Methohexital
Methohexital ist ein ultrakuz wirksames Barbiturat, das als Anästhetikum zur Einleitung einer Narkose angewendet wird. In Deutschland ist nur ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methohexital zugelassen.
Methohexital: Übersicht

Anwendung
Methohexital ist indiziert zur:
- Mono- oder Kombinationsnarkose (mit oder ohne Intubation)
- Einleitung einer Inhalationsnarkose
- Einleitung einer Neuroleptanalgesie
- präklinischen Narkose bzw. zur Narkoseeinleitung bei schweren Traumen im Rettungsdienst
Wirkmechanismus
Barbiturate wirken über eine postsynaptische Verstärkung von GABA, indem sie mit Alpha- und Beta-Untereinheiten des GABA-A-Rezeptors interagieren. Hierbei erhöhen Barbiturate den Chloridioneneinstrom, was zu einer GABA-induzierten postsynaptischen Hemmung führt.
Sowohl Barbiturate als auch Benzodiazepine interagieren mit GABA-A-Rezeptoren, doch führen Barbiturate im Gegensatz zu Benzodiazepinen selbst bei sehr geringer GABA-Konzentration zu einer Verlängerung der Dauer der durch den Neurotransmitter GABA bewirkten Öffnung des Kanals. Da Benzodiazepine am GABA-Rezeptor nur in Anwesenheit von GABA wirken können, sind sie in ihrer Wirkung limitiert. Barbiturate hingegen wirken nicht wie Benzodiazepinen nur schlafanstoßend, sondern in höherer Dosierung auch schlaferzwingend.
Problematisch ist ihre geringe therapeutische Breite.
Barbiturate wirken dosisabhängig:
Sedierung ➔ Schlaf ➔ Anästhesie ➔ Koma

Pharmakokinetik
Die Pharmakokinetik von Methohexital unterliegt deutlich interindividuellen Schwankungen, besonders nach i.m.- und ganz besonders nach rektaler Applikation.
Verteiling
- Die Plasmaeiweißbindung beträgt ca. 73%.
- In Vollblut mit einem Hämatokritwert von 42% waren ca. 20% von Methohexital an die Erythrozytenmasse gebunden.
- Die Halbwertszeit nach i.v. Gabe beträgt ca. 70 – 125 Minuten und ist in den ersten 30 Minuten am kürzesten.
- Nach den aus den Serumspiegelbestimmungen nach i.v.-Applikationen bei 4 Kindern (4 – 6 Jahre) ermittelten Werten ist die Halbwertszeit mit 32 – 46 Min. deutlich kürzer als bei Erwachsenen.
Metabolismus
- Methohexital wird in der Leber durch Demethylierung und Oxidation fast vollständig zu inaktiven Metaboliten metabolisiert.
- Der Hauptmetabolit ist die 1-Methyl-5-allyl-5-(-methyl-4-hydroxy-2-pentinyl)-barbitursäure, die durch Hydroxylierung der Pentinylseitenkette gebildet wird.
- Unveränderte Substanz wird nur weniger als 1% ausgeschieden.
- Die Ausscheidung erfolgt renal durch glomeruläre Filtration.
Bioverfügbarkeit
- Die Bioverfügbarkeit ist nach i.v.-Applikation: 100%
- nach i.m.-Injektion bei Kindern (n = 10): ca. 100%
- nach rektaler Gabe bei Kindern (n = 10): Nach Leberpassage im venösen Blut im Mittel 17% (8 – 32 %)
Dosierung
Intermittierende Injektion
Zur Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung durch intermittierende Injektion wird die Verwendung einer 1%igen Brevimytal® Hikma -Lösung empfohlen. Höhere Konzentrationen sollen nicht verwendet werden, da diese deutlich häufiger zu Muskelbewegungen sowie Atem- und Kreislaufstörungen führen.
