Nortriptylin
Nortriptylin gehört zur Wirkstoffgruppe der trizyklischen Antidepressiva und ist ein aktiver Metabolit von Amitriptylin. Der Wirkstoff kann angewendet werden zur Behandlung von Depressionen, neuropathischen Schmerzen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Raucherentwöhnung und Angstzuständen.
Nortriptylin: Übersicht

Anwendung
Das trizyklische Antidepressivum (TZA) Nortriptylin kann angewendet werden zur Behandlung von Depressionen, neuropathischen Schmerzen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Raucherentwöhnung und Angstzuständen.
Anwendungsart
Der Wirkstoff ist in Form von Filmtabletten auf dem deutschen Markt.
Wirkmechanismus
TZA wie Nortriptylin wirken hauptsächlich als Serotonin und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), indem sie den Serotonin-Transporter (SERT) und den Noradrenalinn-Transporter (NET) blockieren. Dies führt zu einer Erhöhung der synaptischen Konzentrationen dieser Neurotransmitter und damit zu einer Verstärkung der Neurotransmission. Darüber hinaus besitzen TZA auch eine schwache Affinität zum Dopamintransporter (DAT), sind aber als Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (DRIs) nur wenig wirksam. Nortriptylin besitzt im Vergleich zu anderen TZA die höchste Affinität zum Dopamintransporter.
Darüber hinaus wirkt Nortriptylin aufgrund seiner zusätzlichen Antagonisierung von H1- und 5-HT2A-Rezeptoren auch schlafverbessernd. Kurzfristig kann Nortriptylin jedoch aufgrund seiner aktivierenden Wirkung den Schlaf stören.
TZA besitzen außerdem eine unterschiedlich stark ausgeprägte, aber typischerweise hohe Affinität zur Antagonisierung muskarinischer Acetylcholinrezeptoren. Dadurch wirken TZA auch als starke Anticholinergika.
Die meisten TZA hemmen auch Natriumkanäle und Calciumkanäle vom L-Typ und wirken daher als Natrium- bzw. Calciumkanalblocker. Die erstgenannte Eigenschaft kann bei Überdosierung die Mortalität durch Kardiotoxizität erklären.

Pharmakokinetik
Nortriptylin wird in der Leber durch CYP2D6 metabolisiert, so dass genetische Variationen des für dieses Enzym kodierenden Gens seinen Metabolismus beeinflussen, was zu Veränderungen der Wirkstoffkonzentration führen kann. Nortriptylin wird im Körper weit verteilt und vor allem an Plasma und Gewebeprotein gebunden. Die Plasmakonzentrationen von Nortriptylin variieren individuell stark und es wurde bisher kein einfacher Zusammenhang mit dem therapeutischem Ansprechen festgestellt.
Nebenwirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Nortriptylin sind Mundtrockenheit, Verstopfung, verschwommenes Sehen, Schläfrigkeit, Erdniedrigung des Blutdrucks und Schwäche. Schwerwiegende Nebenwirkungen können Krampfanfälle, ein erhöhtes Suizidrisiko bei Personen unter 25 Jahren, Harnverhalt, Glaukom, Manie und eine Reihe von Herzproblemen sein.
Wechselwirkungen
Mit folgenden Verbindungen sind Wechselwirkungen bei der Einnahme von TZA möglich:
- MAO-Hemmer (nicht-selektive ebenso wie selektive Inhibitoren der MAO A (Moclobemid) und MAO B (Selegilin): Gefahr eines Serotoninsyndroms.
- Sympathomimetika können die kardiovaskulären Effekte verstärken
- Adrenozeptorblocker: TZA können die blutdrucksenkende Wirkung zentral wirkender Antihypertensiva, wie z. B. Guanethidin, Reserpin, Clonidin und Methyldopa abschwächen.
- Anticholinergika: TZA können die Effekte dieser Wirkstoffe auf Augen, zentrales Nervensystem, Darm und Harnblase verstärken; die gleichzeitige Anwendung dieser Wirkstoffe ist zu vermeiden, da sie mit einem erhöhten Risiko für paralytischen Ileus, Hyperpyrexie usw. verbunden ist.
