im Dosisbereich zwischen 50 und 300 μg/kg/Minute ist der Metabolismus von Esmolol unabhängig von der Dosis.
  • Esmolol wird durch Esterasen zu einem Säuremetaboliten (ASL-8123) und Methanol abgebaut.
  • Die Metabolisierung geschieht mittels Hydrolyse der Estergruppe durch Esterasen in den Erythrozyten.

Elimination

  • Nach intravenöser Applikation beträgt die Eliminationshalbwertzeit ungefähr 9 Minuten.
  • Die Gesamt-Clearance beträgt 285 ml/kg/Minute; sie hängt nicht vom Blutkreislauf der Leber oder eines anderen Organs ab.
  • Esmolol wird renal eliminiert.
  • Der Säuremetabolit wird mit dem Harn ausgeschieden und hat eine Halbwertzeit von ungefähr 3,7 Stunden.

Dosierung

Bei der intraoperativen Behandlung – während der Anästhesie, wenn eine sofortige Kontrolle erforderlich ist

  • Über 15 bis 30 Sekunden wird eine Bolusinjektion von 80 mg verabreicht, gefolgt von einer Infusion von 150 μg/kg/Minute.
  • Die Infusionsrate bei Bedarf bis auf 300 μg/kg/Minute titrieren.
  • Der Fachinformation kann das Infusionsvolumen in Abhängigkeit vom Patientengewicht entnommen werden.

Nach dem Erwachen aus der Narkose

  • Eine Dosis von 500 μg/kg/Minute über 4 Minuten infundieren, gefolgt von einer Infusion von 300 μg/kg/Minute.
  • Der Fachinformation kann das Infusionsvolumen in Abhängigkeit vom Patientengewicht entnommen werden.

In postoperativen Situationen – sofern Zeit für die Titration bleibt

  • Vor jeder Titrationsstufe über 1 Minute die Einleitungsdosis von 500 μg/kg/Minute verabreichen, um einen raschen Wirkungseintritt zu erreichen.
  • Titrationsstufen von 50, 100, 150, 200, 250 und 300 μg/kg/Minute über einen Zeitraum von 4 Minuten verabreichen, bis der gewünschte Therapieeffekt eintritt.
  • Der Fachinformation kann das Infusionsvolumen in Abhängigkeit vom Patientengewicht entnommen werden.

Empfohlene Maximaldosen

  • Für eine adäquate Blutdruckkontrolle können höhere Dosen (250 – 300 μg/kg/Minute) erforderlich sein.
  • Die Sicherheit von Dosen über 300 μg/kg/Minute wurde nicht ausreichend untersucht.

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Betablockern sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:

  • Anwendung anderer Antihypertonika oder Arzneimittel, die eine Hypotonie oder Bradykardie auslösen können: Wirkungen addieren sich und eine Hypotonie oder Bradykardie kann verstärkt werden.
  • Calciumkanalantagonisten wie Verapamil und – in geringerem Ausmaß – Diltiazem wirken sich negativ auf die Kontraktilität und AV-Überleitung aus. Diese Kombination nicht bei Patienten mit Reizleitungsstörungen anwenden.
  • Calciumkanalantagonisten wie Nifedipin können zu einem erhöhten Hypotonie-Risiko führen. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, die mit Calciumkanalantagonisten behandelt werden, kann eine Behandlung mit Betablockern zu Herzversagen führen.
  • Antiarrhythmika der Klasse I (z. B. Disopyramid, Chinidin) und Amiodaron können die Wirkung auf die atriale Überleitungszeit verstärken und negativ inotrope Wirkungen hervorrufen.
  • Insulin oder orale Antidiabetika: Blutzuckersenkende Wirkung kann verstärkt werden (vor allem bei nicht-selektiven Betablockern).
  • Anästhetika: Abschwächung der Reflextachykardie und erhöhtes Hypotonie-Risiko möglich. Eine Fortsetzung der Beta-Blockade reduziert das Risiko von Herzrhythmusstörungen während der Narkoseeinleitung und Intubation.
  • Ganglienblocker können die blutdrucksenkende Wirkung verstärken.
  • NSAIDs können die blutdrucksenkenden Wirkungen von Betablockern verringern.
  • Trizyklische Antidepressiva (wie z. B. Imipramin und Amitriptylin), Barbiturate oder Phenothiazine (wie z. B. Chlorpromazin) sowie andere Antipsychotika (wie z. B. Clozapin) können die blutdrucksenkende Wirkung verstärken.
  • Patienten, die Betablocker anwenden, reagieren möglicherweise nicht auf die Dosen Epinephrin, die üblicherweise zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen eingesetzt werden.
  • Bei gleichzeitiger Verabreichung von Beta-Sympathomimetika muss mit antagonistischen Effekten gerechnet werden.
  • Katecholamin-depletierende Arzneimittel wie  z. B. Reserpin können eine additive Wirkung haben.
  • Moxonidin oder α2-Antagonisten (wie z. B. Clonidin) erhöhen das Risiko einer Rebound-Hypertonie nach Absetzen des Arzneimittels.
  • Ergot-Derivate können zu schwerer peripherer Vasokonstriktion und Hypertonie führen.
  • Bei gleichzeitiger intravenöser Anwendung von Digoxin können die Digoxin-Blutspiegel ansteigen.
  • Digitalisglykoside können bei gleichzeitiger Anwendung zudem die AV-Überleitungszeit verlängern.

Kontraindikationen

Esmolol darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, oder andere Betablocker
  • Schwerer Sinusbradykardie (Herzfrequenz weniger als 50 Schläge/Minute)
  • Sinusknotensyndrom, schwere Störungen der AV-Knotenleitung (ohne Herzschrittmacher)
  • AV-Block zweiten oder dritten Grades
  • Kardiogenem Schock
  • Schwerer Hypotonie
  • Dekompensierter Herzinsuffizienz
  • Gleichzeitiger oder kürzlich erfolgte intravenöser Verabreichung von Verapamil. Esmolol darf erst 48 Stunden nach Absetzen von Verapamil angewendet werden.
  • Unbehandeltem Phäochromozytom
  • Pulmonaler Hypertonie
  • Akutem Asthmaanfall
  • Metabolischer Azidose

Schwangerschaft

Es liegen nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Esmolol in der Schwangerschaft vor. Da tierexperimentelle Studien Hinweise auf eine mögliche Reproduktionstoxizität zeigten,
sollte Esmolol in der Schwangerschaft nicht angewendet werden.

Stillzeit

Da nicht bekannt ist ob Esmolol oder seine Metabolite in die Muttermilch übergehen und deshalb ein Risiko für Neugeborene/Säuglinge nicht ausgeschlossen werden kann, soll Esmolol während der Stillzeit nicht angewendet werden.

Anwendungshinweise

Es wird empfohlen, bei allen Patienten, die mit Esmolol behandelt werden, den Blutdruck und die Herzfrequenz (EKG) kontinuierlich zu überwachen.

Alternativen

Weitere Antiarrhythmika der Klasse II sind:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
295.37 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 7.0 MIN
Q0-Wert:
0.99
Kindstoff(e):
Quelle:
  1. Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie, 2. Auflage 2010
  2. Mutschler Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11., Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  3. Fachinformation Brevibloc
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