Kanamycin
Kanamycin gehört zur Wirkstoffgruppe der Aminoglykosid-Antibiotika und wird in Form von Augensalben oder -tropfen angewendet für die Behandlung bakteriellen Infektionen der Lid-, Binde- und Hornhaut durch Kanamycin-empfindliche Keime.
Kanamycin: Übersicht

Anwendung
Kanamycin wird angewendet für die lokale Therapie von bakteriellen Infektionen der Lid-, Binde- und Hornhaut durch Kanamycin-empfindliche Keime, bei Wunden des äußeren Auges, Verätzungen und Verletzungen sowie nach operativen Eingriffen.
Anwendungsart
Kanamycin ist für die Anwendung am Auge bestimmt.
Wirkmechanismus
Aminoglykoside binden an die 16S-rRNA der 30s-Unterheit bakterieller Ribosomen, wodurch sie die Anlagerung falscher Aminoacyl-tRNAs induzieren und somit die Translation stören. Die so erzeugten Nonsense-Proteine können vom Bakterium nicht verwendet werden und das Bakterium stirbt ab.
Aminoglykoside sind sehr gut wasserlösliche Basen. Unter physiologischen Bedingungen liegen sie als Polykationen vor. Aufgrund ihrer polaren Eigenschaften passieren sie nur sehr langsam Membranen und werden nach oraler Gabe praktisch nicht resorbiert. Sie werden deshalb entweder parenteral oder topisch appliziert. Nach parenteraler Applikation verteilen sie sich im Extrazellulärraum. Im Intrazellularraum werden hingegen keine antibakteriell wirksamen Konzentrationen erreicht. Lediglich in den Zellen des proximalen Tubulus der Niere und im Innenohr werden relativ hohe intrazelluläre Konzentrationen erreicht (CAVE: Nephro- und Ototoxizität).

Pharmakokinetik
Aminoglykoside werden mit Halbwertszeiten von etwa 1,5 bis 2 Stunden durch glomeruläre Filtration rasch renal eliminiert, wohingegen die Elimination aus der Niere jedoch sehr lange dauert: noch Wochen nach der Behandlung können diese im Nierengewebe nachweisen werden. Eine eingeschränkte Nierenfunktion verzögert die Ausscheidung von Aminoglykosiden, wodurch für diese Patienten das Risiko für toxische Effekte erhöht ist. Daher muss vor Therapiebeginn mit Aminoglycosiden die Nierenfunktion überprüft werden und gegebenenfalls die Dosis reduziert werden.
Dosierung
Augentropfen mit Kanamycin werden mehrmals täglich (alle 2 bis 3 Stunden) mit einem Tropfen in den Bindehautsack eingetropft.
In Form einer Augensalbe wird Kanamycin mehrmals täglich (tagsüber alle 3 bis 4 Stunden) und zur Nacht mit einem Salbenstrang von ca. 1 cm Länge in den Konjunktivalsack eingebracht.
Nebenwirkungen
Unter der Anwendung von Aminoglykosiden sind folgende Nebenwirkungen möglich:
- Aminoglykoside diffundieren dosisabhängig in die Peri- und Endolymphe des Innenohres. Sie werden von dort erheblich langsamer eliminiert als aus dem Plasma und entfalten an dieser Stelle ihre zytotoxische Wirkung. Die Ototoxizität ist irreversibel, wenn die Medikation nicht sofort abgebrochen wird. Symptome sind Druckgefühl und Ohrensausen sowie ein bei hohen Frequenzen beginnender und zunächst nur audiometrisch nachweisbarer Verlust der Schallempfindlichkeit. Die Vestibularisschädigung äußert sich als Übelkeit, Schwindelgefühl und Gangunsicherheit.
- Nephrotoxische Potenz, sie kann durch Bestimmung des Serumkreatinins sowie eine Kontrolle der Aminoglykosidspiegel am Ende des Applikationsintervalls erkannt werden
- Neuromuskuläre Blockaden durch Hemmung der Acetylcholinfreisetzung bei Patienten mit Myasthenie und unter Therapie mit kurareähnlichen Substanzen
- Allergische Reaktionen kommen sowohl bei systemischer als auch – besonders häufig bei topischer Anwendung vor
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind für Aminoglykoside beschrieben worden:
- erhöhtes Nebenwirkungsrisiko in Kombination mit anderen nephrotoxischen Substanzen
- Verstärkung neuromuskulär blockierender Eigenschaften durch Muskelrelaxantien
- Betalaktam-Antibiotika: Hohe Aminoglykosid-Konzentrationen können zu chemischen Veränderungen an Betalaktamen führen und einen Wirkungsverlust verursachen. Deshalb sollte bei Kombination beide Substanzen zeitlich versetzt und örtlich versetzt gegeben werden, also mit separaten Infusionsleitungen.
Kontraindikationen
Aminoglykoside besitzen folgende Gegenanzeigen:
- Gravidität
- bekannte Cochlearis- und Vestibularisschäden
- Myasthenia gravis
- lokale Applikation in den Gehörgang
Schwangerschaft
Bei lokaler Anwendung von Kanamycin am Auge sind die angewandten Mengen und die systemische Verfügbarkeit so gering, dass Schäden für das Kind nicht zu erwarten sind.
Stillzeit
Kanamycin kann während der Stillzeit angewendet werden, da aufgrund der lokalen Anwendung am Auge mit einer geringen systemischen Verfügbarkeit zu rechnen ist. Die orale Aufnahme von Kanamycin durch den Säugling ist zudem sehr gering.
Alternativen
Es gibt folgende Gruppen von Aminoglykosid-Antibiotika:
- Streptomycin-Gruppe (Streptomycin)
- Neomycin-Gruppe (Neomycin und Paromomycin I)
- Kanamycin-Gruppe (Kanamycin, Tobramycin)
- Gentamicin-Gruppe (Gentamicin, Netilmycin)
- Spectinomycin
Wirkstoff-Informationen
- Medizinische Chemie: Dieter Steinhilber, Manfred Schubert-Zsilavecz, Hermann J. Roth, 2. Auflage 2010
- Mutschler Arzneimittelwirkungen: Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, begründet von Ernst Mutschler, neu bearbeitete Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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