Flecainid

Flecainid gehört zur Wirkstoffgruppe der Antiarrhythmika und wird zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen angewendet. Der Wirkstoff bindet an die Natriumkanäle der Muskelmembranen und führt dabei zu einer deutlichen Verlangsamung der kardialen Reizleitung und zur Suppression spontaner vorzeitiger Kammerkomplexe.

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Anwendung

Das Antiarrhythmikum Flecainid ist indiziert bei Patienten mit den folgenden Herzrhythmusstörungen:

  • Schwere symptomatische supraventrikuläre Arrhythmien.
  • AV-junktionale Tachykardie
  • Herzrhythmusstörungen bei WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom) und ähnliche Zustände bei vorliegenden akzessorischen Leitungsbahnen.
  • Paroxysmales Vorhofflimmern bei Patienten mit eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit nach Kardioversion.
  • Symptomatische anhaltende ventrikuläre Tachykardie.
  • Vorzeitige ventrikuläre Kontraktionen und/oder nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardie, die körperliche Einschränkungen verursachen, wenn andere Therapieformen unwirksam sind oder nicht vertragen werden.

Patienten mit strukturellen Herzerkrankungen und/oder eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sollten aufgrund des erhöhten Risikos einer proarrhythmischen Wirkung nicht mit Flecainidacetat behandelt werden. Vor Kurzem erworbene Arrhythmien werden eher ansprechen.

Wirkmechanismus

Flecainid gehört nach Vaughan Williams Klassifikation zur Klasse Ic der Antiarrhythmika (Natriumkanalblocker) mit negativ inotroper Wirkung. Die Bindungsdauer der Ic-Antiarrhythmika ist im Vergleich zu Vertretern der Ib-Antiarrhythmika wesentlich länger, wodurch auch reguläre Aktionspotenziale verlangsamt werden und damit auch die reguläre Erregungsausbreitung beeinflusst wird. Vertreter dieser Gruppe weisen deshalb proaarhythmogene Eigenschaften auf.

Flecainid bindet an die Natriumkanäle der Muskelmembranen und führt dabei zu einer deutlichen Verlangsamung der kardialen Reizleitung und zur Suppression spontaner vorzeitiger Kammerkomplexe. Im Myokard bindet Flecainid stark an schnelle Natriumkanäle und verlangsamt so die Depolarisationsgeschwindigkeit. Weiterhin wird durch die Bindung die Überleitung in Vorhof, AV-Knoten, Ventrikel und Purkinje-Fasern vermindert. Der deutlichste Effekt zeigt sich an den Purkinje-Fasern. Im EKG zeigt sich die Aktivität von Flecainid durch eine Verlängerung des PR-Intervalls und einer Verbreiterung des QRS-Komplexes.

Antiarrhythmika

Pharmakokinetik

Resorption

Nach oraler Anwendung wird Flecainid fast vollständig resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 3 bis 4 Stunden erreicht. Die Plasmaeiweißbindung ist mit 40% gering. Bei Einnahme von 200 bis 600 mg Flecainid pro Tag werden Plasmakonzentrationen innerhalb der therapeutischen Breite von 200 bis 1000 μg/L erreicht. Die Plasmahalbwertzeit nach oraler Einzeldosis beträgt 12 bis 13 Stunden. Nach oraler Mehrfachgabe ist diese jedoch verlängert (16 Stunden).

Metabolisierung und Elimination

Nach oraler Aufnahme wird Flecainid in der Leber metabolisiert und einer extensiven Biotransformation unterzogen. Ca. 86% einer Dosis werden im Harn ausgeschieden, 27% als unverändertes Flecainidund 59% in Form von Metaboliten. Die Metaboliten haben keine klinisch signifikanten antiarrhythmischen Effekte. Die Plasmaeliminationsrate von Flecainid ist bei Nierenfunktionsstörungen, Lebererkrankungen oder kongestivem Herzversagen reduziert. Die Ausscheidung von Flecainid im Harn ist bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen und in besonderem Maß bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen reduziert.

Dosierung

Je nach Indikation bestehen unterschiedliche Dosierungsempfehlungen, die der jeweiligen Fachinformation entnommen werden können.

