Imipramin
Das trizyklische Antidepressivum Imipramin wurde 1956 als erstes Antidepressivum zufällig entdeckt. In Laborstudien wurde dann später gezeigt, dass es die synaptische Konzentration von Serotonin und Noradrenalin erhöht und diese Effekte für die antidepressive Wirkung verantwortlich zu sein scheinen.
Imipramin : Übersicht

Anwendung
Das trizylkische Antidepressivum (TZA) Imipramin ist indiziert für die Behandlung von depressiven Syndromen unabhängig von ihrer nosologischen Zuordnung.
Anwendungsart
Imipramin ist in Form von Filmtabletten für die orale Anwendung auf dem deutschen Markt verfügbar.
Wirkmechanismus
TZA wirken hauptsächlich als Serotonin und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), indem sie den Serotonin-Transporter (SERT) und den Noradrenalinn-Transporter (NET) blockieren. Dies führt zu einer Erhöhung der synaptischen Konzentrationen dieser Neurotransmitter und damit zu einer Verstärkung der Neurotransmission. Darüber hinaus besitzen TZA auch eine schwache Affinität zum Dopamintransporter (DAT), sind aber als Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (DRI) nur wenig wirksam.
Zusätzlich zu ihrer Wiederaufnahmehemmung haben viele TZA auch eine hohe Affinität als Antagonisten an 5-HT2 (5-HT2A und 5-HT2C), 5-HT6, 5-HT7, α1-adrenergen sowie NMDA-Rezeptoren und als Agonisten an Sigma-Rezeptoren (σ1 und σ2).
Darüber hinaus besitzen TZA auch eine unterschiedlich stark ausgeprägte, aber typischerweise hohe Affinität zur Antagonisierung der Histaminrezeptoren H1 und H2 sowie der muskarinischen Acetylcholinrezeptoren. Dadurch wirken sie auch als starke Antihistaminika und Anticholinergika.
Die meisten TZA hemmen auch Natriumkanäle und Calciumkanäle vom L-Typ und wirken daher als Natrium- bzw. Calciumkanalblocker. Die erstgenannte Eigenschaft kann bei Überdosierung die Mortalität durch Kardiotoxizität erklären.

Pharmakokinetik
Resorption
- Nach oraler Anwendung von 35 bis 50 mg Imipramin wird der Wirkstoff vollständig resorbiert.
- Die Absorption und Bioverfügbarkeit sind nahrungsunabhängig.
- Imipramin unterliegt einem hohen First-pass-Metabolismus.
- Die absolute Bioverfügbarkeit von Imipramin nach oraler Gabe schwankt zwischen 22 und 77%.
- Die Cmax beträgt bei oraler Gabe von 50 mg nach 2,2 Stunden durchschnittlich 13 bis 24 ng/ml.
Verteilung
- Imipramin wird im therapeutischen Bereich zu ca. 90% an Plasmaproteine gebunden und weist eine hohe Gewebeaffinität auf.
- Das Verteilungsvolumen (V d ) wurde mit 11,5 bzw. 21 l/kg errechnet.
- Imipramin und Desipramin treten in die Muttermilch über und überwinden die Blut-Hirn-Schranke.
Metabolisierung
- Imipramin wird in der Leber durch mikrosomale Monooxygenasen oxidativ biotransformiert und anschließend glukuronidiert.
- Im Plasma treten neben dem antidepressiv wirksamen Desipramin auch die Metabolite 2-Hydroxy-Imipramin und 2-Hydroxy-Desipramin auf.
- Die Demethylierung und Hydroxylierung sind genetisch determiniert.
- Insgesamt sind über 14 Metabolite in freier Form und als Konjugate nachgewiesen worden.
- Imipramin unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf.
Elimination
- Unverändertes Imipramin fällt nur in geringen Mengen im Harn an.
- Die mittlere Halbwertszeit für 25 mg oral verabreichtes Imipraminhydrochlorid liegt voraussichtlich bei 12,2 Stunden.
- Die durchschnittlichen Eliminationshalbwertszeiten von Kindern unterscheiden sich nicht von denen erwachsener Personen und zeigen ebenfalls große interindividuelle Unterschiede.
- Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz sind die als biologisch inaktiv betrachteten konjugierten Metabolite erhöht.
- Im Harn wurden durchschnittlich 70% der Radioaktivität einer oralen 50 mg Dosis 14C-Imipramin nach 72 Stunden wiedergefunden.
- In den Fäzes wurden 22% oraler Dosen 14C-Imipramin (150 mg bis 400 mg täglich) nachgewiesen.
Dosierung
Bei erwachsenen Patienten liegt die mittlere Tagesdosis im ambulanten Bereich für alle Anwendungsgebiete bei 50 bis 150 mg Imipraminhydrochlorid. Unter stationären Bedingungen kann die Tagesdosis auf bis zu 300 mg Imipraminhydrochlorid, verteilt auf mehrere Einzelgaben, gesteigert werden.
Nebenwirkungen
Typische Nebenwirkungen trizyklischer Antidepressiva sind:
- Mundtrockenheit
- Obstipation
- Schlafstörungen
- hypotonen Kreislaufstörungen
Schon geringe Überdosierungen können kardiotoxisch wirken und Arrhythmien verursachen. Diese Nebenwirkungen sind vor allem für ältere Patienten problematisch, weshalb TZA auch nicht auf der Priscus-Liste aufgeführt sind.
