Molnupiravir

Molnupiravir (Lagevrio) ist ein Ribonukleosid-Analogon, das die virale RNA-abhängige RNA Polymerase targetiert. Der Wirkstoff wurde von Drug Innovations at Emory (DRIVE), LLC, einem gemeinnützigen Biotechnologieunternehmen, das sich vollständig im Besitz der Emory University befindet, entdeckt und wird nun von Merck in Zusammenarbeit mit Ridgeback Biotherapeutics entwickelt. Molnupiravir ist in der EU noch nicht zugelassen, wurde jedoch von der Bundesregierung rechtmäßig in Verkehr gebracht.

Molnupiravir

Anwendung

Molnupiravir (Lagevrio) ist in der Europäischen Union noch nicht zugelassen, ist allerdings im Januar 2022 von der Bundesregierung rechtmäßig in Verkehr gebracht worden.

Lagevrio soll innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn für fünf Tage zweimal täglich eingenommen werden.Die Abgabe des bislang nicht zugelassenen Arzneimittels soll über die Apotheken erfolgen. Um eine qualitätsgesicherte Beratung und Abgabe von Lagevrio zu gewährleisten, wurde von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) eine Beratungs- und Dokumentationsleitfaden zur Verfügung gestellt.

Bei der Abgabe muss beachtet werden, dass die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beschafften Arzneimittelpackungen Lagevrio für Großbritannien produziert wurden und deshalb sämtliche Angaben bis auf weiteres in englischer Sprache vorliegen. Hier eine nicht-zertifizierte Übersetzung der Gebrauchsinformation mit Textstand November 2021 zu Lagevrio 200 mg hard capsules.

In Großbritannien wurde das antivirale Arzneimittel unter dem Handelnamen Lagevrio zugelassen.

Wirkmechanismus

Viren nutzen Zellen des infizierten Organismus, um die Replikation ihres Genoms sicherzustellen und neue infektiöse Viruspartikel zu generieren. Dabei sorgen virale RNA Polymerasen für eine korrekt ablaufende Transkription des viralen Genoms mit den zur Verfügung stehenden Nukleosiden bzw. Nukleotiden der Wirtszelle.

Das Prodrug Molnupiravir wird im Plasma zu β-D-N4-Hydroxycytidin (NHC) gespalten und anschließend von wirtseigenen Kinasen zum aktiven Molnupiravir-5‘-Triphosphat (MTP) phosphoryliert. MTP ist ein Nukleotidanalogon von Cytidintriphosphat (CTP) und in seiner tautomeren Form unter anderem auch von Uridintriphosphat (UTP). Somit konkurriert MTP als Substrat der (SARS-CoV-2-)RNA-abhängigen RNA Polymerase vorwiegend mit CTP aber auch mit UTP und führt zu C zu U Mutationen, sowie G zu A Mutationen. Die Replikation des viralen Genoms wird dabei nicht inhibiert. Vielmehr bedingt eine steigende Mutationslast das Ende der Virusreplikation und unterbricht die Generierung weiterer Viruspartikel. Klinisch wird infolgedessen die Viruslast gesenkt.

Molnupiravir

Pharmakokinetik

  • Molnupiravir kann oral eingenommen werden.
  • Molnupiravir wird von Plasmaesterasen zu β-D-N4-Hydroxycytidin gespalten.

Dosierung

Die empfohlene Dosierung beträgt 800 mg Molnupiravir (vier 200 mg Kapseln) alle 12 Stunden über 5 Tage.

Nebenwirkungen

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen (≥1% der Patienten) einer Zwischenanalyse einer Phase-III-Studie an Patienten mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 waren:

  • Durchfall (3%)
  • Übelkeit (2%)
  • Schwindel (1%)
  • Kopfschmerzen (1%)

Wechselwirkungen

Für Molnupiravir sind bisher keine Hinweise auf Medikamenteninteraktionen bekannt geworden. Es wurden keine klinischen Interaktionsstudien mit Molnupiravir durchgeführt.