Nebenwirkungen

Sehr häufig (≥ 1/10) kommt es bei der Anwendung von Flecainid zu Schwindel und Benommenheit, Sehstörungen, z. B. Doppeltsehen und Verschwommensehen.

Wechselwirkungen

Wechselwirkungen, die erhöhte Plasmakonzentrationen verursachen, können zu lebensbedrohlichen oder sogar tödlichen Nebenwirkungen führen.

Bei gleichzeitiger Anwendung mit folgenden Verbindungen kann es zu Wechselwirkungen kommen:

  • andere Antiarrhythmika der Klasse I (Chinidin reduziert die Eliminationsrate von Flecainidacetat um 23%)
  • Klasse II-Antiarrhythmika: Möglichkeit additiver negativ inotroper Wirkungen bei gleichzeitiger Anwendung von Klasse II-Antiarrhythmika z. B. Betablockern
  • Klasse III-Antiarrhythmika: Bei gleichzeitiger Behandlung mit Amiodaron sollte die übliche Flecainid-Dosis um 50% reduziert und der Patient engmaschig auf Nebenwirkungen kontrolliert werden. Eine Plasmaspiegelüberwachung wird dringend empfohlen.
  • Klasse IV-Antiarrhythmika: Die Anwendung von Flecainid mit Calcium-Antagonisten wie z. B. Verapamil sollte mit Vorsicht in Erwägung gezogen werden.
  • Antivirale Wirkstoffe: Ritonavir und Kombinationspräparate mit Ritonavir erhöhen die Plasmakonzentration von Flecainid (erhöhtes Risiko ventrikulärer Arrhythmien) (die gleichzeitige Anwendung ist zu vermeiden).
  • Malariamittel: Chinin erhöht die Plasmakonzentration von Flecainid.
  • Antihistaminika: Erhöhtes Risiko ventrikulärer Arrhythmien (gleichzeitige Einnahme mit Mizolastin und Terbinafin vermeiden).
  • Antidepressiva: Fluoxetin, Paroxetin und andere Antidepressiva erhöhen die Flecainid-Plasmakonzentrationen; Trizyklika erhöhen das Arrhythmie-Risiko;
  • Antiepileptika: Begrenzte Daten bei Patienten, die bekannte Enzyminduktoren erhalten (Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin), weisen eine nur 30 %ige Zunahme für die Eliminationsrate von Flecainid auf.
  • Antipsychotika: Clozapin – erhöhtes Risiko von Arrhythmien.
  • Antimykotika: Terbinafin kann aufgrund der Hemmung der CYP2D6-Aktivität die Plasmakonzentrationen von Flecainid erhöhen.
  • Diuretika: Kardiotoxizität infolge einer Hypokaliämie (Klasseneffekt).
  • H2-Antihistaminika (zur Behandlung von Magengeschwüren): Der H2-Antagonist Cimetidin hemmt den Stoffwechsel von Flecainid. Bei gesunden Personen, die Cimetidin (1 g täglich) eine Woche erhielten, erhöhte sich die AUC von Flecainid um etwa 30% und die Halbwertszeit um etwa 10%.
  • Arzneimittel zur Raucherentwöhnung: Bupropion (metabolisiert durch CYP2D6) mit Flecainid sollte mit Vorsicht und initial in niedrigen Dosen erfolgen. Bei Patienten, die bereits mit Flecainidacetat behandelt werden, sollte bei einer zusätzlichen Verabreichung von Bupropion die Notwendigkeit einer Dosisreduzierung des ursprünglichen Arzneimittels in Betracht gezogen werden.
  • Herzglykoside: Flecainidacetat kann zu einem Anstieg der Digoxinplasmaspiegel um ca. 15% führen, was für Patienten mit Plasmaspiegeln im therapeutischen Bereich wahrscheinlich keine klinische Relevanz hat. Es wird empfohlen, bei digitalisierten Patienten die Digoxinplasmaspiegel frühestens 6 Stunden nach einer Digoxin-Dosis zu bestimmen, vor oder nach der Gabe von Flecainidacetat. Orale Antikoagulantien: Die Behandlung mit Flecainidacetat ist mit der Anwendung von oralen Antikoagulanzien kompatibel.
  • CYP2D6-Inhibitoren oder -Induktoren: Flecainid wird weitgehend durch CYP2D6 metabolisiert. Die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die dieses Isoenzym hemmen (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika, Propranolol, Ritonavir, einige Antihistaminika) oder induzieren (z. B. Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin), kann die Konzentration von Flecainid im Plasma erhöhen oder vermindern.

