Molsidomin

Der Wirkstoff Molsidomin gehört zur Gruppe der Stickstoffmonoxid- (NO-)Donatoren und wird aufgrund seiner vasodilatierenden Wirkung zur Prophylaxe und Langzeitbehandlung der Angina Pectoris eingesetzt. Molsidomin unterscheidet sich dabei pharmakologisch von den ebenfalls NO-freisetzenden organischen Nitraten.

Molsidomin

Anwendung

Der NO-Donator Molsidomin ist indiziert zur Prophylaxe und Langzeitbehandlung der Angina Pectoris, wenn andere Arzneimittel nicht angezeigt sind, nicht vertragen wurden oder nicht ausreichend wirksam waren, sowie bei Patienten in höherem Lebensalter.

Aufgrund eines verzögerten Wirkeintritts ist die Anwendung von Molsidomin zur Kupierung eines akuten Angina Pectoris-Anfalls ungeeignet.

Anwendungsart

Molsidomin ist in Form von Tabletten (2 mg und 4 mg) sowie Retardtabletten (8 mg) erhältlich. Die Einnahme kann nahrungsunabhängig erfolgen, wobei die Tabletten  unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit in regelmäßigen Abständen eingenommen werden.

Wirkmechanismus

Molsidomin ist ein Prodrug, das in der Leber zu seinem aktiven Metaboliten SIN-1 (Linsidomin) biotransformiert wird. Aus SIN-1 wird nichtenzymatisch über das Zwischenprodukt SIN-1A Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt, das wiederum in der glatten Gefäßmuskulatur durch Stimulation der löslichen Guanylatzyklase (sGC), welche GTP in cGMP umwandelt, eine Relaxation induziert. Aufgrund der enzymunabhängigen NO-Freisetzung kommt es im Gegensatz zu den Nitraten zu keiner pharmakologischen Toleranzentwicklung.

Molsidomin bewirkt als NO-Donator eine Vasodilatation, die an den venösen Kapazitätsgefäßen (Reduktion der Vorlast) stärker ausgeprägt ist als an den arteriellen Widerstandsgefäßen. Als Folge nimmt der rechtsventrikuläre Füllungsdruck des Herzens ab, woraus eine Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs resultiert.

Darüber hinaus verursacht Molsidomin in hohen Dosen auch eine Dilatation der Gefäßwände im arteriellen System.

Zusätzlich bedingt die NO-Freisetzung in Thrombozyten eine reversible Hemmung der grundlegenden Plättchenfunktionen (Adhäsion, Sekretion, Aggregation).

Pharmakokinetik

Resorption

  • Nach oraler Einnahme wird Molsidomin zu mehr als 90% resorbiert.
  • Die maximale systemische Konzentration (cmax) des Prodrugs Molsidomin und seines aktiven Metaboliten SIN-1 wird nach etwa 1-2 Stunden (tmax) erreicht.

Verteilung

  • Molsidomin wird zu 3-11% an Plasmaproteine gebunden.

Metabolismus (Biotransformation)

  • Das Prodrug Molsidomin wird in der Leber zu seinem aktiven Metaboliten SIN-1 metabolisiert.
  • Aufgrund des First-Pass-Effektes in der Leber werden nur etwa 44-59% der oralen Dosis von Molsidomin im Blut wiedergefunden.

Elimination

  • Die Halbwertszeit von SIN-1 liegt bei 1-2 Stunden.
  • Molsidomin wird hauptsächlich (> 90%) renal eliminiert.

Patientenindividuelle Pharmakokinetik

  • Eine an jungen und älteren Probanden durchgeführte Studie zeigte, dass der hepatische First-Pass-Effekt mit zunehmendem Lebensalter vermindert und die Halbwertszeit verlängert ist, was zu einer Zunahme der AUC für Molsidomin und SIN-1 führt.
  • Bei Patienten mit Lebererkrankungen und dekompensierter Herzinsuffizienz wurden ähnliche Veränderungen beobachtet, bei Patienten mit KHK in wesentlich geringerem Umfang.
  • Die Clearance war bei Leberkranken ebenfalls herabgesetzt.
  • Bei eingeschränkter Nierenfunktion blieb die Pharmakokinetik von Molsidomin nahezu unbeeinflusst.
  • Im Allgemeinen sind aufgrund des hohen therapeutischen Dosisbereiches und der bisher gewonnenen klinischen Erfahrungen keine Dosisanpassungen notwendig.
  • Bei bestimmten Patienten, z.B. Leber- und Nierenkranken, Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz oder bei einer Begleitbehandlung mit anderen vasoaktiven Arzneimitteln, kann die Verabreichung einer niedrigeren Initialdosis empfehlenswert sein.

