Isatuximab
Isatuximab ist ein CD38-Antikörper zur Therapie des refraktären und rezidivierenden Multiplen Myeloms. Der Wirkstoff besitzt einen Status als Arzneimittel für seltene Leiden (orphan drug) und kann das progressionsfreie Überleben der Patienten verlängern.
Isatuximab: Übersicht
Anwendung
Bei Isatuximab handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der gegen das Glykoprotein CD38 gerichtet ist. Der Wirkstoff wird bei Erwachsenen in Kombination mit Dexamethason und Pomalidomid angewendet. Isatuximab ist zur Therapie des rezidivierenden und refraktären Multiplen Myeloms indiziert, wenn die Patienten zuvor mindestens zwei Therapien, einschließlich Lenalidomid und eines Proteasom-Inhibitors, erhalten haben und während der letzten Therapie eine Krankheitsprogression zeigten.
Anwendungsart
Isatuximab steht als Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung zur Verfügung. Die Anwendung soll intravenös durch medizinisches Fachpersonal in Kombination mit Dexamethason und Pomalidomid nach einem bestimmten Dosierschema erfolgen. Die Therapie wird bis zum Auftreten einer Krankheitsprogression oder nicht akzeptablen Toxizität fortgesetzt.
Wirkmechanismus
Das Multiple Myelom zählt zu den B-Zell-Lymphomen und ist gekennzeichnet durch eine erhöhte monoklonale Plasmazellvermehrung im Knochenmark sowie verstärkte Produktion monoklonaler Immunglobuline. Folgen sind die Verdrängung der normalen Hämatopoese, Zerstörung der Knochen sowie sekundäre Immundefekte, die zu einem heterogenen Krankheitsbild führen. Isatuximab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen ein spezifisches extrazelluläres Epitop des transmembranären Glykoproteins CD38 gerichtet ist. Dieses wird auf der Zelloberfläche von Myelomzellen überexprimiert, kommt aber auch auf bestimmten Immunzellen vor.
CD38 ist ein Ektoenzym, das unter anderem die Synthese und Hydrolyse der ADP-Ribose und zyklischen ADP-Ribose aus NAD+ sowie von NAADP aus NADP+ katalysiert. Diese Stoffe sind wichtige second messenger verschiedener Signalwege zur Freisetzung von Calcium aus intrazellulären Speichern. Durch den Antikörper wird die enzymatische Aktivität blockiert. Bindet Isatuximab an CD38 wird zum einen Fc-abhängig die Zelllyse der Myelomzellen durch antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC), antikörperabhängige Phagozytose (ADCP) sowie komplementabhängige Zytotoxizität (CDC) ausgelöst. Zum anderen wird die Apoptose der Tumorzellen durch Isatuximab auch über einen Fc-unabhängigen Mechanismus indiziert. In Abwesenheit CD38-positiver Zellen kann Isatuximab außerdem Natürliche Killerzellen aktivieren.
Bei der Kombination mit Pomalidomid wird die Zelllyse CD38-positiver Myelomzellen durch Effektorzellen (ADCC) sowie durch direkte Elimination noch verstärkt.

Pharmakokinetik
Resorption
- Da Isatuximab intravenös infundiert wird beträgt die Bioverfügbarkeit 100%. Der Steady State wird im Schnitt nach etwa 8 Wochen erreicht.
Verteilung (Distribution)
- Das Gesamtverteilungsvolumen von Isatuximab liegt bei etwa 8,75 L.
Metabolismus (Biotransformation)
- Da es sich bei Isatuximab um ein großes Protein handelt, kann davon ausgegangen werden, dass der Wirkstoff durch nicht sättigbare, proteolytische Prozesse abgebaut wird.
Elimination
- Isatuximab wird auf zwei Wegen eliminiert.
- Bei niedriger Konzentration erfolgt die Ausscheidung über einen nicht linearen spezifischen Weg.
- Bei höheren Konzentrationen, wie im therapeutischen Bereich, wird der Wirkstoff über einen unspezifischen linearen Weg abgebaut, der mit der Zeit um etwa die Hälfte abnimmt.
- Aus diesen Prozessen resultiert eine Halbwertszeit von etwa 28 Tagen.
