Givosiran

Givosiran ist der erste zugelassene Wirkstoff zur Behandlung der akuten hepatischen Porphyrie. Es handelt sich um eine kurze, synthetisch hergestellte Sequenz sogenannter small interfering RNA (siRNA). Das RNAi-Therapeutikum bewirkt eine Reduktion der Aminolävulinsäuresynthase-1 (ALAS1)-Aktivität, indem es die erhöhte ALAS1-mRNA reduziert.

Anwendung

Givosiran (Givlaari) wird angewendet für die Behandlung einer AHP bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren.

Anwendungsart

Givosiran ist zur Dauertherapie vorgesehen und für die subkutanen Anwendung bestimmt., um die ALAS1-Spiegel in der Leber dauerhaft zu reduzieren.

Wirkmechanismus

Givosiran ist eine doppelsträngige, kleine interferierende Ribonukleinsäure (small interfering Ribonucleic Acid; siRNA), die einen Abbau von Aminolävulinsäure-Synthase-1(ALAS1)-mRNA in den Leberzellen durch RNA-Interferenz bewirkt. In der Folge kommt es zu einer Reduktion von induzierter ALAS1-mRNA in der Leber. Dies führt zu geringeren Blutspiegeln der neurotoxischen Zwischenprodukte Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG), den wichtigsten kausalen Faktoren für Attacken und andere Erkrankungsmanifestationen der akutern hepatischen Porphyrie.

Über die akute hepatische Porphyrie

Die akute hepatische Porphyrie ist eine Gruppe seltener, genetisch bedingter Erkrankungen mit potenziell lbensbedrohlichen Attacken und erheblichen langfristigen Komplikationen, die bei manchen Patienten mit chronischen Manifestationen verbunden sind. Die akute hepatische Porphyrie umfasst vier Typen, von denen jeder mit einem bestimmten Enzymdefekt in der Häm-Biosynthesein der Leber assoziiert ist:

  • Akute intermittierende Porphyrie (AIP)
  • Hereditäre Koproporphyrie (HCP)
  • Porphyria variegata (VP)
  • ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie(ADP)

Jeder AHP-Typ basiert auf einem genetischen Defekt, der zu einem Mangel an bestimmten, für die Bildung von Häm in der Leber notwendigen Enzymen führt. In der Folge kommt es zu einer Ansammlung toxischer Mengen an Porphyrinvorläufern und Porphyrinen im Körper.

Pharmakokinetik

Resorption
Nach der subkutanen Gabe wird Givosiran schnell resorbiert und erreicht eine maximale Plasmakonzentration (tmax) nach 0,5 bis 2 Stunden. Bei einer Dosis von 2,5 mg/kg einmal monatlich lagen die maximalen Plasmakonzentrationen von Givosiran im Steady-State (Cmax) und die Fläche unter der Kurve vom Zeitpunkt der Dosierung bis zu 24 Stunden nach der Dosierung bei 321 ± 163 ng/ml bzw. 4130 ± 1780 ng·h/ml und die entsprechenden Werte für den aktiven Metaboliten bei 123 ± 79,0 ng/ml bzw. 1930 ± 1210 ng·h/ml.

Verteilung
Givosiran ist im bei Menschen beobachteten Konzentrationsbereich mit einer Dosis von 2,5 mg/kg einmal monatlich zu mehr als 90% an Plasmaproteine gebunden. Das geschätzte scheinbare Verteilungsvolumen der Population im Steady-State (Vd/F) für Givosiran und für den aktiven Metaboliten betrug 10,4 l. Givosiran und sein aktiver Metabolit verteilen sich nach der subkutanen Verabreichung vorrangig auf die Leber.

Biotransformation
Givosiran wird von Nukleasen zu Oligonukleotiden kürzerer Länge verstoffwechselt. Der aktive Metabolit AS(N-1)3’ Givosiran (mit gleicher Wirksamkeit wie Givosiran) war bei der einmal monatlich verabreichten Dosis von 2,5 mg/kg ein Hauptmetabolit im Plasma mit einer Exposition von 45% (AUC0–24) im Verhältnis zu Givosiran. In-vitro-Studien zeigen, dass Givosiran keiner Verstoffwechslung durch CYP450-Enzyme unterliegt.

Elimination
Givosiran und sein aktiver Metabolit werden primär durch Metabolisierung mit einer geschätzten terminalen Halbwertszeit von ca. 5 Stunden aus dem Plasma eliminiert. Der Schätzer der scheinbaren Plasma-Clearance der Population lag bei 36,6 l/h für Givosiran und bei 23,4 l/h für AS(N-1)3’ Givosiran. Nach der subkutanen Gabe wurden bis zu 14% bzw. 13% der verabreichten Givosiran-Dosis als Givosiran bzw. als sein aktiver Metabolit über einen Zeitraum von 24 Stunden im Urin nachgewiesen. Die renale Clearance betrug 1,22 bis 9,19 l/h bei Givosiran und 1,40 bis 12,34 l/h beim aktiven Metaboliten.

Linearität/Nicht-Linearität
Givosiran und sein aktiver Metabolit wiesen im Dosisbereich von 0,35 bis 2,5 mg/kg eine lineare Pharmakokinetik im Plasma auf. Bei einer Dosierung über 2,5 mg/kg stieg die Plasmaexposition leicht überproportional zur Dosis an. Bei der Langzeitanwendung wies Givosiran im empfohlenen Dosierungsschema von 2,5 mg/kg einmal monatlich eine zeitunabhängige Pharmakokinetik auf. Es gab keine Akkumulation von Givosiran oder des aktiven Metaboliten im Plasma nach der wiederholten einmal monatlichen Gabe.