Wechselwirkungen
Mit folgenden Verbindungen sind Wechselwirkungen bei der Einnahme von TZA möglich:
- MAO-Hemmer (nicht-selektive ebenso wie selektive Inhibitoren der MAO A (Moclobemid) und MAO B (Selegilin): Gefahr eines Serotoninsyndroms.
- Sympathomimetika können die kardiovaskulären Effekte verstärken
- Adrenozeptorblocker: TZA können die blutdrucksenkende Wirkung zentral wirkender Antihypertensiva, wie z. B. Guanethidin, Reserpin, Clonidin und Methyldopa abschwächen.
- Anticholinergika: TZA können die Effekte dieser Wirkstoffe auf Augen, zentrales Nervensystem, Darm und Harnblase verstärken; die gleichzeitige Anwendung dieser Wirkstoffe ist zu vermeiden, da sie mit einem erhöhten Risiko für paralytischen Ileus, Hyperpyrexie usw. verbunden ist.
- Arzneimittel, die das QT-Intervall verlängern (z. B. Antiarrhythmika wie Chinidin, die Antihistaminika Astemizol und Terfenadin, bestimmte Antipsychotika -insbesondere Pimozid und Sertindol-, Cisaprid, Halofantrin und Sotalol) können das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien erhöhen, wenn sie gleichzeitig mit TZA angewendet werden.
- Methadon: Potenzial additiver Effekte auf das QT-Intervall und erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Wirkungen.
- Hypokaliämie induzierenden Diuretika (z. B. Furosemid).
- CYP2D6-Substrate wie Thioridazin: Risiko für kardiale Nebenwirkungen.
- CYP2D6-Substrate wie Tramadol: erhöhtes Risiko für Krampfanfälle und Serotoninsyndrom.
- CYP2D6-Inhibitoren (z. B. Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin und Chinidin: Abschwächung des TZA-Metabolismus und Erhöhung der Plasmakonzentration möglich.
- Weitere Cytochrom-P450-Inhibitoren: Cimetidin, Methylphenidat und Calciumkanal-Blocker (wie z. B. Diltiazem und Verapamil) können die Plasmakonzentration von TZA steigern und die damit verbundene Toxizität verstärken.
- Antimykotika wie Fluconazol (ein CYP2C9-Inhibitor) und Terbinafin (ein CYP2D6-Inhibitor) können zur Erhöhung der TZA-Serumkonzentrationen führen.
- Cytochrom-P450-Induktoren wie z. B. orale Kontrazeptiva, Rifampicin, Phenytoin, Barbiturate, Carbamazepin und Johanniskraut können die Metabolisierung von TZA verstärken und so deren Plasmakonzentration senken und die antidepressive Wirkung abschwächen.
- Alkohol, Barbiturate und zentral dämpfende Arzneimittel: Verstärkung der sedierenden Wirkung.
- Antipsychotika: Metabolisierung wird wechselseitig inhibiert, was zur Senkung der Krampfschwelle und zum Auftreten von Krampfanfällen führen kann.
Kontraindikationen
Imipramin darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen Imipramin oder andere TZA
- akuten Intoxikationen mit zentraldämpfenden Pharmaka wie Hypnotika, Analgetika, Psychopharmaka oder mit Alkohol
- akutem Harnverhalt
- akutem Delir
- unbehandeltem Engwinkelglaukom
- Prostatahypertrophie mit Restharnbildung
- Pylorusstenose
- paralytischem Ileus
- Behandlung mit MAO-Hemmern
- Remissionsphase nach einem Myokardinfarkt
- Stillzeit; bei zwingender Indikation sollte abgestillt werden
Schwangerschaft
Imipramin sollte während der Schwangerschaft und insbesondere im ersten Trimenon nur bei zwingender Indikation und nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden.
Da nach der Geburt Entzugserscheinungen in Form von Störungen der Herz- und Atemfunktion, Harn- und Stuhlentleerung sowie Unruhe beim Neugeborenen auftreten können. Aus diesem Grund sollte Imipramin mindestens sieben Wochen vor dem errechneten Geburtstermin schrittweise abgesetzt sein. Wird Imipramin dennoch darüber hinaus angewendet, muss das Neugeborene während des ersten Lebensmonats in Bezug auf Entzugssymptome (Koliken, Zyanose, Unruhezustände) überwacht werden.
Stillzeit
Da Imipramin in die Muttermilch übergeht, sollte während der Behandlung nicht gestillt werden. Bei zwingender Indikation muss deshalb abgestillt werden.
Verkehrstüchtigkeit
Durch individuell auftretende unterschiedliche Reaktionen kann die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt werden. Dies gilt in verstärktem Maße bei Behandlungsbeginn und bei Präparatewechsel sowie auch im Zusammenwirken mit anderen zentral wirkenden Medikamenten (Schmerzmittel, Schlafmittel, Psychopharmaka). Das Führen von Fahrzeugen oder das Bedienen von Maschinen sollten deshalb, zumindest während der ersten Tage der Behandlung untebleiben.
Die Entscheidung soll für jeden Einzelfall durch den behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der individuellen Reaktion und der jeweiligen Dosierung getroffen werden.
Anwendungshinweise
Bei der Anwendung von Antidepressiva ist zu beachten, dass die antidepressive Wirkung in der Regel erst nach 2 bis 4 Wochen einsetzt. Ein entsprechender Beratungshinweis ist wichtig, damit Patienten an der Therapie festhalten und diese nicht vorzeitig aufgrund der initial fehlenden Wirkung abbrechen.
Wirkstoff-Informationen
- Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth "Medizinische Chemie", 2. Auflage 2010
- Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Fachinformation Imipramin neuraxpharm
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