Eine Hypokaliämie, aber auch eine Hyperkaliämie oder andere Elektrolytstörungen sollten vor Behandlungsbeginn mit Flecainid korrigiert werden. Die gleichzeitige Anwendung von Diuretika, Kortikosteroiden oder Laxantien kann eine Hypokaliämie verursachen.

Kontraindikationen

Flecainid darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Herzinsuffizienz und bei Patienten nach Myokardinfarkt bei Vorliegen asymptomatischer ventrikulärer Ektopien oder asymptomatischen, nicht anhaltenden ventrikulären Tachykardien
  • reduzierter oder eingeschränkter Ventrikelfunktion
  • kardiogenem Schock
  • schwerer Bradykardie
  • schwerer Hypotonie
  • gleichzeitiger Anwendung von Disopyramid
  • anhaltendem Vorhofflimmern, wenn eine Konversion zum Sinusrhythmus nicht versucht wurde
  • hämodynamisch wirksamem Herzklappenfehler
  • bekanntem Brugada-Syndrom

Falls kein Schrittmacher vorhanden ist, sollte Flecainid bei Patienten mit Sinusknotendysfunktion, atrialen Leitungsstörungen, AV-Block 2. oder höheren Grades, Schenkelblock oder distalen Leitungsstörungen nicht angewendet werden.

Schwangerschaft

In Tierstudien führten hohe Dosen von Flecainid  zu fetalen Fehlbildungen. Die Bedeutung dieser Beobachtungen für den Menschen ist nicht untersucht worden. Daten von Patientinnen, die Flecainid während der Schwangerschaft eingenommen haben, haben gezeigt, dass Flecainid placentagängig ist. Das Arzneimittel sollte deshalb in der Schwangerschaft nur angewendet werden, wenn der Nutzen die Risiken überwiegt. Wird Flecainid eingenommen, sollten die mütterlichen Plasmaspiegel während der Schwangerschaft überwacht werden.

Stillzeit

Flecainid wird in die Muttermilch ausgeschieden und die Konzentration ist ähnlich der im mütterlichen Blut. Die Plasmakonzentrationen beim gestillten Säugling sind 5 bis 10-mal niedriger als die therapeutischen Arzneimittelkonzentrationen. Obwohl das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen für den Säugling sehr gering ist, sollte Flecainid während der Stillzeit nur angewendet werden, wenn der Nutzen die Risiken überwiegt.

Verkehrstüchtigkeit

Unerwünschte Wirkungen wie Schwindel und Sehstörungen, die während der Behandlung vorübergehend auftreten können, können die Verkehrstüchtigkeit, das Bedienen von Maschinen und Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigen.

Anwendungshinweise

Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion

Da die Plasmaelimination von Flecainid bei Patienten mit signifikanter Einschränkung der Leberfunktion erheblich verzögert sein kann, sollte eine Anwendung bei diesen Patienten nur nach kritischer Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Post-Myokardinfarkt-Patienten

Unter Flecainid wurde ein erhöhtes Mortalitätsrisiko von Post-Myokardinfarkt-Patienten mit asymptomatischen ventrikulären Arrhythmien beobachtet. In einer groß angelegten, placebokontrollierten klinischen Studie mit Patienten nach Myokardinfarkt und mit asymptomatischen ventrikulären Herzrhythmusstörungen war die Mortalitätsrate und die Zahl der Patienten mit nicht tödlich verlaufendem Herzstillstand unter oralem Flecainid im Vergleich zu dem entsprechenden Placebo um das 2,2fache höher. In dieser Studie wurde sogar eine noch höhere Mortalität unter Flecainid bei Patienten mit mehr als einem Myokardinfarkt beobachtet.

Alternativen

Weitere Klasse Ic-Antiarrhythmika sind:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
414.34 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 20.0 H
Q0-Wert:
0.6
Kindstoff(e):
Quelle:

[1] Fachinformation Flecadura
[2] Medizinische Chemie, Steinhilber, Schubert-Zsilavecz, Roth; 2. Auflage

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