Die Dosierung richtet sich bei der Einleitung einer Barbiturat-Narkose grundsätzlich nach dem individuellen Ansprechen. Beim Erwachsenen werden normalerweise Dosen zwischen 5 und 12 ml (durchschnittlich 7 ml) einer 1%igen Lösung (50 – 120 mg bzw. 1 – 1,5 mg/kg) Brevimytal ® Hikma verwendet. Diese Induktionsdosis ergibt gewöhnlich eine 5 – 7 Minuten dauernde Narkose.
Eine bestimmte Injektionsgeschwindigkeit ist nicht festgelegt; in der Regel wird von der 1%igen Lösung in 5 Sekunden 1 ml (10 mg) gespritzt. Zur Aufrechterhaltung durch intermittierende Injektion werden in Abständen von 4 – 7 Minuten weitere Dosen von 2 – 4 ml (20 – 40 mg) verabfolgt.
Dauertropfinfusion
Die Aufrechterhaltung der Narkose kann auch durch Dauertropfinfusion einer 0,2%igen Lösung erfolgen. Die Infusionsgeschwindigkeit ist den individuellen Verhältnissen anzupassen. Sie kann z.B. auf 1 Tropfen pro Sekunde eingestellt werden. Bei längerdauernden Eingriffen wird eine allmähliche Reduktion der Injektionsrate empfohlen.
Rektale Anwendung
Eine rektale Anwendung sollte nur bei Kindern erfolgen, die mindestens 18 Monate alt sind und deren Körpergewicht maximal 25 kg beträgt. Es werden im Allgemeinen 20 – 30 mg/kg Körpergewicht als 10%ige Lösung (0,2 – 0,3 ml/kg Körpergewicht) instilliert, jedoch sollte dabei eine Dosis von 500 mg nicht überschritten werden. Diese Einleitungsanästhesie hält nach einer Einschlafzeit von 6 – 8 Minuten aufgrund der raschen Metabolisierung etwa 5 – 8 Minuten an.
Nebenwirkungen
- Wenn Barbiturate als i.v.-Anästhetika verabreicht werden, bewirken sie eine Senkung des Blutdrucks und eine Erhöhung der Herzfrequenz. Darüber hinaus können Atemdepression und Apnoe auftreten
- Thiopental kann zu einer Histaminfreisetzeng führen, während Methohexital und Pentobarbital nur eine minimale Histaminfreisetzung bewirken
- Paradoxe Erregung vor allem bei Kindern und Senioren
- Die Extravasation von Thiopental kann schwere Gewebenekrose verursachen. Wenn eine Extravasation auftritt, umfassen Behandlungsmaßnahmen Hyaluronidase und Phentolamin
- Der Plazentatransfer erfolgt innerhalb von einer Minute nach der Verabreichung. Bei Verwendung als Medikamente zur Einleitung eines Kaiserschnitts kann es zu neonataler Depression kommen
- Bei Verwendung von Thiopental zur Narkoseeinleitung für einen Kaiserschnitt lag die höchste Konzentration von Thiopental in der Muttermilch beim ersten Stillen nach der Narkose bei etwa 0,9 mg/l
- Bei abruptem Absetzen von Barbituraten können Entzugssymptome auftreten: Nervosität, Zittern, Erregung und Hypotonie. Außerdem können Patienten ein Delirium oder Grand-Mal-Anfälle entwickeln
- Toleranzentwicklung
- Aufgrund der Möglichkeit einer Photosensibilisierung soll während der Anwendung von Phenobarbital starke Sonnenbestrahlung vermieden werden
- Unter der Anwendung von Phenobarbital wurden Fälle von lebensbedrohlichen Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und Toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN)) berichtet
Wechselwirkungen
Folgende Interaktionen sind bei der Anwendung von Methohexital zu beachten:
- Andere ZNS-dämpfende Mittel, einschließlich Alkohol und propylenglykolhaltige Lösungen: dämpfende Wirkung auf das Zentralnervensystem kann verstärkt werden
- Valproinsäure: Verstärkung der Wirkung von Methohexital
- Die Wirkung von Griseofulvin und oralen Kontrazeptiva kann verringert werden
- Methotrexat: Die Toxizität von Methotrexat wird bei gleichzeitiger Anwendung verstärkt
- Barbiturate können die Resorption und Elimination anderer Arzneimittel wie Phenytoin, Halothan, Antikoagulanzien und Kortikosteroide beeinflussen
Kontraindikationen
Methohexital darf nicht angewandt werden:
- in Fällen, in denen eine Allgemeinnarkose kontraindiziert ist
- bei latenter oder manifester Porphyrie
- im Status asthmaticus
- bei Patienten mit Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder gegen Barbiturate
- in der Schwangerschaft und Stillzeit
Für die intravenöse Gabe gilt zusätzlich, dass für Neugeborene keine ausreichenden Informationen zur Sicherheit vorliegen. Für die Anwendung bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 25 kg liegen Erfahrungen vor; die Anwendung soll mit besonderer Vorsicht erfolgen.
