Estramustin

Estramustin ist eine Stickstofflost-Verbindung, die als Zytostatikum zur palliativen Behandlung des fortgeschrittenen, hormonrefraktären Prostatakarzinoms angewendet wird.

Estramustin

Anwendung

Estramustin ist indiziert zur palliativen Behandlung des fortgeschrittenen, hormonrefraktären Prostatakarzinoms.

Anwendungsart

Estramustin ist in Form von Hartkapseln unter dem Präparatenamen Estracyt für die orale Anwendung auf dem Markt.

Wirkmechanismus

Estramustin ist ein Derivat von Estradiol mit einer Stickstofflostkomponente, die dem Wirkstoff alkylierende Eigenschaften verleiht. Der Wirkstoff besitzt trotz seiner Strukturähnlichkeit jedoch keine Affinität zum Estrogenrezeptor. In vivo ist die Stickstofflostkomponente aktiv und kann die DNA und andere zelluläre Komponenten (wie Tubulinkomponenten) von sich schnell teilenden Zellen alkylieren. Dies führt zu DNA-Strangbrüchen oder Fehlcodierungen und in der Folge zur Apoptose.

Pharmakokinetik

Resorption

  • Bei oraler Anwendung von radioaktiv markiertem Estramustinphosphat (EMP) beträgt die Resorptionsquote ca. 75%
  • Calciumionen und polyvalente Metallionen können mit oral verabreichtem EMP schwerlösliche Salze bilden, wodurch die Resorption von EMP vermindert wird.
  • EMP ist ein Prodrug und wird nach oraler Gabe im Gastrointestinaltrakt unter Bildung von Estramustin rasch dephosphoryliert.

Verteilung

  • Unverändertes Estramustinphosphat ist im Plasma selbst nicht nachweisbar.
  • Estramustinphosphat ist zu 99% an Plasmaproteine gebunden.
  • Die Metaboliten Estramustin und Estromustin sind nach Gabe von EMP im Prostatagewebe nachweisbar.
  • Bei Untersuchungen an Patienten wurden im Tumorgewebe höhere Estramustin- und Estromustinspiegel gefunden als im Plasma.

Metabolisierung

  • Estramustin wird durch partielle Oxidation der 17β-Hydroxygruppe zum Hauptmetaboliten Estromustin metabolisiert.
  • Estramustin und Estromustin haben eine hohe Eiweißbindung und wirken zytotoxisch.
  • Beide Metaboliten werden durch Hydrolyse zu den Estrogenen Estradiol und Estron metabolisiert.

Elimination

  • Die Eliminationshalbwertszeit des Hauptmetaboliten Estromustin beträgt ca. 80 Stunden.
  • Nach oraler oder intravenöser Gabe kommt es zu einem linearen Plasmaspiegelverlauf.
  • Bei Langzeittherapie bleibt der Steady-State-Level unverändert.
  • Estramustin und Estromustin werden biliär ausgeschieden und erscheinen nicht im Urin.

Dosierung

Initialdosis

Über 4 Wochen 3-mal täglich 2 (bzw. 2-mal täglich 3) Hartkapseln mit je 140 mg Estramustin-17-dihydrogenphosphat. Zeigt sich nach 4 Wochen eine subjektive Besserung, wird die Therapie fortgesetzt.

Erhaltungsdosis

2-mal täglich 2 Hartkapseln mit je 140 mg Estramustin-17-dihydrogenphosphat. Bei Bedarf (z. B. hohes Körpergewicht) 3-mal täglich 2 Hartkapseln.

Nebenwirkungen

Häufig (≥1/100 bis <1/10) kann es bei der Therapie mit Estramustin zu folgenden nebenwirkungen kommen:

  • kardiovaskuläre Komplikationen, vorwiegend Thromboembolien, Ödeme, Herzinsuffizienz sowie ischämische Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt
  • Venenthrombosen
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Appetitlosigkeit
  • Diarrhö

Wechselwirkungen

  • Polyvalente Ionen können mit Estramustinphosphat schwerlösliche Salze bilden.
  • Calciumreiche Nahrung wie Milch oder Milchprodukte sowie calcium-, magnesium- oder aluminiumhaltige Präparate und Mineralwässer mit einem Calciumgehalt über 200 mg/l können somit zu einem Wirkungsverlust von oral eingenommenem Estramustinphosphat führen.
  • Von Estrogenen weiß man, dass sie sowohl die therapeutische Wirksamkeit als auch die Toxizität von trizyklischen Antidepressiva, vermutlich durch eine Hemmung ihres Metabolismus, verstärken.
  • Das Risiko eines Quincke-Ödems scheint bei gleichzeitiger Anwendung mit einem ACE-Hemmer erhöht zu werden.

Kontraindikationen

Estramustin darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Estradiol oder N-Lost
  • schweren Herz- oder Lebererkrankungen
  • aktiver Thrombophlebitis oder thromboembolischen Störungen (z. B. tiefe oder oberflächliche Venenentzündung)

Schwangerschaft

Die Anwendung von Estramustin bei Frauen ist kontraindiziert.

Stillzeit

Die Anwendung von Estramustin bei Frauen ist kontraindiziert.

Verkehrstüchtigkeit

Da es unter der Anwendung von Estramustin zu gastrointestinalen und kardiovaskulären Nebenwirkungen kommen kann, ist es möglich, dass die das Führen von Kraftfahrzeugen und die Bedienung von Maschinen beeinträchtigt wird.

Anwendungshinweise

Einnahme

Estramustin soll mindestens eine Stunde vor oder frühestens zwei Stunden nach dem Essen (dazu zählen auch Milch und Milchprodukte) eingenommen werden. Estramustin soll nicht zusammen mit Milch oder Milchprodukten, calcium-, magnesium- oder aluminiumhaltigen (z. B. Antacida) Präparaten und Mineralwässern mit einem Calciumgehalt über 200 mg/l eingenommen werden.

Fertilität

Estramustin und dessen Metaboliten können erbgutschädigend wirken. Männern, die mit Estramustin behandelt werden, wird daher empfohlen, während der Behandlung und bis 6 Monate danach kein Kind zu zeugen und sich vor Therapiebeginn wegen der Möglichkeit einer irreversiblen Infertilität durch die Therapie mit Estramustin über eine Spermakonservierung beraten zu lassen. Da nicht bekannt ist, ob Estramustin oder dessen Metaboliten mit dem Ejakulat ausgeschieden werden, sollten Kondome beim Geschlechtsverkehr verwendet werden.

Alternativen

Siehe Therapie Prostatakarzinom

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
440.4 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 1.2 H
Q0-Wert:
1.0
Autor:
Stand:
10.02.2023
Quelle:
  1. Fachinformation Estracyt
  2. DrugBank: Estramustine, abgerufen am 10.02.2023
  3. Petrylak, Daniel P., et al. "Docetaxel and estramustine compared with mitoxantrone and prednisone for advanced refractory prostate cancer." New England Journal of Medicine 351.15 (2004): 1513-1520.
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