Lonafarnib
Lonafarnib (Zokinvy) ist ein Farnesyltransferase-Inhibitor zur Behandlung von bestimmten Formen der Progerie, einem Syndrom das Kinder vorzeitig altern lässt.
Lonafarnib: Übersicht

Anwendung
Lonafarnib (Zokinvy) ist ein Inhibitor der Farnesyltransferase, der die Akkumulation von Progerin und Progerin-ähnlichen Proteinen im Zellkern und zellulären Zytoskelett verhindert.
Das Medikament ist angezeigt zur Behandlung von Patienten ab einem Alter von 12 Monaten mit:
- genetisch bestätigter Diagnose von Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom
- progeroider Laminopathie mit Verarbeitungsfehler im Zusammenhang mit einer heterozygoten LMNA-Mutation mit Progerie-ähnlicher Proteinakkumulation oder einer homozygoten oder zusammengesetzten heterozygoten ZMPSTE24-Mutation.
Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom (HGPS)
Das Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom (HGPS) ist eine extrem seltene (Prävalenz 1 von 20 Millionen Geburten), autosomal dominante genetische Störung, die durch vorzeitiges Altern gekennzeichnet ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Patienten beträgt etwa 15 Jahre. HGPS wird durch eine De-novo-Mutation im LMNA-Gen verursacht, das für Lamine vom Typ A kodiert. Lamine vom Typ A sind innere Kernmembranproteine, die eine entscheidende Rolle bei der Kernstruktur und -form, der Chromatinorganisation und der Kernporen- und Zytoskelettorganisation spielen.
Lamin A wird als Vorläufer (Prälamin A) synthetisiert, das einer sequenziellen posttranslationalen Prozessierung unterzogen wird, einschließlich einer Cystein-Farnesylierung durch die Farnesyltransferase (FTase) und später einer zweiten Spaltung durch die Metallopeptidase ZMPSTE24. Eine autosomale 1824-C-zu-T-Mutation in LMNA führt zu einem konstitutiv farnesylierten Lamin A (Progerin), das sich in der Kernhülle anreichert und die Kernarchitektur und Zellfunktion stört, wodurch eine vorzeitige replikative Seneszenz verursacht wird.
Aus diesem Wissen heraus wurde die Hypothese aufgestellt, dass Farnesyltransferase-Inhibitoren (FTIs) die Akkumulation von Progerin blockieren und die Menge dieses anomalen Proteins verringern würden, was möglicherweise den Krankheitsstatus bei HGPS und progeroiden Laminopathien verbessern könnte.
Anwendungsart
Lonafarnib ist für die orale Anwendung vorgesehen und soll als Kapsel im Ganzen geschluckt werden. Die Kapsel darf nicht gekaut werden. Jede Dosis ist mit einer Mahlzeit einzunehmen. Wenn die Kapseln nicht im Ganzen geschluckt werden können, dürfen sie geöffnet und ihr Inhalt mit Orangensaft vermischt werden (hierzu findet sich eine Anleitung in der Fachinformation).
Wirkmechanismus
Lonafarnib ist ein nicht-peptidischer, selektiver Farnesyltransferase-Inhibitor, der die Farnesylierung und nachfolgende Akkumulation von Progerin und Progerin-ähnlichen Proteinen im Zellkern und zellulären Zytoskelett verhindert. Der Wirkstoff führt nicht zu einer Heilung kann jedoch das Voranschreiten der Erkrankung verzögern.