Dosierung
Isatuximab wird in einer Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht in Kombination mit Dexamethason und Pomalidomid (Isatuximab-Regime) intravenös infundiert. Nach einem bestimmten Dosierschema wird Isatuximab im ersten vierwöchigen Zyklus einmal wöchentlich, im zweiten vierwöchigen Zyklus alle zwei Wochen verabreicht.
Nebenwirkungen
Die folgenden Nebenwirkungen können bei der Behandlung mit Isatuximab sehr häufig (≥ 1/10) auftreten:
- Neutropenie, febrile Neutropenie
- Infusionsbedingte Reaktionen
- Pneumonie
- Infektionen der oberen Atemwege
- Bronchitis
- Dyspnoe
- Diarrhoe
- Übelkeit und Erbrechen
Wechselwirkungen
Es konnte keine gegenseitige Beeinflussung der Pharmakokinetik von Isatuximab und Pomalidomid festgestellt werden.
Kontraindikation
Die Anwendung von Isatuximab ist bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff kontraindiziert.
Schwangerschaft/Stillzeit
Schwangerschaft
Es liegen keine Erfahrungen zu der Behandlung mit Isatuximab in der Schwangerschaft vor. Auch wurde die Reproduktionstoxizität im Tierversuch nicht überprüft. Nach dem ersten Trimenon können IgG-Antikörper wie Isatuximab jedoch die Plazenta passieren, weshalb die Anwendung des Wirkstoffs in der Schwangerschaft nicht empfohlen wird.
Stillzeit
Da bekannt ist, dass IgG-Antikörper wie Isatuximab in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch übergehen, kann ein Risiko für das gestillte Kind in dieser Zeit nicht ausgeschlossen werden. Nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung sollte daher über eine Still- oder Therapiepause entschieden werden. Zu einem späteren Zeitpunkt kann die Isatuximab-Therapie, wenn nötig fortgesetzt werden.
Verkehrstüchtigkeit
Die Behandlung mit Isatuximab hat keinen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit oder die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Das Isatuximab-Konzentrat wird vor der Infusion mit 0,9%-iger Natriumchloridlösung oder 5%-Glucoselösung verdünnt. Weiterhin sollte die Infusionslösung visuell geprüft werden, um sicherzustellen, dass weder Verfärbungen noch Partikel vorhanden sind.
Während der Therapie mit Isatuximab muss eine Ausrüstung zur Wiederbelebung bereit liegen. Um das Risiko und Ausmaß infusionsbedingter Reaktionen zu verringern wird weiterhin eine Prämedikation mit Paracetamol, H2-Antagonisten oder Protonenpumpenhemmern sowie Diphenhydramin oder einem Äquivalent empfohlen. Treten Infusionsreaktionen auf, kann die Infusionsrate gesenkt oder die Behandlung unterbrochen werden. Zudem ist die Anwendung koloniestimulierender Faktoren in Betracht zu ziehen, um das Risiko für Neutropenien zu vermindern.
Einfluss auf Laborparameter
Bei der Behandlung mit Isatuximab ist zu beachten, dass der Wirkstoff potenziell falsch positive Reaktionen bei indirekten Antiglobulin-Tests (indirekter Coombs-Test), Antikörper-Detektions-Tests, Panels zur Antikörper-Identifikation sowie Anti-Human-Globulin (AHG)-Kreuzproben hervorrufen kann.
Zudem kann Isatuximab durch Serum-Protein-Elektrophorese (SPE) und Immunfixations-Assays (IFE) detektiert werden. Dies sollte bei der Überwachung des M-Gradienten mittels dieser Methoden berücksichtigt werden.
Alternativen
Die weitere Behandlung der Patienten mit rezidivierendem und refraktärem Multiplen Myelom, die bereits mindestens zwei Therapien erhalten haben, sollte sich nach bisherigen patientenindividuellen Behandlungserfahrungen richten. Es können das vorherige Therapieschema oder die folgenden Kombinationen angewendet werden:
- Pomalidomid und Dexamethason
- Pomalidomid, Dexamethason und Cyclophosphamid
- Panobinostat, Bortezomib und Dexamethason
- Daratumumab
- Klassische Zytostatika wie Anthrazykline, Bendamustin, Cyclophosphamid, Melphalan
- Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Fachinformation Sarclisa
- DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (2018): Aktuelle Onkopedia Leitlinie Multiples Myelom
Abbildung
Adapted from „Immune Therapy in Multiple Myeloma”, by BioRender.com