Dosierung

Die empfohlene Dosis von Givosiran beträgt 2,5 mg/kg einmal monatlich, verabreicht als subkutane Injektion. Die Dosierung richtet sich nach dem tatsächlichen Körpergewicht.

Nebenwirkungen

Die am häufigsten aufgetretenen Nebenwirkungen bei Patienten, die mit Givosiran behandelt wurden, sind:

  • Reaktionen an der Injektionsstelle (36%)
  • Übelkeit (32,4%)
  • Müdigkeit (22,5%)

Andere Nebenwirkungen, die bei mit Givosiran behandelten Patienten beobachtet wurden (≥ 10% häufiger als bei Placebo), sind:

  • Transaminase-Erhöhungen
  • Hautausschlag
  • Abnahme der glomerulären Filtrationsrate

Wechselwirkungen

Givosiran führte zu einer leicht bis mäßig reduzierten Wirksamkeit bestimmter CYP450-Enzyme in der Leber. In der Folge erhöhte sich die Plasmaexposition von:

Während der Anwendung von Givosiran ist deshalb Vorsicht geboten bei gleichzeitiger Therapie mit Arzneimitteln, die Substrate von CYP1A2 oder CYP2D6 sind, da sich die therapeutische Wirkung dieser Arzneimittel erhöhen oder verlängern und sich deren Nebenwirkungsprofil verändern kann.

Bei Anwendung von CYP1A2- oder CYP2D6-Substraten sollte eine Dosisreduktion gemäß der Fachinformation in Erwägung gezogen werden.

Kontraindikation

Givosiran darf nicht angewendet werden bei bekannter schwerer Überempfindlichkeit (z. B. Anaphylaxie) gegen den Wirkstoff.

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Daten aus der Anwendung von Givosiran bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität bei Vorliegen einer maternalen Toxizität gezeigt. Wird eine Anwendung während der Schwangerschaft in Betracht gezogen, sollten der erwartete gesundheitliche Nutzen für die Frau und die potenziellen Risiken für den Fötus berücksichtigt werden.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Givosiran in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für das Neugeborene/Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Die zur Verfügung stehenden pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Givosiran in die Milch ausgeschieden wird. Es muss deshalb eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Givosiran unterbrochen bzw. darauf verzichtet werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

Verkehrstüchtigkeit

Givosiran hat keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Anwendungshinweise

Patienten mit AHP-Subtypen, ausgenommen AIP

Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit AHP-Subtypen, mit Ausnahme der AIP, (hereditäre Koproporphyrie (HCP), Porphyria variegata (PV) und ALA-Dehydratase-Mangel-Porphyrie (ADP) liegen nur in begrenztem Umfang vor. Dies sollte bei der individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung bei diesen seltenen AHP-Subtypen berücksichtigt werden.

Anaphylaktische Reaktion

In klinischen Studien trat bei einem Patienten mit allergischem Asthma und Atopie in der Anamnese eine Anaphylaxie auf , weshalb auf Anzeichen und Symptome einer Anaphylaxie geachtet werden sollte. Beim Auftreten einer Anaphylaxie muss die Therapie sofort abgebrochen und eine geeignete medizinische Behandlung eingeleitet werden.

Erhöhte Transaminasewerte

Bei mit Givosiran behandelten Patienten wurden erhöhte Transaminasewerte beobachtet. Diese traten vorwiegend 3 bis 5 Monate nach Beginn der Behandlung auf. Vor Beginn der Behandlung sollten Leberfunktionstests durchgeführt werden. Diese Tests sollten während der ersten 6 Behandlungsmonate monatlich erfolgen und danach je nach klinischer Indikation. Bei klinisch relevanten Transaminaseerhöhungen sollte eine Unterbrechung oder ein Abbruch der Behandlung in Betracht gezogen werden. Bei Normalisierung der Transaminasespiegel kann nach einer Unterbrechung eine Wiederaufnahme der Behandlung mit einer Dosis von 1,25 mg/kg erwogen werden. Zur niedrigeren Dosierung liegen jedoch nur begrenzte Daten in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit vor, insbesondere für Patienten, bei denen zuvor erhöhte Transaminasewerte beobachtet wurden. Es liegen keine Daten zur sequenziellen Steigerung der Dosis von 1,25 mg/ kg auf 2,5 mg/kg nach einer Behandlungsunterbrechung aufgrund eines erhöhten Transaminasespiegels vor.

Auswirkungen auf die Nierenfunktion

Während der Behandlung mit Givosiran wurde über erhöhte Serumkreatinin- und verringerte eGFR-Werte berichtet. In der placebokontrollierten Studie betrug der mediane Anstieg des Kreatinins in Monat 3 6,5 μmol/l (0,07 mg/dl). Der Wert normalisierte oder stabilisierte sich bis Monat 6 bei einer fortgesetzten monatlichen Behandlung mit 2,5 mg/kg Givosiran. Bei einigen Patienten mit bereits bestehender Nierenerkrankung wurde ein Fortschreiten der Nierenfunktionsstörung festgestellt. In diesen Fällen ist eine sorgfältige Kontrolle der Nierenfunktion unter der Behandlung erforderlich.

Wirkstoff-Informationen

Kindstoff(e):
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1 Präparate mit Givosiran