Kontraindikationen

Lagevrio darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile

Schwangerschaft

Aufgrund fehlender Daten wird eine Anwendung von Molnupiravir während der Schwangerschaft und bei gebärfähigen Frauen, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, nicht empfohlen.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Molnupiravir oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Wegen der Möglichkeit von unerwünschten Wirkungen auf den gestillten Säugling sollte das Stillen während der Dauer der Behandlung und für vier Tage nach Einnahme der letzten Dosis unterbrochen werden.

Studienlage

Anfang Oktober 2021 legte der US-Pharmakonzern MSD positive Studiendaten vor, wonach Molnupiravir bei früher ambulanter Therapie zu einer Halbierung der Hospitalisierungs- und Sterberate führte. Die Inzidenz aller unerwünschter Ereignisse war in der Molnupiravir- und der Placebo-Gruppe vergleichbar (35% bzw. 40%). Auch die Inzidenz arzneimittelbedingter unerwünschter Ereignisse war vergleichbar (12% bzw. 11%). In der Molnupiravir-Gruppe (1,3%) brachen weniger Patienten die Studientherapie aufgrund eines unerwünschten Ereignisses ab als in der Placebo-Gruppe (3,4%).

Einer Stellungnahme zu Molnupiravir der AWMF und STAKOB zufolge lassen die bisher vorliegenden Daten zahlreiche Fragen offen. Eine Publikation der Daten in einem Peer-Review-Journal liegt bisher nicht vor. Die exakte Quantifizierung des Zusatznutzens von Molnupiravir im derzeitigen, deutschen Versorgungskontext sei aktuell nicht möglich.

Weitere Studienergebnisse

  • Das Nukleosidanalogon NHC zeigt bei Mäusen, Meerschweinchen, Frettchen und in menschlichen Atemwegsepithelorganoiden eine starke Aktivität gegen Influenzaviren.
  • In den USA laufen mehrere klinische Studien, darunter auch eine Phase-II/III-Studie (NCT04575584).
  • In Nature Microbiology wurden erste Daten an Untersuchungen mit Tieren veröffentlicht, die zeigten, dass Molnupiravir bei mit SARS-CoV-2-infizierten Frettchen die Menge an ausgeschiedenem Virus so stark reduzierte, dass die Tiere nicht mehr ansteckend waren.
  • Am 9. Februar 2021 wurden weitere Daten in Nature publiziert, die zeigen, dass Molnupiravir bei immundefizienten Mäusen mit transplantiertem menschlichen Lungengewebe die Virusreplikation im Lungengewebe und eine Infektion verhindern konnte.
  • Am 15. April 2021 gaben die Unternehmen Merck und Ridgeback Biotherapeutics bekannt, dass der ambulante Teil der Phase-III-Studie (MOVe-OUT) mit nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten fortgesetzt, die Studie an stationär behandelten Patienten (MOVe-IN) dagegen nicht weitergeführt wird (Daten von MOVe-IN würden darauf hinweisen, dass Molnupiravir bei Krankenhauspatienten keinen klinischen Nutzen zeige).
  • Anfang Oktober 2021 legte der US-Pharmakonzern MSD positive Studiendaten vor, wonach Molnupiravir bei früher ambulanter Therapie zu einer Halbierung der Hospitalisierungs- und Sterberate führte.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
329.31 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 7.0 H
Q0-Wert:
0.97
Quelle:
  1. W. Fischer et al., “Molnupiravir, an Oral Antiviral Treatment for COVID-19.,” medRxiv  Prepr. Serv. Heal. Sci., 2021, doi: 10.1101/2021.06.17.21258639.
  2. B. Malone and E. A. Campbell, “Molnupiravir: coding for catastrophe,” Nat. Struct. Mol. Biol., vol. 28, no. 9, pp. 706–708, 2021, doi: 10.1038/s41594-021-00657-8.
  3. A Safety, Tolerability and Efficacy of Molnupiravir (EIDD-2801) to Eliminate Infectious Virus Detection in Persons With COVID-19, 18.10.2021
  4. Merck: Pressemitteilung, 18.10.2021
  5. Fachinformation Lagevrio

Abbildung

Adapted from „Merck's-Molnupiravir-Antiviral-Against-COVID-19”, by BioRender.com

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