Dosierung

Die Dosierung richtet sich zum einen nach dem Schweregrad der Erkrankung und zum anderennach dem Ansprechen auf die Behandlung. Folgende Dosierungsrichtlinien gilt es zu beachten:
2 mg Tablette:

  • 2x täglich 1 Tablette (entspricht 4 mg Molsidomin/Tag), wobei 2x täglich ½ Tablette (entspricht 2 mg Molsidomin/Tag) ausreichen kann
  • Bei unzureichender Wirksamkeit: 3x täglich 1-2 Tabletten (entspricht 6-12 mg Molsidomin/Tag) bis maximal 4x täglich 2 Tabletten (entspricht 16 mg Molsidomin/Tag)

4 mg Tablette:

  • 2x täglich ½ Tablette (entspricht 4 mg Molsidomin/Tag)
  • Bei unzureichender Wirksamkeit: 3x täglich ½-1 Tablette (entspricht 6-12 mg Molsidomin/Tag) bis maximal 4x täglich 1 Tablette (entspricht 16 mg Molsidomin/Tag)

8 mg Retardtablette:

  • 1-2x täglich 1 Retardtablette (entspricht 8-16 mg Molsidomin/Tag), wobei in leichteren Fällen 2x täglich ½ Retardtablette (entspricht 8 mg Molsidomin/Tag) ausreichen kann
  • Bei unzureichender Wirksamkeit: 3x täglich 1 Retardtablette (entspricht 24 mg Molsidomin/Tag)

Eine niedrigere Initialdosis kann bei Patienten mit Leber- und Nierenerkrankung, dekompensierter Herzinsuffizienz oder einer Begleitmedikation mit anderen vasoaktiven Wirkstoffen empfehlenswert sein.

Nebenwirkungen

Unter der Therapie mit Molsidomin treten häufig folgende Nebenwirkungen auf:

  • Kopfschmerzen (insbesondere zu Beginn der Behandlung)
  • Hypotonie

Die durch Molsidomin hervorgerufene Vasodilatation kann zu einem Blutdruckabfall führen, der in seltenen Fällen in einen Kollaps oder Schock übergehen kann. Dies kann eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der Therapie erfordern.

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Einnahme von Molsidomin mit ebenfalls hypotensiv wirkenden Substanzen sollte mit Vorsicht erfolgen oder vermieden werden. Zu diesen Substanzen zählen:

Eine pharmakodynamische Wechselwirkung zwischen NO-Donatoren und Mutterkornalkaloiden ist potenziell auch möglich (antagonistische Wirkung). Die gleichzeitige Anwendung von NO-Donatoren und Mutterkornalkaloiden sollte daher vermieden werden.

Kontraindikationen

Molsidomin ist kontraindiziert bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
  • Akutem Kreislaufversagen (z.B. Schock oder Kollaps)
  • Schwerer Hypotonie (systolische Blutdruck < 100 mmHg)
  • Stillenden Frauen

Schwangerschaft

Der Einsatz von Molsidomin in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen, da über die Sicherheit einer Anwendung beim Menschen keine Erfahrungen vorliegen.

Stillzeit

Molsidomin geht in die Muttermilch über. Um eine Aufnahme von Molsidomin über die Muttermilch beim Kind zu verhindern, darf während der Behandlung mit Molsidomin nicht gestillt werden (Kontraindikation).

Verkehrstüchtigkeit

Molsidomin kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigt wird. Dies gilt vor allem bei Behandlungsbeginn, Dosiserhöhung und Präparatewechsel sowie im Zusammenwirken mit Alkohol.

Anwendungshinweise

Kardiale Komorbiditäten

Molsidomin darf nur mit Vorsicht angewendet werden bei:

  • hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie, konstriktiver Perikarditis und Perikardtamponade
  • niedrigen Füllungsdrücken, z.B. bei akutem Herzinfarkt, eingeschränkter Funktion der linken Herzkammer (Linksherzinsuffizienz)
  • Aorten- und/oder Mitralstenose

Hypotoniegefahr

  • Patienten, bei denen die Gefahr eines Blutdruckabfalls in den hypotonen Bereich erhöht ist, müssen sorgfältig überwacht werden (die Dosis muss ggf. dem Zustand des Patienten angepasst werden).
  • Bei der Therapie mit Molsidomin sollte berücksichtigt werden, dass der Ruheblutdruck (vor allem der systolische Wert) gesenkt werden kann, wobei hypertone Ausgangsdrücke deutlicher ansprechen als normotone oder hypotone.

Herzinfarkt

Bei einem frischen Herzinfarkt darf Molsidomin nur nach Kreislaufstabilisierung und unter strengster ärztlicher Überwachung sowie kontinuierlicher Kontrolle der Kreislaufverhältnisse angewendet werden.

Alternativen

Zur Prophylaxe und Langzeitbehandlung der Angina Pectoris stehen neben der nicht-medikamentösen Therapie diese alternativen Wirkstoffe zur Verfügung:

Dabei sollte sich die antianginöse Therapie an den patientenindividuellen Komorbiditäten sowie den möglichen unerwünschten Nebenwirkungen orientieren.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
242.23 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 1.5 H
Q0-Wert:
0.9
Autor:
Stand:
01.11.2021
Quelle:
  1. Fachinformation Heumann
  2. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  3. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  4. Langfassung Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK (Stand: 2019)
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10 Präparate mit Molsidomin