- Arzneimittel, die das QT-Intervall verlängern (z. B. Antiarrhythmika wie Chinidin, die Antihistaminika Astemizol und Terfenadin, bestimmte Antipsychotika -insbesondere Pimozid und Sertindol-, Cisaprid, Halofantrin und Sotalol) können das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien erhöhen, wenn sie gleichzeitig mit TZA angewendet werden.
- Methadon: Potenzial additiver Effekte auf das QT-Intervall und erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Wirkungen.
- Hypokaliämie induzierenden Diuretika (z. B. Furosemid).
- CYP2D6-Substrate wie Thioridazin: Risiko für kardiale Nebenwirkungen.
- CYP2D6-Substrate wie Tramadol: erhöhtes Risiko für Krampfanfälle und Serotoninsyndrom.
- CYP2D6-Inhibitoren (z. B. Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin und Chinidin: Abschwächung des TZA-Metabolismus und Erhöhung der Plasmakonzentration möglich.
- Weitere Cytochrom-P450-Inhibitoren: Cimetidin, Methylphenidat und Calciumkanal-Blocker (wie z. B. Diltiazem und Verapamil) können die Plasmakonzentration von TZA steigern und die damit verbundene Toxizität verstärken.
- Antimykotika wie Fluconazol (ein CYP2C9-Inhibitor) und Terbinafin (ein CYP2D6-Inhibitor) können zur Erhöhung der TZA-Serumkonzentrationen führen.
- Cytochrom-P450-Induktoren wie z. B. orale Kontrazeptiva, Rifampicin, Phenytoin, Barbiturate, Carbamazepin und Johanniskraut können die Metabolisierung von TZA verstärken und so deren Plasmakonzentration senken und die antidepressive Wirkung abschwächen.
- Alkohol, Barbiturate und zentral dämpfende Arzneimittel: Verstärkung der sedierenden Wirkung.
- Antipsychotika: Metabolisierung wird wechselseitig inhibiert, was zur Senkung der Krampfschwelle und zum Auftreten von Krampfanfällen führen kann.
Kontraindikationen
TZA dürfen nicht angewendet werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen den jeweiligen Wirkstoff
- Kürzlich zurückliegender Herzinfarkt
- Herzblock jeglichen Grades oder Herzrhythmusstörung und Koronarinsuffizienz
- Behandlung mit Monoaminoxidase- (MAO-)Hemmern
- Schwerer Lebererkrankung
Schwangerschaft
Es liegen nur begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Nortriptylin bei Schwangeren vor. Es liegen keine ausreichenden tierexperimentellen Studien in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität vor. Deshalb sollte das Arzneimittel während der Schwangerschaft oder bei Frauen im gebärfähigen Alter nicht angewendet werden, außer wenn die potenziellen Vorteile eindeutig das potenzielle Risiko überwiegen.
Stillzeit
Nortriptylin geht in begrenzten Mengen in die Muttermilch über (entsprechend 0,6-1% der Dosis für die Mutter). Bisher wurden keine unerwünschten Auswirkungen auf Säuglinge berichtet. Während der Nortriptylin-Therapie kann weiter gestillt werden, wenn der Vorteil für die Mutter das potenzielle Risiko für das Kind überwiegt. Allerdings wird eine Beobachtung des Säuglings empfohlen, insbesondere während der ersten vier Wochen nach der Geburt.
Verkehrstüchtigkeit
Nortriptylin hat mäßigen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.
Anwendungshinweise
Bei der Anwendung von Antidepressiva ist zu beachten, dass die antidepressive Wirkung in der Regel erst nach 2 bis 4 Wochen einsetzt. Ein entsprechender Beratungshinweis ist wichtig, damit Patienten an der Therapie festhalten und diese nicht vorzeitig aufgrund der initial fehlenden Wirkung abbrechen.
Bei Patienten mit suizidalem Verhalten in der Anamnese ist das Risiko für die Auslösung von Suizidgedanken oder -versuchen unter der Anwendung von Nortriptylin erhöht. Sie sollten daher während der Behandlung besonders sorgfältig überwacht werden.
Wirkstoff-Informationen
- Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth "Medizinische Chemie", 2. Auflage 2010
- Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Fachinformation Nortriptylin Glenmark
Abbildung
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