Für die rektale Gabe gelten zusätzlich folgende Gegenanzeigen:
- Alter unter 18 Monate
- Körpergewicht über 25 kg
- Entzündungen im Darmbereich
- vorgesehene Darmoperation
- Anämie
- nicht nüchterne Kinder
Bei geschwächten Patienten oder solchen mit obstruktiven Lungenerkrankungen oder anderen Atemstörungen, schwerer Hypooder Hypertension, Myokarderkrankungen, kongestivem Herzversagen, schwerer Anämie, extremer Fettsucht, Nieren-, Leber- oder endokrinen Störungen ist Vorsicht geboten.
Da Methohexital in der Leber metabolisiert wird und Barbiturate eine bestehende Kreislaufinsuffizienz verstärken können, sollte bei schwerer Leberinsuffizienz oder Kreislaufinstabilität oder bei Patienten im Schock-/schockähnlichen Zustand überlegt werden, ob ein anderes Einleitungsanästhetikum besser geeignet wäre.
Schwangerschaft
Hinsichtlich der Sicherheit der Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit sind keine verbindlichen Aussagen möglich. Deshalb ist die Anwendung bei schwangeren oder stillenden
Frauen kontraindiziert.
Stillzeit
Hinsichtlich der Sicherheit der Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit sind keine verbindlichen Aussagen möglich. Deshalb ist die Anwendung bei schwangeren oder stillenden
Frauen kontraindiziert.
Verkehrstüchtigkeit
Nach einer Narkose mit Methohexital darf mindestens 8 – 12 Stunden nicht aktiv am Straßenverkehr teilgenommen oder eine Maschine bedint werden. Über den Zeitfaktor hat der Arzt individuell zu entscheiden.
Anwendungshinweise
Barbiturate dürfen nur unter Vorsicht angewendet werden bei:
- akuter hepatischer Porphyrie
- schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen
- schweren Herzmuskelschäden
- Abhängigkeitserkrankungen in der Anamnese
- Atemwegserkrankungen, insbesondere, wenn sie mit Dyspnoe und Obstruktion einhergehen
- positiver (Familien-)Anamnese einer affektiven Störung
- Patienten mit Bewusstseinsstörung
Bei längerer Anwendung (über eine Woche) sollte beim Absetzen die Dosis schrittweise reduziert werden.
Alternativen
Die Einteilung der Barbiturate erfolgt nach ihrer Wirkdauer:
Ultrakurz wirkenden Substanzen (Wirkung bis 10 Minuten)
Kurz und mittellang wirkende Substanzen (Wirkung hält 2 bis 6 Stunden an)
Lang wirkende Barbiturate (Wirkung von mehr als 6 Stunden)
Wirkstoff-Informationen
- Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010
- Fachinformation Brevimytal® Hikma
- Skibiski, J., & Abdijadid, S. (2021). Barbiturates. In StatPearls
Abbildung
Adapted from „GABA Synthesis and Uptake”, by Biorender.com