Dosierung
Für alle Indikationen beträgt die empfohlene Anfangsdosis 115 mg/m2 zweimal täglich. Nach 4-monatiger Behandlung mit der Anfangsdosis von 115 mg/m2 zweimal täglich sollte die Dosis auf die Erhaltungsdosis von 150 mg/m2 zweimal täglich (morgens und abends) erhöht werden.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen von Lonafarnib, die in den klinischen Studien auftraten, waren:
- Erbrechen (86%)
- Durchfall (78%)
- erhöhte Aspartataminotransferase (64%)
- erhöhte Alaninaminotransferase (50%)
- Appetitlosigkeit (41%)
- Übelkeit (38%)
- Abdominalschmerzen (35%)
- Müdigkeit (29%)
- Gewichtsverlust (27%)
- Obstipation (18%)
- Infektion der oberen Atemwege (11%)
Die meisten Nebenwirkungen traten innerhalb der ersten 4 Wochen nach Beginn der Behandlung auf und gingen im Allgemeinen mit zunehmender Behandlungsdauer kontinuierlich zurück.
Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen waren erhöhte Alaninaminotransferase (3,6%), erhöhte Aspartataminotransferase (3,6%), zerebrale Ischämie (3,2%), Pyrexie (1,6%) und Dehydrierung
(1,6%).
Wechselwirkungen
- In In-vitro-Studien wird Lonafarnib größtenteils durch CYP3A und in geringerem Maße durch CYP1A2, CYP2A6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19 und CYP2E1 metabolisiert.
- Angesichts dessen ist die Anwendung von Lonafarnib mit starken oder mäßigen CYP3A-Inhibitoren, starken oder mäßigen CYP3A-Induktoren, ausgewählten HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statinen) und Midazolam kontraindiziert.
- Die gleichzeitige Anwendung von Lonafarnib mit CYP2C9-Inhibitoren, schwachen CYP3A4-Inhibitoren, CYP2C19-Substraten oder sensitiven CYP3A4-Substraten sollte vermieden werden; Wenn eine gleichzeitige Anwendung unvermeidlich ist, kann eine Dosisreduktion von Lonafarnib und/oder eine Überwachung der Patienten auf Nebenwirkungen erforderlich sein.
- Wenn Lonafarnib zusammen mit P-Glykoprotein-Substraten (z. B. Digoxin, Dabigatran) mit geringer therapeutischer Breite angewendet wird, müssen Patienten auf Nebenwirkungen überwacht werden und die Dosis des P-Glykoprotein-Substrats entsprechend reduziert werden.
- Darüber hinaus ergaben In-vitro-Daten, dass Lonafarnib ein MATE1/MATE2-K-Inhibitor ist, weshalb der Wirkstoff nicht gleichzeitig mit dem derzeit einzig bekannten MATE1/MATE2-K-Substrat Metformin angewendet werden sollte.
Kontraindikationen
Lonafarnib darf nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder Farnesyltransferasen
- Anwendung starker CYP3A-Inhibitoren
- Anwendung von Arzneimitteln, die vorwiegend über CYP3A4 metabolisiert werden wie z. B. Midazolam, Atorvastatin, Lovastatin und Simvastatin
- Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse C)
Schwangerschaft
Bisher liegen keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Lonafarnib bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt, weshalb die Anwendung während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebährfähigen Alter, die keine Empfängnisverhütung anwenden, nicht empfohlen wird.
Stillzeit
Es ist nicht bekannt, ob Lonafarnib in die Muttermilch übergeht. Tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass Lonafarnib in die Milch übergeht, weshalb ein Risiko für das Kind bzw. den Säugling nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob die Therapie mit Lonafarnib abzubrechen ist. Dabei sind sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Verkehrstüchtigkeit
Da nach der Anwendung von Lonafarnib Müdigkeit auftreten kann, hat das Medikament geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Wirkstoff-Informationen
- EMA: Fachinformation Zokinvy
- Dhillon, Sohita. "Lonafarnib: first approval." Drugs 81.2 (2021): 283-289.
- Gordon, Leslie B., et al. "Association of lonafarnib treatment vs no treatment with mortality rate in patients with Hutchinson-Gilford progeria syndrome." Jama 319.16 (2018): 1687-1695.
- Gordon, Leslie B., et al. "Clinical trial of the protein farnesylation inhibitors lonafarnib, pravastatin, and zoledronic acid in children with Hutchinson-Gilford progeria syndrome." Circulation 134.2 (2016): 114-125